Andrea Dovizioso: «Natürlich habe ich ein Risiko»

Von Günther Wiesinger
Andrea Dovizioso hat sich in Texas mit Platz 13 schon deutlich gesteigert. «Ich kann gegen Valentino in der Ü-35-Altersklasse wetteifern», lachte er. Dovi kennt die Nachteile der Privatfahrer – und ignoriert sie.

Andrea Dovizioso wollte bei seiner MotoGP-Rückkehr in Misano als Morbidelli-Ersatzmann im Petronas-SRT-Yamaha-Team keine Prognosen zu seiner Leistungsfähigkeit abgeben. Denn er tat sich erwartungsgemäß schwer bei der Umstellung nach neun Jahren mit V4-Maschinen, acht bei Ducati, knapp einem bei Aprilia, sich wieder an die M1 mit dem 1000-ccm-Reihenmotor zu gewöhnen, der eine ganz andere Fahrweise verlangt.

«Dovi» landete dann beim Misano-GP in jedem Training zwischen Platz 20 und 24, dreimal (FP1, FP4 und Q1) buchstäblich an letzter Position, die Rückstände lagen anfangs bei 2,5 sec, im Warm-up bei 2 sec, und im Rennen landete Dovi mit 42,587 sec nach 27 Runden an 21. und letzter Stelle.

In Texas gab es bereits Fortschritt zu vermerken. Der Yamaha-Heimkehrer sicherte sich unter 21 Teilnehmern den 14. Startplatz – und beendete das Rennen an 13. Position, das ergab drei Punkte. Der Rückstand auf Sieger Marc Márquez schrumpfte auf 25,3 sec. Sechs Fahrer kamen hinter dem Italiener ins Ziel.

Hatte Dovi jemals Zweifel, ob ihm nach der Trennung von Ducati und dem Jahr Pause noch einmal ein GP-Comeback gelingen könnte?

«Ich bin seit 2012 keine Yamaha mehr gefahren. Ich habe gewusst, dass sich das Bike seither stark verändert hat», erklärte der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister. «Aber das hat mich in Misano nicht beschäftigt. Denn meine persönliche Veränderung seither ist größer als jene bei den Motorrädern. Für mich geht es jetzt bei den Rennen in diesem Jahr um Vergleiche und um das Ausprobieren. Nächstes Jahr werde ich beim Saisonstart ein aktuelles 2022-Werksmotorrad von Yamaha haben. Ich habe vor dem Comeback gewusst, dass ich bei meiner A-spec-Yamaha einen Motor habe, der auf dem Papier langsamer ist als die Motoren der Werksfahrer. Deshalb habe ich mir die Rückkehr nie einfach vorgestellt. Ich habe auch betont, dass am Anfang die Resultate keine Rolle spielen. Ich muss mich an die neue Position auf dem Motorrad gewöhnen, denn die Größe des Motorrads unterscheidet sich von dem, was ich jetzt über Jahre hinweg gewohnt war. Und ich muss meinen Fahrstil anpassen.»

Der 15-fache MotoGP-Sieger versichert, diese Saison ohne Rennen habe ihm gut getan. «Ich habe mich daheim gut gefühlt. Ich konnte meinen anderen Leidenschaften nachgehen, zum Beispiel dem Motocross-Fahren. Ich war etwas entspannter, weil der Druck des MotoGP-Titelkampfs fehlte. Wenn du nicht an der WM teilnimmst, bist du relaxter, 100 Prozent. Das ist besonders meiner Freundin aufgefallen.»

«Aber als sich dann diese Türe zu Yamaha geöffnet hat, weil Maverick Viñales weggegangen ist, habe ich zuerst einmal nachgedacht. Ich bin ja 2012 bei Tech3-Yamaha WM-Fünfter geworden, ich habe dann auf einen Werksvertrag gehofft, aber das ist nicht passiert», blickt Andrea zurück. «Jetzt hat sich diese Möglichkeit acht oder neun Jahre später noch einmal ergeben. Ich wollte mir diese Chance nicht entgehen lassen. Ich habe mir nie eingebildet, dass ich mit dieser M1 schneller, stärker oder der Beste sein werde. Aber ich bin viele Jahre lang in der MotoGP gegen andere Hersteller gefahren und habe immer geplant, in der WM noch einmal ein anderes Fabrikat zu steuern. Natürlich habe ich in einem Privatteam mehr Risiko für mittelmäßige Ergebnisse als in einem Werksteam. Aber das kümmert mich nicht. Ich fahre Rennen für mich, ich habe die nötige Leidenschaft dazu, ich habe großes Interesse, ein komplett anderes Bike und eine neue Marke zu fahren. Dieses Risiko bin ich eingegangen – und ich habe überhaupt keine Probleme damit.»

