Überraschung: Das Petronas-Team verhandelt mit Honda

Von Günther Wiesinger
Kuriose Situation in der MotoGP-WM: Petronas will mit Yamaha weiterfahren. Petronas-Yamaha-Pilot Valentino Rossi begehrt ebenfalls M1-Bikes für sein VR46-Team. Also findet ein Wettstreit mit seinem aktuellen Team statt.

Allmählich lichten sich die Schleier, wenn es um die Frage geht, welches MotoGP-Kundenteam 2022 mit welchem Fabrikat antreten wird. Denn LCR macht mit Honda weiter, Pramac hat den Vertrag mit Ducati verlängert, Tech3 hat sich bis Ende 2026 mit KTM verbündet. Es bleiben also noch die Satellitenteams Petronas SRT, ARAMCO VR46 (formerly known as Avintia und Esponsorama) sowie Gresini Racing ohne neue Verträge.

Obwohl sich in den letzten Wochen abgezeichnet hat, dass Petronas bei Yamaha bleiben dürfte, sich Rossis VR46-Mannnschaft mit Ducati einigen wird und Gresini Racing das preisgünstige Aprilia-Angebot annimmt, bleibt bis zu den endgültigen Vertragsunterzeichnungen immer noch Spielraum für Überraschungen.

Denn Petronas-Teamprinzipal Razlan Razali setzt nach dem Rückzieher von Suzuki (die Japaner machen 2022 kein Kundenteam) große Hoffnungen auf einen neuen Yamaha-Vertrag; der erste erstreckte sich über drei Jahre und läuft Ende 2021 aus.

Aber Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis macht seit Monaten kein Geheimnis daraus, dass er auch mit Rossis Team verhandelt. Er betonte diese Tatsache auch beim Jerez-GP noch einmal.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass SPEEDWEEK.com in Jerez in der HRC-Hospitality zufällig Zeuge eines klandestinen Treffens zwischen Razali, Petronas-Teammanager Johan Stigefelt und HRC-General Manager Tetsuhiro Kuwata wurde.

Der Grund liegt auf der Hand: Razali hat immer betont, er müsse sich andere Optionen offenhalten, solange die Kooperation zwischen VR46 und Yamaha nicht vom Tisch sei und er keinen neuen Yamaha-Vertrag in der Hand habe.

Das ist bisher nicht der Fall. Deshalb hat Razali bei Honda angefragt, ob eventuell ein drittes MotoGP-Team beliefert werden könne. Die Japaner haben ihm er aber keine großen Hoffnungen gemacht, obwohl er bereits sein Moto3-Team mit Honda NSF 250RR-Maschinen betreibt. 

HRC will zuerst aus der Honda RC213V wieder ein Siegermotorrad formen. Außerdem will Dorna-CEO Ezpeleta am liebsten nur ein Kundenteam pro Hersteller auf dem Grid sehen.

Neben Honda käme nur noch Ducati für Petronas in Frage, denn bei KTM hat Razali nicht angefragt, Aprilia bevorzugt eine italienische Lösung mit Gresini.

Jetzt hat sich folgende nicht unerwartete, aber trotzdem groteske Situation ergeben: Petronas-Yamaha-Pilot Valentino Rossi befindet sich in seinem Nebenberuf als Teambesitzer mit Arbeitgeber Yamaha und seinem aktuellen Hauptsponsor und Team (Petronas-Yamaha) im Wettstreit um Yamaha-Kunden-Motorräder für die nächsten Jahre.

Jetzt ist auch klar, warum Rossi in Jerez recht unglaubwürdig und scheinheilig versichert hat: «Ich bin in die Verhandlungen nicht eingebunden. Darum kümmert sich VR46-Geschäftsführer Alberto Tebaldi.»

Fakt ist: Yamaha will auch 2022 kein zweites Kundenteam ausrüsten. «Unsere ideale Anzahl von MotoGP-Piloten ist vier», betont Lin Jarvis bei jeder Gelegenheit.

Deshalb sagte Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti vor dem «GP de France» zu SPEEDWEEK.com: «Es sieht so aus, als könnten wir auch 2022 zwei Kundenteams ausrüsten, obwohl wir beim dritten Team noch keine endgültige Entscheidung auf dem Tisch haben.»

Wenn man sich unter den Entscheidungsträgern umhört, zeichnet sich ab: Am Ende wird Yamaha mit Petronas weitermachen.

Aber eventuell wird Yamaha bei den Malaysiern etwas höhere Leasinggebühren und Kaufpreise für das Material und die Technik-Updates herausschlagen.

Kurios: Mit Petronas (Malaysia) und ARAMCO (Saudi Arabien) wetteifern zwei der weltgrößten Mineralölgesellschaften um die Yamaha-Bikes.

Petronas-Yamaha-Teamchef Razali war sichtlich schockiert, als er plötzlich von seinem Fahrer Rossi erfuhr, dass er mit allen Herstellern von Yamaha über Ducati bis Aprilia verhandle, um Motorräder für sein neues MotoGP-Team zu erhalten.

Doch die Japaner gelten als loyale Partner, deshalb wird mit einem neuen Vertrag zwischen Yamaha und Petronas gerechnet.

