Formel 1: «Darauf kann man nicht stolz sein»

Stefan Bradl: «Der Schritt in die MotoGP ist gross»

Von Günther Wiesinger
«Alle Teamchefs wollen sich die talentierten Nachwuchsfahrer krallen», sagt Stefan Bradl. Aber er warnt Acosta und Fernandez: «Zwischen den kleinen Klassen und MotoGP ist ein Riesenunterschied.»

Einige MotoGP-Teams haben ihre Fahreraufgebote für 2022 noch nicht offiziell bestätigt. Dazu gehört Monster Yamaha, wo aber mit Sicherheit Franco Morbidelli neben Fabio Quartararo andocken wird. Zwei Plätze sind voraussichtlich bei Petronas-Yamaha neu zu besetzen, wenn Rossi aufhört, wobei Wunschfahrer Toprak Razgatlioglu (der 24-jährige Türke ist Zweiter der Superbike-WM) den Verlockungen der MotoGP-Klasse nicht erliegen wird. Er bleibt zwei weitere Jahre in der Superbike-WM.

«Dort muss er weniger trainieren, er steht weniger im Rampenlicht und verdient bei Yamaha trotzdem mehr als ein MotoGP-Rookie in einem Kundenteam», erklärte ein Szenekenner.

Bei Tech3-KTM ist der zweite Platz neben Remy Gardner frei, Rossi hat bisher nur Luca Marini für sein eigenes Aramco VR46-Ducati-Team bestätigt, Marco Bezzecchi gilt aber als klarer Favorit. Und bei Aprilia wird mit Maverick Viñales gerechnet, der Vertrag ist aber noch nicht unterschrieben.

Die MotoGP-Teamchefs sind emsig auf der Suche nach jungen Talenten. Es soll mit etwas Glück der neue Superstar vom Format eines Marc Márquez, Joan Mir oder Fabio Quartararo gefunden werden.

In der MotoGP-WM grassiert schon seit 2015 der Jugendwahn, als Jack Miller von den Honda-Managern sogar direkt von der Moto3-WM (er war WM-Zweiter auf der Red Bull-Ajo-KTM) in die MotoGP gelockt wurde. Viñales hielt sich 2014 immerhin ein Jahr in der Moto2-Klasse auf.

Jetzt haben die Konkurrenz-Teams schon Köder in Richtung der Red Bull-KTM-Asse Pedro Acosta (17) und Raúl Fernández ausgeworfen. Dieses hochtalentierte Duo soll aber von KTM behutsam aufgebaut und früher oder später in die MotoGP befördert werden.

Das große Interesse der Teams gilt also nicht Fahrern wie dem 31-jährigen Bradl oder dem 30-jährigen Petrucci und schon gar nicht dem 35-jährigen Andrea Dovizioso, der bei KTM im Vorjahr 4 Millionen Euro gefordert und offenbar auch bei Aprilia zu viel Geld verlangt hat.

Stefan Bradl kennt dieses Spiel zur Genüge. Er ist deshalb froh, bei HRC seit inzwischen fünf Jahren (inklusive Superbike-WM 2017) einen zuverlässigen Arbeitgeber zu haben. Er teilt die Ansicht des erfolgreichen Red Bull-KTM-Teambesitzer Aki Ajo, der seine Fahrer Acosta und Fernández nicht überstürzt in die nächsthöhere Kategorie transferieren will.

«Die heißen Aktien auf dem MotoGP-Transfermarkt sind momentan Acosta und Fernández. Jeder Teammanager möchte sich den talentierten Nachwuchs krallen», ist Bradl bewusst.

Der siebenfache GP-Sieger warnt aber vor übertriebener Euphorie und zu hohen Erwartungen. «Auch wenn es in der Moto3 und Moto2 jetzt gut ausschaut für Acosta und Fernández, aber der größte Schritt ist noch nicht getan. Wenn sie in der MotoGP so eine Performance hinlegen wollen wie in den kleinen Klassen, ist das noch einmal ein Riesenunterschied.»

Das bekam auch Jack Miller zu spüren: Er gewann erst im siebten MotoGP-Jahr endlich ein Rennen im Trockenen. Pecco Bagnaia ist im dritten Jahr noch sieglos, er hält bei vier Podestplätzen. Johann Zarco fährt im fünften MotoGP-Jahr und ist bisher ohne Sieg.

Aber Acosta führt mit 17 Jahren nach neun Rennen mit 48 Punkten Vorsprung in der Moto3-WM. Er hat als Klassen- und GP-Neuling vier Rennen gewonnen, eines sogar aus der Boxengasse. Von solchen Leistungen konnte Marc Márquez in seiner ersten 125er-WM-Saison nur träumen. Er gewann den Titel erst im dritten Jahr.

Das könne man nicht vergleichen, entgegnet Stefan Bradl.

«Man muss auch sehen, dass sich die kleine Klasse gegenüber der 125er-WM gewaltig verändert hat», betont der Moto2-Weltmeister von 2011. «Wenn ich mir die Moto3-Rennen anschaue, das ist nicht mehr das Gleiche wie früher die 125-ccm-Klasse. Zu unserer Zeit ist vom Start bis zum Finish wirklich Vollgas gefahren worden. Mir ist damals beigebracht worden, dass ich mich nur in äußersten Notfällen einmal nach hinten umschauen soll. Man hat gesagt, wer sich umschaut, zeigt dem nachfolgenden Fahrer ein Anzeichen von Schwäche. Heute ist das Zurückschauen gang und gäbe. Die Moto3-Fahrer schauen mehr nach hinten als nach vorne. Dieses gnadenlose Vollgas-Thema existiert nicht mehr.»

Als sich Kenny Roberts (Yamaha) beim 500-ccm-WM-Lauf 1979 in Silverstone trotz 30 Führungswechseln nie zum Gegner Barry Sheene (Suzuki) umdrehte, erklärte er auf meine Nachfrage: «Ich blicke nie nach hinten. Denn die Fahrbahn spult sich vor mir ab!»

Bradl: «Ja, das sehen die Moto3-Fahrer offenbar anders, und da macht man sich auch Sorgen. Denn das Rennenfahren, wie sie es heute in der Moto3 betreiben, hat sich geändert. Natürlich geht es dann bei der Entscheidung immer auf die letzte Runde zu. Und man sieht, dass sich Acosta da ein bisschen besser durchsetzen kann als die meisten andern. Aber der Sport in der kleinen Klasse ist ein anderer geworden als zu meiner Zeit. Ja, klar, die Technik ist auch anders geworden, durch das Drehzahllimit von 13.500/min, durch die Einheits-ECU und so weiter.»

So könnten die MotoGP-Teams 2022 aussehen

Repsol-Honda
Marc Márquez, Pol Espargaró

Ducati Lenovo Team
Jack Miller, Pecco Bagnaia

Monster Energy Yamaha
Franco Morbidelli, Fabio Quartararo

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Brad Binder, Miguel Oliveira

Aprilia Racing Team
Aleix Espargaró, Maverick Viñales

Pramac Racing
Jorge Martin, Johann Zarco

ARAMCO Sky VR46 Racing
Luca Marini, Marco Bezzecchi?

Petronas Yamaha SRT
Garrett Gerloff? Valentino Rossi?

LCR Honda
Alex Márquez, Takaaki Nakagami

KTM Tech3 Factory Racing
Remy Gardner, Danilo Petrucci? Iker Lecuona? Rául Fernández?

Flexbow Gresini Ducati Racing
Enea Bastianini, Fabio Di Giannantonio

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