Welche Ziele hat sich Dovi für die ersten Rennen nach dem Comeback gesetzt? «Ich glaube, ich kann in der Meisterschaft der Altersklasse 35+ gegen Valentino wetteifern», lachte der Italiener bei der Antwort auf die Frage von SPEEDWEEK.com. «Es geht vorläufig nicht um die Positionen. Denn alle Stammfahrer sind sooo schnell. Wenn wir vier Jahre zurückblicken, dann lagen viel größere Abstände zwischen dem Ersten und dem Letzten. Ich habe immer betont, die Ergebnisse sind in diesem Jahr nebensächlich. Wenn sie nicht gleich zu Beginn zufriedenstellend sind, ist das nicht das größte Problem. Wichtig ist, dass ich gut spüre, was das Motorrad macht. Und ich möchte das Gefühl dann verbessern. Von Tag zu Tag, von Training zu Training, das wäre positiv.»

Nachsatz von Dovizioso: «Ich habe ja wirklich Glück, dass ich in diesem Jahr total noch fünf Grand Prix und zwei große MotoGP-Tests bekommen habe. Denn normal hat ein Fahrer, der das Team wechselt, nur zwei Tests bevor die Saison wieder losgeht. Die beiden Tests in Sepang und Lombok kommen bei mir im Februar noch dazu. Das ist erfreulich, denn dadurch kann ich meine Anpassungs-Aufgaben wirklich in Ruhe erledigen.»

MotoGP-Ergebnis, Austin (3. Oktober):

1. Marc Márquez, Honda, 20 Runden in 41:41,435 min
2. Quartararo, Yamaha, + 4,679 sec
3. Bagnaia, Ducati, + 8,547
4. Rins, Suzuki, + 11,098
5. Martin, Ducati, + 11,752
6. Bastianini, Ducati, + 13,269
7. Miller, Ducati, + 14,722
8. Mir*, Suzuki, + 13,406
9. Binder, KTM, + 15,832
10. Pol Espargaró, Honda, + 20,265
11. Oliveira, KTM, + 23,055
12. Alex Márquez, Honda, + 24,743
13. Dovizioso, Yamaha, + 25,307
14. Marini, Ducati, + 26,853
15. Rossi, Yamaha, + 28,055
16. Lecuona, KTM, + 30,989
17. Nakagami, Honda, + 35,251
18. Petrucci, KTM, + 42,239
19. Morbidelli, Yamaha, + 49,854
– Aleix Espargaró, Aprilia, 12 Runden zurück
– Zarco, Ducati, 15 Runden zurück

* = Strafe wegen unverantwortlicher Fahrweise, einen Platz zurückversetzt.

Stand Fahrer-WM nach 15 von 18 Rennen:

1. Quartararo 254 Punkte. 2. Bagnaia 202. 3. Mir 175. 4. Miller 149. 5. Zarco 141. 6. Binder 131. 7. Marc Márquez 117. 8. Aleix Espargaró 104. 9. Viñales 98. 10. Oliveira 92. 11. Martin 82. 12. Rins 81. 13. Bastianini 71. 14. Nakagami 70. 15. Pol Espargaró 70. 16. Alex Márquez 54. 17. Morbidelli 40. 18. Lecuona 38. 19. Petrucci 37. 20. Marini 30. 21. Rossi 29. 22. Bradl 13. 23. Pirro 8. 24. Pedrosa 6. 25. Savadori 4. 26. Dovizioso 3. 27. Rabat 1.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 291 Punkte 2. Yamaha 282. 3. Suzuki 197. 4. KTM 185. 5. Honda 173. 6. Aprilia 105.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo 351 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 349. 3. Suzuki Ecstar 256. 4. Pramac Racing 227. 5. Red Bull KTM Factory Racing 223. 6. Repsol Honda 194. 7. LCR Honda 124. 8. Aprilia Racing Team Gresini 111. 9. Esponsorama Racing Ducati 101. 10. Tech3 KTM Factory Racing 75. 11. Petronas Yamaha SRT 72.

 

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Nachbehandlung mit dem Doktor: Japan

Dr. Helmut Marko
Exklusiv auf SPEEDWEEK.com: Dr. Helmut Marko, Motorsport-Berater von Red Bull, analysiert den jüngsten Grand Prix. Diesmal: Suzuka, ein fast perfektes Rennen, und warum wir keinen Stress haben.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Do.. 18.04., 10:15, Hamburg 1
    car port
  • Do.. 18.04., 10:45, Motorvision TV
    4x4 - Das Allrad-Magazin
  • Do.. 18.04., 12:05, Motorvision TV
    Bike World
  • Do.. 18.04., 14:25, Motorvision TV
    Gearing Up
  • Do.. 18.04., 15:25, Motorvision TV
    Extreme E: Electric Odyssey
  • Do.. 18.04., 15:30, Eurosport 2
    Motorradsport: FIM-Langstrecken-WM
  • Do.. 18.04., 16:15, Hamburg 1
    car port
  • Do.. 18.04., 16:35, Motorvision TV
    New Zealand Jetsprint Championship
  • Do.. 18.04., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Do.. 18.04., 20:55, Motorvision TV
    Top Speed Classic
» zum TV-Programm
5