Situation beim Katar-GP: Hier gehen die Uhren anders

Kolumne von Günther Wiesinger
Viele Teammitglieder aus Europa freuten sich in Katar auf die Sonne. Aber wegen der Umweltsünden ist sie längst nicht mehr zu sehen. Es gibt viel zu erzählen über die Vorkommnisse beim 20. Katar-GP.

Seit 2004 wird auf dem Losail Circuit ein Motorrad-GP ausgetragen, nur 2020 fiel das MotoGP-Rennen der Corona-Pandemie zum Opfer, es wurden nur die Klassen Moto3 und Moto2 durchgeführt. Dafür fanden in Doha 2021 zwei Grand Prix statt, der GP von Katar am 28. März und der GP von Doha am 4. April. 2022 wurde also bereits der 20. GP in Katar ausgetragen, wenn wir den Doha-GP dazurechnen.

Seit 2008 findet der WM-Lauf im Mittleren Osten unter Flutlicht statt, um die Hitze des Tages zu vermeiden. Ich erinnere mich an 2005: Um 9 Uhr in der Früh herrschten bereits 38 Grad.

Ein Publikumsmagnet ist der Katar-GP trotzdem nie geworden. Als am Sonntag das Moto3-Rennen gestartet wurde, hätte man die Besucher auf der Tribüne gegenüber der Boxen fast an den Fingern einer Hand zählen können. «Gleich geht es los! Das Gedränge auf der Tribüne nimmt zu. Wie wollen die nur die Covid-Regeln beachten», lachte SPEEDWEEK.com-Fotograf Fritz Glänzel kurz vor dem Moto3-Start.

Weil im Jahr 2009 das MotoGP-Rennen wegen eines überraschenden Wolkenbruchs vom Ostersonntag auf den Ostermontag verlegt werden musste, nur die zwei kleinen Klassen konnten am Sonntag über die Bühne gebracht werden, wurde der Zeitplan beim Nacht-GP immer mehr verändert.

Denn auch am 26. März 2017 begann es am Startplatz vor dem MotoGP-Rennen zu tröpfeln. Es wurde das Schild «start delayed» rausgehalten. Und beim IRTA-Test 2018 regnet es mehrmals, Michelin musste danach innerhalb weniger Tage MotoGP-Regenreifen einfliegen. Bis dahin hatten die Franzosen immer nur Slicks in die Wüste mitgebracht.

Ab diesem Zeitpunkt wurde auch immer wieder die Frage erörtert: Kann in Doha bei Regen und Flutlicht überhaupt gefahren werden? Kommt es bei Flutlicht bei Regen nicht zu gefährlichen Spiegelungen?

Es wurden dann sogar Tests auf der bewässerten Piste mit Loris Capirossi gemacht. Aber nicht bei Flutlicht. Und nicht mit 350 km/h.

Die MotoGP-Fahrer blieben skeptisch und durften dann einmal im Abschluss an das GP-Training auf nasser Fahrbahn üben.

Die Angst vor einem Regen und vor einer unpopulären Verschiebung des Katar-GP auf Montag (keine TV-Zuschauer!) führte zu einer Veränderung des Zeitplans. Die Trainings werden seither viel früher begonnen. Während das MotoGP-Rennen 2008 noch um 23 Uhr Ortszeit gestartet wurde, es gab also null zeitlichen Spielraum für eine Verschiebung bei Regen, wurde die Startzeit 2011 auf 22 Uhr geschoben und danach immer weiter Richtung Tageslicht gerückt. Am vergangenen Sonntag schaltete die Ampel beim MotoGP-Start bereits um 18 Uhr Ortszeit auf Grün.

Und obwohl das Flutlicht heute nur noch für wenige Stunden zur Streckenbeleuchtung gebraucht wird, wird es fünf Tage lang kaum ausgeschaltet.

Der Begriff «Energiesparen» existiert nicht im Wortschatz der Katari.
Dank der unermesslichen Erdgasvorkommen zählt das Emirat zu den reichsten Ländern der Welt. Nur Wasser gibt es nicht im Überfluss. Es ist rar in der Wüste.

Im Paddock-Restaurant ist deshalb das Mineralwasser so teuer wie Bier.

Aber wenn dann die Palmen im Paddock gegossen werden, bleibt der fette Schlauch offen bei der Fahrt von Kübel zu Kübel.

