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110 Jahre Benelli, 100 Jahre Benelli-Motorräder

Von Thorsten Horn
Neben der Marke Moto Guzzi, die am 15. März 100 Jahre alt wurde, feiern in diesem Jahr weitere ruhmreiche italienische Motorradhersteller einen runden Geburtstag – zum Beispiel Benelli.

Die Entstehung von Benelli geht auf das Jahr 1911 zurück und ist einer Frau zu verdanken. Teresa Boni Benelli war Witwe und Mutter von sechs Söhnen. Ihr größter Wunsch war, dass Giuseppe, Giovanni, Francesco, Filippo, Domenico und Antonio zusammenhalten und möglichst in ihrer Heimatstadt eine gemeinsame Arbeit fänden. 1911 kaufte sie in Pesaro an der italienischen Adriaküste kurzerhand Werkzeugmaschinen und vergatterte ihre Söhne quasi zur gemeinsamen Arbeit.

Die Brüder gründeten schließlich zunächst das kleine Familienunternehmen Officina Meccanica Benelli. Anfangs gab man sich dem Reparieren des spärlichen Fahrzeugbestands im Umkreis hin. Doch ein Traum blieb – die Entwicklung und Fertigung eines eigenen Motorrads. Mit dem ersten Weltkrieg und einem schweren Erdbeben 1916, bei dem die Stadt und so auch die Werkstatt der Benellis in Schutt gelegt wurden, hatte man zunächst ein paar herbe Rückschläge zu überstehen.

1919 war der erste Schritt getan, als man auf der Mailänder Mustermesse einen 75-ccm-Motor ausstellte. Mit dem Motor allein war man aber noch nicht am Ziel angelangt. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis die erste komplette Benelli, jetzt mit 98-ccm-Zweitaktmotor, einem Zweiganggetriebe und Kettenprimärtrieb, der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte.

Weitere Serienmodelle mit 125 und 147 ccm Hubraum folgten. Aus der 147er wurde auch Benellis erste Rennversion entwickelt. Während sich Giovanni als der führende Kopf der Firma herauskristallisierte, wurde der 1923 20-jährige Tonino als Fahrer der hauseigenen Rennmaschine auserkoren. Trotz einiger Erfolge gaben sich die Benellis nicht mit der Konsequenz dem Rennsport hin, der notwendig gewesen wäre. Einzig Tonino forderte, die Aktivitäten auszubauen.

Mit einem Nachteil von über 25 ccm Hubraum gegenüber der Konkurrenz in der 175-ccm-Klasse, und auch sonst einiger konstruktiver Probleme, drohte der inzwischen erfolgreiche Jüngste für andere Marken zu fahren. Die das Sagen hatten, lenkten schließlich ein.

1927 war mit der Einführung der italienischen Motorradmeisterschaft der erste hochmoderne Prototyp mit 172-ccm-Viertaktmotor und obenliegender Nockenwelle fertig. Tonino gewann in jenem Jahr ein ums andere Mal und holte sich und dem Familienunternehmen den Titel. «Tonino volante», der fliegende Tonino, raste in der Folgezeit weiter in stets halsbrecherischer Manier von Sieg zu Sieg, bis er 1932 einen schlimmen Unfall hatte und zwei Wochen gegen den drohenden Tod kämpfte. Er gewann den Kampf, stieg aber nie mehr auf ein Rennmotorrad. Stattdessen lenkte und leitete er nach seiner Genesung die sportlichen Aktivitäten des Hauses.

Benelli-Motorräder wurden vor allem in der 175-ccm-Klasse auch von anderen Fahrern erfolgreich pilotiert. So wurden Carlo Baschieri 1932 und Ivan Goor 1934 damit Europameister.

Einen weiteren Meilenstein setzte der Brite Edward «Ted» Mellors 1939 auf der Insel Man, als er mit einer 250-ccm-Benelli im Regen die übermächtige, kompressoraufgeladene Konkurrenz besiegte und die «Lightweight-TT» gewann. Diesen Triumph erlebte Tonino nicht mehr mit: Er war zwei Jahre zuvor bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Als man sich auch in Pesaro mit Kompressormotoren beschäftigte, brach der Zweite Weltkrieg aus und unterband fast jegliches Zivilleben. Nach dem Ende des Wahnsinns standen die Benelli-Brüder erneut vor dem Nichts, rappelten sich aber wieder auf.

Zunächst fand man mit dem Umbau zusammengeklaubter Militärmotorräder wieder Anschluss, bis 1949 den Bedarf an schlichten und kostengünstigen Leichtkraftfahrzeugen erkannt wurde und Benelli mit dem 98-ccm-Modell «Letizia» etwas zu bieten hatte. Ein Modell mit 125 ccm folgte zwei Jahre später.