Alles andere wäre ein Akt von mangelnder Wertschätzung und Dankbarkeit für alles, was Petronas SRT in den letzten drei Jahren für Yamaha geleistet hat.

Petronas hat für 2019 zuerst einmal mit Quartararo ein Talent ins Team geholt, an das damals nach nur einem Moto2-Sieg niemand mehr wirklich geglaubt hat. So wurde für den Franzosen der Weg ins Yamaha-Werksteam geebnet. Dann hat Petronas vor einem Jahr eingewilligt, dem seit vier Jahren sieglosen Rossi das Gnadenbrot zu geben, womit das Factory Team aus der Bredouille gerettet wurde. Yamaha hätte sonst Rossi auf die Straße setzen müssen oder Quartararo nicht ins Werksteam befördern können, das Riesentalent also an die Konkurrenz verloren. Petronas hat außerdem letztes Jahr nach dem Ventilskandal die Saison für Yamaha gerettet, als Quartararo und Morbidelli je drei Rennen gewannen, das Werksteam mit Viñales nur eines. Obendrein vollendete Morbidelli die WM als bester Yamaha-Pilot auf Platz 2. Dazu hat das Petronas-Team den verdienten Crew-Chief Ramon Forcada willfährig engagiert, um Yamaha bei Laune zu halten, als ihn Viñales wegen angeblicher Unbrauchbarbeit loswerden wollte.

Es wäre fragwürdig, wenn Yamaha all diese Leistungen ignorieren und einen fliegenden Wechsel zu VR46 vollziehen würde.

Aber solange keine Verträge unterschrieben sind, dürfen Überraschungen nicht ausgeschlossen werden.

Ducati Corse hat Optionen auf sechs MotoGP-Fahrer für 2022 – auf Miller, Bagnaia, Zarco, Martin, Bastianini und Marini. Deshalb würden die Italiener gerne wieder drei Zwei-Fahrer-Teams ausrüsten.

«Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir mit VR46 und Gresini verhandeln», erklärte Paolo Ciabatti am Montag gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wir haben mit beiden Rennställen sehr detailliert verhandelt und warten jetzt auf die Entscheidungen und Reaktionen. Wir rechnen mit Beschlüssen für den Zeitraum zwischen Le Mans und Mugello. Bis dahin sollte Klarheit herrschen.»

Ergebnisse MotoGP Jerez/E, 2. Mai

1. Jack Miller (AUS), Ducati, 25 Runden in 41:05,602 min
2. Pecco Bagnaia (I), Ducati, +1,912 sec
3. Franco Morbidelli (I), Yamaha, +2,516
4. Takaaki Nakagami (J), Honda, +3,206
5. Joan Mir (E), Suzuki, +4,256
6. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +5,164
7. Maverick Viñales (E), Yamaha, +5,651
8. Johann Zarco (F), Ducati, +7,161
9. Marc Márquez (E), Honda, +10,494
10. Pol Espargaró (E), Honda, +11,776
11. Miguel Oliveira (P), KTM, +14,766
12. Stefan Bradl (D), Honda, +17,243
13. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +18,907
14. Danilo Petrucci (I), KTM, +20,095
15. Iker Lecuona (E), KTM, +20,277
16. Luca Marini (I), Ducati, +20,922
17. Valentino Rossi (I), Yamaha, +22,731
18. Tito Rabat (E), Ducati, +30,314
19. Lorenzo Savadori (I), Aprilia, +37,912
20. Alex Rins (E), Suzuki, +38,234
– Brad Binder (ZA), KTM, 14 Runden zurück
– Enea Bastianini (I), Ducati, 14 Runden zurück
– Alex Márquez (E), Honda, 1. Runde nicht beendet

Stand Fahrer-WM nach 4 Rennen:

1. Bagnaia 66 Punkte. 2. Quartararo 64. 3. Viñales 50. 4. Mir 49. 5. Zarco 48. 6. Miller 39. 7. Aleix Espargaró 35. 8. Morbidelli 33. 9. Rins 23. 10. Binder 21. 11. Nakagami 19. 12. Bastianini 18. Martin 17. 14. Pol Espargaró 17. 15. Marc Márquez 16. 16. Bradl 11. 17. Oliveira 9. 18. Alex Márquez 8. 19. Petrucci 5. 20. Marini 4. 21. Rossi 4. 22. Savadori 2. 23. Lecuona 2.

Stand Marken-WM nach 4 Rennen:

1. Yamaha, 91 Punkte. 2. Ducati 85. 3. Suzuki 53. 4. Aprilia 35. 5. Honda 33. 6. KTM 27.

Stand Team-WM:

1. Monster Energy Yamaha 114 Punkte. 2. Ducati Lenovo 105. 3. Suzuki Ecstar 72. 4. Pramac Ducati 65. 5. Repsol Honda 40. 6. Petronas Yamaha SRT 37. 7. Aprilia Racing Team Gresini 37. 8. Red Bull KTM Factory Racing 30. 9. LCR-Honda 27. 10. Esponsorama Ducati 22. 11. Tech3 KTM Factory Racing 7.

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