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Aleix Espargaró und Aprilia: Der Traum lebt

Kolumne von Michael Scott
Aleix Espargaró jubelte in Le Mans über den dritten Podestplatz in Serie

Aleix Espargaró jubelte in Le Mans über den dritten Podestplatz in Serie

Aleix Espargaró und die Aprilia RS-GP sind das Überraschungspaket des ersten Drittels der MotoGP-Saison 2022. Ein Rück- und Ausblick von SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott.

Aleix Espargaró gibt sich vorsichtig sachlich. Er denke nicht über den WM-Titel nach, sondern «genieße einfach den Moment, der in meiner Karriere vielleicht nur einmal da sein wird.» Er musste so lange darauf warten und will jetzt nicht zu euphorische werden, weil es sich um eine vorübergehende Erfolgssträhne handeln könnte.

Fakt ist aber: Der 32-jährige Routinier mit 288 GP-Starts erlebt gerade einen überaus erfolgreichen Moment. Nur der 36-jährige Andrea Dovizioso ist noch älter und hat im aktuellen MotoGP-Feld mit 339 Starts noch mehr GP-Einsätze vorzuweisen.

Plötzlich findet sich der Spanier nach einem Drittel seiner 19. GP-Saison – und somit unweigerlich in der letzten Phase seiner Motorrad-Karriere – in der Rolle eines ernstzunehmenden Titelkandidaten wieder. Auf seinen ersten GP-Sieg in Argentinien folgten drei weitere Podestplätze in Serie auf europäischem Boden. Das sind mehr Top-3-Ergebnisse als jeder andere Fahrer in den bisherigen sieben Saisonrennen zusammenbrachte. Nur Titelverteidiger Fabio Quartararo hat mehr Punkte auf dem Konto – allerdings nur vier mehr.

Während die längste MotoGP-Saison der Geschichte auf die Halbzeit zusteuert, sehen seine Konkurrenten Aleix Espargaró immer mehr als Titelrivalen – auch wenn er selbst versucht, seine Chancen herunterzuspielen.

Nachzügler Aprilia auf Höhenflug

Espargaró ist nicht allein aus dem Schatten getreten. Eine massiv verbesserte Aprilia RS-GP trug ihn zum Erfolg und der Hersteller aus Noale profitiert davon genauso wie der Fahrer. In Le Mans übernahm Aprilia Racing die Führung in der Team-WM. Von Underdog zum Top-Dog – in nur sieben Rennen.

In der Aprilia-Box pflegt die Managementriege dieselbe Herangehensweise wie der Fahrer: Es gilt, den Lauf zu genießen, solange er Bestand hat. Allerdings auf eine andere Weise. Der Erfolg einer Maschine beruht nicht auf dem Glück eines Don Quijote, das die Karriere eines Fahrers definiert, sondern auf einer soliden ingenieurstechnischen Errungenschaft. Plus dem Fahrer, der das Gas betätigt.

Bisher ist Aleix der Einzige, der so eine starke Performance aus der RS-GP quetscht. Maverick Viñales, der neue im Team, der als neunfacher MotoGP-Sieger höher eingeschätzt werden könnte, ist zwar in einzelnen Runden nahe dran, liegt mit seiner Rennperformance aber weit zurück.

Die Zeit der Vertragsabschlüsse naht und der Ausstieg von Suzuki – und zwei Top-Fahrer auf der Suche nach einem neuen Platz – mischt den Fahrermarkt noch einmal auf. Aleix könnte seinen Stern sinken sehen.

Der ältere Espargaró stand in seiner gesamten Karriere im Schatten – auch seines Bruders Pol, der mit 15:1 GP-Siegen klar vor ihm liegt, ganz abgesehen vom Moto2-Titel im Jahr 2013. Lobenswerterweise konnten die Geschwister bisher den Erfolg des jeweils anderen genießen, ohne sich gegenseitig in die Suppe zu spucken.

Ein unauffälliger Einstieg bei den 125ern und fünf Jahre in der zweithöchsten Klasse (250 ccm und später Moto2) verliefen für Aleix jedenfalls nicht besonders beeindruckend. Ein einziges Top-3-Ergebnis schien mehr ein Zufall zu sein. Ein Dutzend Jahre in der Königsklasse liefen ein bisschen besser: Zwei Podestplätze und zweimal in den Top-10 der Weltmeisterschaft, wenn auch mit Respektabstand.

Insgesamt waren seine Ergebnisse so durchschnittlich wie seine Maschinen, vom CRT-Aprilia-Bike über eine veraltete Yamaha bis hin zur Suzuki im Anfangsstadium. Zu seiner Enttäuschung ließ in Suzuki gerade dann fallen, als die GSX-RR, die er mitentwickelt hatte, anfing konkurrenzfähig zu sein.

Aleix fiel lange vor allem wegen seiner emotionalen Ausbrüche auf – er wedelte allerdings öfter mit seinen Armen herum, als er die Ellbogen ausfuhr.

Nicht zuletzt ist seine Performance in der laufenden Saison eine Lektion darüber, wie eng die Abstände tatsächlich sind. Und wie einfach es ist, die Nase über Fahrer zu rümpfen, die im Schatten stehen – aus Gründen, die mehr als dem Talent der Technik oder den Umständen geschuldet sind.

Kleine Details, große Wirkung?

Der Rennsport ist eine grausame Welt, in der der Zweitplatzierte der erste Verliere ist. Ein Fahrer am Ende der Startaufstellung wird schnell belächelt. Das ist einfach. Und unfair. Es auch nur in das Grid zu schaffen, erfordert außerordentliches Talent. Um konstant an der Spitze zu stehen, braucht man zusätzlich dazu sehr viel technischen und moralischen Support – und eine gute Portion Glück.

Das gilt genauso für die Motorräder. Die kleinste Schwierigkeit im Handling oder bei der Gasannahme kann einen riesigen Unterschied machen. Man denke nur an die diesjährige Honda.

Im Falle von Aprilia reichte es aber nicht, die kleinen Schwachstellen auszubügeln, um das Motorrad zu einem Spitzen-Bike zu machen. Dahinter stecken bedeutende Investitionen im personellen Bereich und in einen neu designten Motor mit dem auf 90 Grad erhöhten Zylinderwinkel. Die zielstrebige Entwicklung bescherte dem Hersteller aus Noale nun die Zuverlässigkeit und den Speed, die in der MotoGP-Klasse Grundvoraussetzung sind.

Ein intensiver Kalender sieht für diese Saison noch 14 weitere Rennen vor. Aprilias überraschten Rivalen bleibt wenig Zeit zum Durchschnaufen und Entwickeln. Obwohl der Status als «concession team» dank der Erfolge von Aleix Espargaró für das kommende Jahr verloren ist, genießt man in Noale noch für den Rest der Saison den Vorteil der uneingeschränkten Motorentwicklung.

Die Leistung bringt das Motorrad auf Top-Level. Gleichzeitig hat es das Potenzial, noch besser zu werden. Der Fahrer genauso.

Können sie es wagen zu träumen? Definitiv.

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