Auch im Motorsport engagierte sich Benelli recht bald wieder. Doch da aufgeladene Motoren in der ab 1949 ausgeschriebenen Straßenweltmeisterschaft verboten waren, griffen die Italiener im Wesentlichen auf die Konstruktion des 250-ccm-Motors der 1930er-Jahre zurück. Doch der Doppelnockenwellenmotor war mit niedrig-oktanigem Benzin sehr anfällig, sodass sich Dario Ambrosini, der neue Star im Benelli-Lager, vorerst mit einem Laufsieg in Monza und dem Vize-WM-Titel hinter Bruno Ruffo auf Moto Guzzi begnügen musste.

Erst 1950 wurde die Benzinvorschrift seitens der FIM geändert und Dario Ambrosini brauste mit der nun 27 PS leistenden 250er-Benelli zum WM-Titel. Gleich beim Saisonauftakt auf der Insel Man gelang dem Novizen ein vielbeachteter Sieg, den er auch Dank des übergroßen Spezialtanks herausfahren konnte. Auch im schweizerischen Genf und in Monza hieß der Sieger Ambrosini. Dazwischen wurde er in Ulster Zweiter.

1951 waren die Moto Guzzi in der Viertelliterklasse zahlen- und leistungsmäßig überlegen, doch Ambrosini siegte wieder beim ersten Rennen der Saison, diesmal in Bern. Auch nach Platz 2 auf der Insel Man schien wieder alles möglich, doch bei der dritten Station kam der begnadete Italiener am 14. Juli im französischen Albi ums Leben. Benelli verabschiedete sich daraufhin vom Rennsport.

1958/1959 tauchte Benelli erneut auf den Rennstrecken Europas auf, doch mit dem in der Entwicklung weitgehend stehen gebliebenen Einzylinder-Motorrad hatten auch Fahrgenies wie Geoff Duke und Dickie Dale gegen die Zweizylinder-MV-Agusta und Zweitakt-MZ keine Chance. Als Honda mit einer Vierzylinder-Maschine auftauchte, wurden die Schwächen der Benelli noch augenscheinlicher. Nun orientierte sich auch Benelli um und entwickelte ein Motorrad mit luftgekühltem Vierzylinder-Reihenmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen, zwei V-förmig hängenden Ventilen pro Zylinder und Sechsganggetriebe, das bei 13.000/min 40 PS leistete.

Die ersten Siege fuhr damit Tarquinio Provini 1964 in Spanien sowie 1965 auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Monza ein, als er alle Konkurrenten, inklusive den Zweitplatzierten Heinz Rosner auf einer MZ, überrundete.

Aus der 250er entstand später eine 350er mit 58 PS bei 14.000/min sowie eine 500er (491 ccm) mit 75 PS bei 12.800/min. Während man in den großen Klassen gegen die übermächtige MV Agusta unter Giacomo Agostini kein Land sah, hatte man 1969 in der Viertelliterklasse ein fast unschlagbares Fahrerduo. Renzo Pasolini war am Saisonbeginn verletzt und der Australier Kelvin «Kel» Carruthers kam ins Team. Gleich beim vierten von elf Rennen kam die Wende: Carruthers gewann auf der Insel Man sowie danach in Ulster und in Opatija. Pasolini fuhr in Assen, auf dem Sachsenring und in Brünn als Sieger ins Ziel. Nach Streichresultaten hieß der Weltmeister am Jahresende Kel Carruthers. Für Pasolini reichte es immerhin zu Endrang 4, womit gleichzeitig die Markweltmeisterschaft sichergestellt wurde.

Ab 1970 reglementierte die FIM die Viertelliterklasse auf maximal zwei Zylinder. Da zudem auf Grund der japanischen Konkurrenz die Verkaufszahlen sanken, fiel es den neuen Benelli-Eigentümern, die in der Folgezeit mehrfach wechselten, nicht schwer, sich im Motorsport einzuschränken.

Der 20. Mai 1973 ist noch als besonders trauriger Tag in der Benelli-Firmenhistorie in Erinnerung. Walter Villas schnelle 350er-Benelli war es damals, welche die Strecke von Monza mit Öl verschmutzte. Auf dieser Ölspur verloren Renzo Pasolini (Aermacchi) und Jarno Saarinen (Yamaha) nachher im 250-ccm-Rennen ihr Leben.

Immerhin sorgte Benelli in den 1970er-Jahren noch mit einer Sechszylinder-Straßenmaschine namens Benelli Sei für Furore.

Das letzte halbgare Aufbegehren gab es Anfang des neuen Jahrtausends, als die Benelli Tornado in der Superbike-Weltmeisterschaft auftauchte. Allerdings ohne durchschlagenden Erfolg, sodass es leider wieder ruhig um Rennmotorräder mit dem stets markanten Sound geworden ist.

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