Suzuki-Ausstieg: Joan Mir «offiziell auf dem Markt»
Joan Mir (24)
Was beim Montag-Test in Jerez vor zehn Tagen durchgesickert war, bestätigte Suzuki am Donnerstagvormittag in einem kurzen Statement: Die Suzuki Motor Corporation plant, das MotoGP-Engagement Ende 2022 zu beenden. Am Nachmittag stellten sich dann die Suzuki-Werksfahrer in Le Mans erstmals seit der Hiobsbotschaft den Fragen der Journalisten.
Wie nahm Joan Mir die Nachricht auf? «Das richtige Wort ist unerwartet. Wir hatten nichts geahnt. Wir standen in Verhandlungen für die kommenden Jahre. Als ich die Mitteilung erhielt, dachte ich als erstes an die Leute bei Suzuki. Wir wissen alle, dass es ein besonderes Team ist – aber besonders machen es die Leute, die hier arbeiten. Ohne viele Informationen zu wissen, dass sich die Wege am Ende der Saison trennen werden – das gilt für mich und alle anderen – erleben wir mit Sicherheit gerade keine großartige Zeit. Wir werden aber weitermachen und dann werden wir sehen.»
Mit dem Abschied von Suzuki gewinnen die bereits im Winter aufgekommenen Gerüchte, dass der Weltmeister von 2020 im kommenden Jahr zu Repsol Honda an die Seite von Marc Márquez wechseln könnte, neue Nahrung. Gab es Gespräche mit HRC? «Seit Jerez sind wir offiziell auf dem Markt», lautete die ausweichende Antwort des 24-jährigen Mallorquiners. Die Vertragsverhandlungen führt sein Manager Paco Sanchez.
Mir beteuerte: «Wir verhandelten mit Suzuki, bevor alles passiert ist. Jetzt wird mein Manager mit Sicherheit mehr Arbeit haben, als er erwartet hatte», räumte der Suzuki-Werksfahrer lachend ein. «Er spricht und er wird mit Honda und anderen Herstellern reden, um zu versuchen, meine Zukunft außerhalb von Suzuki zu sichern. Es ist nicht einfach. Größer als die Gerüchte um meine Zukunft, um Repsol Honda usw. ist mein Respekt vor meinem Team bei Suzuki. Es ist nicht einfach, jetzt vor euch allen über diese Dinge zu sprechen. Ich fühle mich in dieser Situation nicht wohl.»
Eventuell 2023 mit 2022er-Bikes – wie Kawasaki 2009 unter Hayate-Flagge – noch auf der GSX-RR weiterzumachen, bezeichnete Mir als «keine gute Option.»
Hat es der Moto3-Weltmeister von 2017 und MotoGP-Weltmeister von 2020 eilig, eine Lösung für seine Zukunft zu finden? «Nein, nicht besonders», erwiderte er. «Aber klar, jeder Fahrer im Paddock wird dir sagen, dass er seine Zukunft lieber geregelt hat als nicht. Das ist für alle gleich. Sobald wir etwas haben, wird es für mich und für alle besser sein.»
«Die Motivation ist jetzt eine andere. Vorher ging es darum, weiter gute Ergebnisse für Suzuki zu sammeln, um auf die beste Weise weiterzumachen. Jetzt ist es anders. Jetzt müssen wir diese Saison auf die beste Weise beenden. Wir müssen sehen, ob wir bis zum letzten Rennen um die WM kämpfen können, um dem Team am Ende des Jahres ein gutes Ergebnis geben zu können. Nichts würde mich glücklicher machen», unterstrich Joan Mir, der bisher erst einen MotoGP-Sieg feierte – übrigens heute vor 550 Tagen in Valencia.
Ist der angekündigte Suzuki-Ausstieg für die Fahrer also ein zusätzlicher Motivationsschub, wie es Alex Rins formulierte? «Ja, für mich auch», bestätigte Mir. «Du kannst es auf zwei Weisen aufnehmen – als Extra-Boost oder als Dämpfer. Es wäre auch normal, wenn man in so einer Situation niedergeschlagen wäre. Ich werde es aber anders angehen. Ich glaube, wir haben in diesem Jahr noch viel zu zeigen. Ich weiß, dass wir ein großartiges Paket und großartige Leute im Team haben, die wahrscheinlich dieselbe Motivation spüren.»
Fühlt der Suzuki-Star auch Wut? Er holte tief Luft und sagte dann: «Ich bin wütend auf die Entscheidung, die jemand getroffen hat. Das Team ist so großartig, es ist eines dieser besonderen Teams im Fahrerlager. Jeder weiß das – nicht wegen Suzuki, sondern wegen der Leute, die hier arbeiten und die Arbeit, die wir geleistet haben, so wertvoll gemacht haben. Ich bin im vierten Jahr hier. Viele Leute waren schon vorher hier, die hart gearbeitet haben, um 2020 Weltmeister zu werden. Im Vorjahr waren wir auf WM-Rang 3, in diesem Jahr kämpfen wir wieder. Es ist ein Hersteller, der in jedem Jahr um die WM kämpft, seit ich hier bin.»
War es auch enttäuschend, dass die Entscheidungsträger in Hamamatsu nicht direkt mit den Fahrern gesprochen haben? «Ja, es war schon überraschend. Ich glaube aber auch, dass es für alle schwierig ist, mit dieser Situation umzugehen. Keiner will über das sprechen. Wenn sie das so schnell entschieden haben, dann hat es sicherlich einen guten Grund. Denn sonst läuft hier alles großartig, wir kämpfen ja nicht um den 15. oder 16. Platz. So ist es nicht. Ich glaube, dass dort etwas Großes passiert», vermutet Mir.
Macht sich der WM-Sechste Sorgen, dass das Engagement von Suzuki bereits im Laufe dieser 21 Grand Prix langen Saison nachlassen könnte? «Nein. Ich glaube, dass Suzuki sehr professionell ist. Das haben sie schon 2020 bewiesen, als die Pandemie ausbrach. Sie gingen sehr zuvorkommend mit den Leuten im Team um. Ich glaube, dass sie jetzt auch keine Ausnahme machen werden. Sie werden 100 Prozent geben, aber wenn sie dann ‚Stopp‘ sagen, werden sie auch aufhören.»
WM-Stand nach 6 von 21 Grand Prix:
1. Quartararo 89 Punkte. 2. Aleix Espargaró 82. 3. Bastianini 69. 4. Rins 69. 5. Bagnaia 56. 6. Mir 56. 7. Zarco 51. 8. Brad Binder 48. 9. Marc Márquez 44. 10. Oliveira 43. 11. Miller 42. 12. Pol Espargaró 35. 13. Martin 28. 14. Viñales 27. 15. Nakagami 21. 16. Morbidelli 18. 17. Alex Márquez 16. 18. Bezzecchi 15. 19. Marini 14. 20. Dovizioso 8. 21. Darryn Binder 6. 22. Gardner 3.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 131 Punkte. 2. Yamaha 89. 3. Aprilia 83. 4. Suzuki 80. 5. KTM 76. 6. Honda 57.
Team-WM:
1. Suzuki Ecstar 125 Punkte. 2. Aprilia Racing 109. 3. Monster Energy Yamaha 107. 4. Ducati Lenovo 98. 5. Red Bull KTM Factory 91. 6. Pramac Racing 79. 7. Repsol Honda 79. 8. Gresini Racing MotoGP 69. 9. LCR Honda 37. 10. Mooney VR46 Racing 29. 11. WithU Yamaha RNF 14. 12. Tech3 KTM Factory 3.