Valentino Rossi hört auf: Ein Abschied mit Wehmut

Von Günther Wiesinger
Valentino Rossi (42) sagte vor seinem letzten Motorradrennen, er weine nur selten. Aber gestern wischte er so manche Träne weg.

Seit Valentino Rossi vor dem ersten Spielberg-GP am 5. August seinen nicht ganz unerwarteten Rücktritt verkündet hat, versanken Abertausende von VR46-Anhängern in tiefer Trauer und Wehmut. Viele besuchten noch die beiden Grands Prix in Misano, flogen nach Portimão oder zuletzt zum Finale nach Valencia, um dem Idol einen würdevollen Abschied zu bescheren.

Rossi hatte mit 42 Jahren seinen Zenit überschritten, sein letzter Titelgewinn gelang ihm 2009; 2015 verpasste er WM-Titel Nummer 10 beim Finale gegen Jorge Lorenzo, der letzte Sieg passierte in Assen 2017, den letzten Podestplatz (es war der 199.) feierte er im Juli 2020 in Jerez.

Seit Wochen zog sich jetzt die Abschiedstournee des Superstars hin, der 26 GP-Jahre hinter sich gebracht und zwei der letzten drei Rennen auf Platz 10 beendet hat, ein versöhnlicher Ausklang einer ruhmreichen und einzigartigen Karriere. Sein bestes Ergebnis 2021: Rang 8 im Regenrennen von Spielberg-2.

Rossi hat ganze Generationen von Rivalen überdauert, von Biaggi über Gibernau, Stoner bis zu Lorenzo, Viñales und Marc Márquez.

Er hat begonnen, als der Begriff Traction Control noch ein Fremdwort war, er gewann in der Ärä der gefürchteten Highsider, als die aggressiven 500-ccm-Zweitakter ihre Chauffeure immer wieder abwarfen, weil die giftige Power nicht zu bändigen war und die Reifen zu wenig Grip hatten.

Rossi siegte mit 125 ccm, 250 ccm, 500 ccm, 990 ccm, 800 ccm und 1000 ccm, mit Zweitaktern und Viertaktern, er fuhr auf Aprilia, Honda, Yamaha, Ducati und wieder Yamaha.

Schon mit 14 Jahren verwöhnte ihn das Aprilia-Werk mit einem Drei-Jahres-Werksvertrag.

Rossi hat viele Qualitäten

Valentino Rossi ist schlagfertig, witzig, aufrichtig, sein Englisch hat eine köstliche Note, er trägt sein Herz auf der Zunge, er liebt seine Fans, die ihm künftig teilweise auch zu den Sportwagenrennen folgen werden. Er liebäugelte mit dem Umstieg in die Formel 1, nahm zwischendurch immer wieder an Automobil-Rallyes teil und an Sportwagenrennen.

Aber er widmete dem Motorradsport seine ganze Leidenschaft, erst mit 42 Jahren wird er jetzt erstmals Vater.

Und sein Papa Graziano, selbst dreifacher 250-ccm-GP-Sieger, vermutete vor zwei Jahren noch: «Valentino wird erst aufhören, wenn er 46 ist.»

Denn die 46 war sein Markenzeichen, die Farbe Gelb sein Erkennungsmerkmal.

Valentino sagte am Donnerstag, er sei stolz, weil er viele Sportfreunde für den Motorradsport begeistert hat, nicht nur in Italien, sondern in aller Welt.

Vale ist längst ein gemachter Mann, ein erfolgreicher Geschäftsmann, er ist Teambesitzer und macht Millionenumsätze mit Merchandising, nicht nur für sich und viele seiner GP-Kollegen, auch für Fußballclubs wie Juventus Turin. Und er ist auf dem besten Weg, den saudi-arabischen Mineralölkonzern Aramco als Hauptsponsor für sein neues Ducati-MotoGP-Team zu verpflichten, in dem sein Bruder Luca Marini und der Moto2-Aufsteiger Marco Bezzecchi fahren werden.

Rossi und die VR46 Riders Academy

Rossi hat in seiner VR46 Riders Academy Moto2-Weltmeister wie Franco Morbidelli und Pecco Bagnaia herausgebracht, die längst auch MotoGP-Siege errungen haben, in den Werksteams bei Yamaha und Ducati fahren und ihm noch viel Freude machen werden.

«Aber die Academy haben wir eigentlich nicht gegründet, damit mir meine Schützlinge dann in der MotoGP um die Ohren fahren», lachte Valentino im Vorjahr.

Gestern feierte Bagnaia in Valencia seinen vierten MotoGP-Sieg, Franco Morbidelli gab Vale mit einem kleinen Respektabstand Geleitschutz bei der Fahrt auf Platz 10, er wurde Elfter – und sparte sich jede feindselige Attacke. Gegen seinen populären Lehrmeister.
Und Valentino lachte: «Jetzt kann ich zu Franky immer sagen: Solange ich gefahren bin, war ich schneller als du.»

Rossi ist im Herbst 2020 an Covid-19 erkrankt, er beendete die Saison 2020 nur an 15. Stelle, sein schlechtestes WM-Ergebnis. Und die Nachwirkungen der Seuche haben vielleicht einen starken Saisonstart 2021 verhindert.

In diesem Jahr wollte «The Doctor» bis zur Sommerpause herausfinden, ob er noch um Podestplätze fighten kann und dann über die Zukunft entscheiden. Aber die Saison war in der ersten Saisonhälfte von Stürzen und Misserfolgen geprägt. Der Rücktritt war die logische Konsequenz.

Viele Superstars wie Biaggi, Gibernau, Stoner und Lorenzo haben die MotoGP-WM vergleichsweise still und heimlich verlassen.

Bei Rossis Abschied entstand ein Riesentrubel. Er hat im Paddock kaum Feinde, denn er lässt seine VR46-Fahrer auf Yamaha, KTM, Kalex und Ducati fahren, bei Honda hingegen nur in Notfällen. Denn von Honda hat er sich nach drei Titelgewinnen in Serie (2001, 2002 und 2003) im Unfrieden getrennt. Die Japaner haben ihm auch keine WM-Siegermaschine überlassen, das ärgert Vale bis heute mächtig.

Am Tag seines letzten Rennens wurde Valentino gestern sogar gleich in die virtuelle «MotoGP Hall Of Fame» aufgenommen, eine weitere Überraschung, denn üblicherweise werden die Champions erst viele Jahre nach ihrem Rücktritt in diese Ruhmeshalle befördert.

Rossi geht als neunfacher Weltmeister und 115-maliger GP-Sieger. Nur Giacomo Agostini (122 GP-Siege, 15 WM-Titel) war erfolgreicher, aber er verfügte fast zehn Jahre lang als MV Agusta-Werksfahrer über unschlagbare Motorräder (350 und 500 ccm).

Gestern trugen sogar Bagnaia und Morbidelli die #46 groß auf dem Sturzhelm, wie alle Fahrer aus der VR46-Academy, jeder wählte ein ehemalige Rossi-Helm-Design für sich aus, auch Vales Moto3- und Moto2-Fahrer. Sieger Bagnaia hatte Rossis «Che spettacolo»-Design von 2004 ausgewählt. Und der neue MotoGP-Weltmeister Fabio Quartararo schleppte auf der Auslaufrunde eine gelbe 46-Flagge um die Piste.

Arrividerci Vale, du hast uns 26 Jahre lang glänzend unterhalten, du wirst uns fehlen, auf und neben der Piste.

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