Obwohl weltweit die Corona-Maßnahmen zurückgefahren werden, gingen die Katari kein Risiko ein. Denn nichts wäre jetzt schlimmer gewesen als ein Corona-Hotspot vor der Fußball-Weltmeisterschaft, die im November in Doha beginnt.

Ausgerechnet am 28. Februar um 19 Uhr trat eine neue Vorschrift in Kraft: Die PCR-Tests waren ab der Abreise aus dem Ursprungsland nur noch 48 statt 72 Stunden gültig.

Das versursachte bei unzähligen Teammitgliedern Stress. Viele Katar-GP-Reisende setzten sich ins Flugzeug, bevor sie als «MotoGP Participant» von der Dorna Medical App freigeschaltet worden waren. Sie hofften dann einfach, bis zur Ankunft in Doha von der Dorna grünes Licht bekommen zu haben. 

Alle Personen mit Zugang zum Fahrerlager (es waren ca. 1600) mussten nach der Ankunft in Doha noch die Ehteraz-App der Katarischen Regierung aufs Smartphone abladen, das war Pflicht.

Diese App wurde beim Zutritt zum Supermarkt, zum Einkaufscenter, bei der Rückkehr ins Hotel und so weiter immer kontrolliert. Nur bei Grünlicht bekam man Einlass.

Den Profi-Fotografen wie Fritz Glänzel war es streng untersagt, außerhalb der Rennstrecke zu fotografieren. Dazu musste man eine Sondergenehmigung beantragen. Ausnahme: Der Dorna Pre Event im Lusail Iconic Stadium mit Quartararo, Bagnaia und Mir.

Trotzdem waren beim Besuch des Katar-GP klare Erleichterungen im Vergleich 2021 festzustellen. Die Paddock-Besucher durften sich zum Beispiel in der Stadt Doha überall wieder frei bewegen.

Im Vorjahr mussten alle Teammitglieder, Teamgäste und Berichterstatter in vier bestimmten Hotels wohnen, sie mussten dann auf einem bestimmen Korridor zur Strecke fahren, der Besuch von Einkaufszentren und Restaurants außerhalb der jeweiligen Hotels war strikt untersagt.

Da im Dezember 2021 auf dem Losail Circuit erstmals ein Formel-1-GP stattgefunden hat, freuten sich auch die Motorrad-GP-Teams über mehr Luxus im Fahrerlager. Die kleinen Container für die Teams (hinter den Boxen) wurden wegen der Formel 1 entsorgt und durch klimatisierte Gebäude ersetzt. Es gab jetzt großzügigen Platz für alle, für die Büros der Teams, für die Umkleideräume der Fahrer und für die Hospitalitys und Teamküchen.

Zurück zum Thema Energiesparen. Der Strom für die Flutlichtanlage wurde auch 2022 mit den Diesel-Generatoren von Pramac erzeugt.

Kein Wunder, wenn es zwar immer heiß war, aber wegen der extremen Umweltverschmutzung nie ein blauer Himmel zu sehen war wie noch bei den ersten Rennen in Doha ab 2004.

Es herrscht immer Dunst, man spürt viel Sand in der Luft.

An der Strecke war vor dem Grand Prix in den Kurven viel und spektakulär gearbeitet worden. An Farbe wurde dabei nicht gespart.

Wenn man vom Hotel in Doha raus Richtung Lusail City zur Rennstrecke fährt, steht jetzt eine große Protzvilla neben der anderen. Die Kräne an immer neuen Hochhäusern und Stadien werden mehr statt weniger.

Auf der sechsspurigen Autobahn gilt Tempo 110. Zum Glück, denn ich möchte dort keinem einheimischen Scheich im 500 PS starken Porsche Cayenne mit 200 km/h begegnen.

Die Dorna meldete zwar für Sonntag 6655 GP-Besucher. Das sind Zahlen aus dem Kartenverkauf des lokalen Promoters. Wir halten sie für eine starke Übertreibung.

Bei einem Blick auf die Tribünen fiel mir ein alter Witz ein, den ein Kollege vor einigen Jahren beim Katar-GP erzählt hat.

«Der Vorsitzende eines Motorradclubs aus Europa hat am Samstag zehn GP-Tickets gekauft. Er erkundigte sich nach den Beginnzeiten der Rennen am Sonntag. Der Ticketverkäufer entgegnete nur: Wann wäre es Ihnen recht? Wann könnten Sie hier sein?»

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