KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

MotoGP-Soap: Die Katze ist zurück und andere Dramen

Kolumne von Michael Scott
Marc Márquez sorgte für einen Medienauflauf vor der Repsol-Box

Marc Márquez sorgte für einen Medienauflauf vor der Repsol-Box

Die MotoGP-WM 2021 gleicht einer Seifenoper bei Highspeed. Wer braucht schon Fiktion, wenn die Realität von Emotionen und Überraschungen nur so strotzt?

Nach dem Katar-Doppel ging es am vergangenen Wochenende in Portugal weiter, mit einer ganzen Reihe an filmreifen Szenen und Nebenhandlungen und der schwelenden Gefahr einer drohenden Teenager-Tragödie… Die Bedenken werden angesichts des ultra-engen Rennfahrens in der Moto3 immer lauter, mit zu vielen Manövern, die gerade noch glimpflich ausgingen.

Für bange Momente sorgte – unter zuhauf brutalen Stürzen – aber vor allem Katars Sensationsrookie Jorge Martin. Der Ducati-Neuling, der in seinem zweiten MotoGP-Rennen noch von der Pole-Position auf Platz 3 gestürmt war, wurde im FP3 heftig abgeworfen. Ein jähes Ende der Euphorie gab es auch bei Sam Lowes, der zwar seine Moto2-WM-Führung abgab, den Highsider in der ersten Kurve aber unbeschadet überstand – im Gegensatz zu Martin, der drei Operation über sich ergehen lassen musste.

Dazu gab es noch mehr Auseinandersetzungen im Kiesbett, Freud und Leid bei Suzuki und den üblen Einfluss der Regelhüter, der Moto3-Fahrer für ihren natürlichen Eifer mit Starts aus der Boxengasse bestraft und Pecco Bagnaia die Pole-Runde kostete.

Eine andere Story stellte aber alles in den Schatten.

Der Kern des Dramas war die Rückkehr jenes Mannes, den Cal Crutchlow einmal als «Die Katze» betitelte («weil er immer auf seinen Füßen landet»). Und während die Katze aus dem Haus war, tanzten die Mäuse auf dem Tisch. Und wie.

Alle Augen waren also auf Marc Márquez gerichtet.

Kein Miezekätzchen, wie er umgehend mit seiner Verachtung der physikalischen Gesetze und dem dritten Platz im ersten freien Training klarstellte.

Nach 265 Tagen, an denen er auf keinem MotoGP-Bike gesessen war, und 518 Tage nach seiner letzten Zieldurchfahrt (bei seinem Valencia-Sieg 2019) ließ er es auf Anhieb schon fast danach aussehen, als sei er nie weg gewesen: Er pushte an der Front, slidete mit dem Hinterreifen, glänzte mit einem «Save» wie eh und je.

Ich kann nicht der Einzige gewesen sein, der in diesem Moment heimlich darüber nachdachte, ob er nicht sogar schon das Rennen gewinnen würde und ob die Lockerungsübungen für seinen Arm vielleicht nicht nur Psycho-Bluff waren, um die Gegner in falscher Sicherheit zu wiegen.

Es stellte sich aber schon bald heraus, dass alles sehr wohl authentisch war, der siebte Platz war eine körperliche Tortur, weil die Muskelkraft im rechten Arm noch nicht ausreicht. Und eine mentale Tortur, wie sich spätestens dann zeigte, als er – ungewohnt menschlich – die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, nachdem ihn seine Honda-Mannschaft unter Applaus in der Box empfangen hatte. Auch in seiner Presserunde glänzten die Augen noch.

Um ehrlich zu sein, es war ein ziemlich bewegender Moment.

Ein klares Zeichen dafür, wie schwierig diese lange Zwangspause tatsächlich war und wie sehr er das Rennfahren einfach liebt.

Jeder Fahrer, der unfreiwillig aus dem Sattel steigen musste, kann sich ungefähr vorstellen, wie sehr es schmerzt, wenn man stundenlang Runde für Runde im Kopf dreht, um die Erinnerungen frisch zu halten.

Und dieser Frust, der einen in den Wahnsinn treibt, wenn man zum Zuschauen verdammt ist, obwohl man nur zu gut weiß, dass man eigentlich auf der Strecke sein sollte.

Aber wie viel Emotion kam von innen, und wie viel von außen?

Im Comeback-Rennen von Marc Márquez zeigte sich die entfesselte Überlegenheit des neuen WM-Leaders Fabio Quartararo: Zweiter Sieg in Folge auf einer 2021 neu erstarkten Werks-Yamaha, die bisher jedes Rennen gewonnen hat.

Und die unbändige Rennpace von Bagnaia (von Startplatz 11 auf Platz 2), der wohl eine Chance auf den Sieg gehabt hätte, wäre nicht seine vermeintliche Pole-Runde unter gelber Flagge zustande gekommen.

Marc legte seinerseits stark los, fiel dann aber vom vierten auf den siebten Platz zurück. Immer noch beeindruckend für einen Rückkehrer. Er lag aber fast 15 Sekunden zurück und wären Zarco, Rins und Miller nicht gestürzt, wäre es ein zehnter Rang geworden.

Das offenbarte eine unangenehme Wahrheit: Während Marcs langer Abwesenheit haben seine jungen Gegner massiv an Speed dazugewonnen – und noch wichtiger, an Selbstvertrauen.
Marc ist es gewohnt, die Kontrolle zu übernehmen und mit einem oder höchstens zwei Gegnern zu tun zu haben. Jetzt muss er sich darauf einstellen, dass es eine ganze Herde sein wird.

Eine der Lektionen im Jahr der aufstrebenden Rookies. In beiden kleinen Klassen holten sich in Portugal Neulinge den Sieg. Pedro Acosta (16), frisch aus dem Red Bull Rookies Cup, trumpft in der Moto3 groß auf, Raul Fernandez fuhr einen feinen ersten Moto2-Sieg ein. Zwei Spanier, deren frühzeitige Entwicklung auf lange Sicht die Geschichte ihres Landsmanns Márquez in den Schatten stellen könnte.

Es ist auch das Jahr, in dem die alten Jungs Mühe haben. Keiner mehr als Rossi, der vor der Saison noch hoffnungsvoll meinte, er wolle zwei weitere Jahre fahren, wenn er denn konkurrenzfähig sei. Er ist ganz klar in Schwierigkeiten und braucht einen großen Schritt nach vorne, um seinen Stolz und seinen Enthusiasmus zu retten.

Und eine Lektion für Andrea Dovizioso, der sich für ein Jahr aus der Affäre gezogen hat. Der Aprilia-Test mag zwar eine angenehme Sache sein, um sich in Form zu halten. Aber man will gegen die neue Klasse 2021 eigentlich auch keinen Renn-Rost ansammeln.


Diese aufmüpfigen Mäuse, verdammt nochmal!

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