KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Marc Márquez: Warum ihm der Spaß vergangen ist

Von Günther Wiesinger
Repsol-Honda-Star Marc Márquez zieht die Reissleine und lässt sich nächste Woche in der Mayo Clinic in Minnesota zum vierten Mal am rechten Oberarm operieren.

Marc Márquez wurde schon in den letzten Wochen und Tagen mehrmals gefragt, ob er womöglich eine weitere Operation über sich ergehen lassen müssen, um fast zwei Jahre nach seinem Jerez-Crash endlich wieder in optimaler Verfassung fahren zu können. Alberto Puig, dem leidgeprüften Repsol-Honda-Teamprinzipal, fiel es sichtlich schwer, seinen Superstar schon wieder ins Krankenhaus und danach in einen monatelangen Genesungsurlaub schicken zu müssen.

«Marc hat vor ca. 18 Monaten seine letzte Operation gehabt», rief Puig in Erinnerung. «Er hat dann eine lange Rehabilitation gehabt und ist im April 2021 wieder auf die Rennstrecke zurückgekehrt. Die Ärzte und Therapeuten haben sehr emsig mit Marc zusammengearbeitet, aber er ist immer noch nicht in der Lage, so zu fahren wie vor dem Unfall 2020. Leider ist die Position von Marc auf dem Motorrad nicht das, was er braucht, um seine Erwartungen an einem GP-Wochenende erfüllen zu können. Wir haben verschiedene Ärzte konsultiert, darunter unsere spanischen, aber auch die Spezialisten der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota. Die Ärzte in Amerika haben gesagt, jetzt sei der richtige Zeitpunkt für einen vierten Eingriff am rechten Oberarm.»

Die Doktoren der Mayo Clinic werden die rechte Schulter stabilisieren, weil dort im Gelenk die Drehbewegung zu groß ist. Die Bruchstelle ist außerdem nicht ganz gerade verheilt, deshalb spürt Marc immer wieder Muskelschmerzen, auch die Sehnen leiden unter dieser Situation.

«Wir haben am Freitagmittag hier in Mugello nach einem Anruf der Ärzte entschieden, diese Operation jetzt in Amerika machen zu lassen. Marc wird also seine Saison nach dem Mugello-GP unterbrechen und sich in den nächsten Tagen in Amerika operieren lassen», ergänzte Puig. «Marc hat lange genug gelitten, wir möchten uns bei ihm für seine Opferbereitschaft bedanken. Wir glauben alle, dass jetzt die richtige Zeit für die Operation gekommen ist, um den Oberarmknochen in Ordnung zu bringen und die Stabilität in der Schulter wiederherzustellen.»

Marc Márquez geht morgen vom zwölften Startplatz aus ins Rennen, er liegt in der WM nur an zehnter Position, wobei er allerdings auf die Rennen in Mandalika (Highsider im Warm-up und wieder Diplopie) und Termas de Río Hondo verzichten musste.
«Die Verletzung in meinem rechten Oberarm war wirklich kompliziert», räumte der Honda-Werkspilot ein. «Das Übelste war die Infektion. Die Ärzte in Madrid haben vor 18 Monaten eine ausgezeichnete Leistung vollbracht, als sie diese Infektion stillgelegt und meinen Oberarmknochen wieder in Ordnung gebracht haben. Die Behandlung durch Dr. Samuel Antuña und Dr. Angel Cotorro war ein Erfolg. Aber ich muss zugeben, dass ich nach meiner Rückkehr 2021 starke Einschränkungen gespürt habe. Ich habe trotzdem nie aufgegeben, ich habe gepusht und gearbeitet und mich angestrengt. Ich habe in den letzten Monaten eng mit Dr. Cotorro zusammengearbeitet. Seine Meinung habe ich schätzen gelernt.»

«Ich habe erkennen müssen, dass ich an dieser Saison keine Freude habe. Ich leide stark, ich spüre Schmerzen, es fehlt mir an Kraft», klagte der insgesamt achtmalige Weltmeister. «Deshalb kann ich nicht so fahren, wie ich mir das vorstelle. Durch diese Situation belaste ich die gesunde linke Schulter zu stark und den ganzen linken Arm. Meine Performance ist nicht schlecht, aber sie sieht nicht so aus, wie ich sie von mir erwarte. Deshalb habe ich gemeinsam mit den Ärzten schon im Oktober überlegt, ob wir den Arm wieder operieren sollen. Aber damals war die Bruchstelle noch nicht vollständig verheilt. Die Ärzte sagten damals, das Risiko sei noch zu groß. Ich bin also ruhig geblieben und habe mich auf die neue Saison vorbereitet. Ich habe mich sehr bemüht, doch in den letzten vier Monaten waren keine gesundheitlichen Fortschritte festzustellen. Deshalb haben wir nach dem Jerez-GP Anfang Mai die Situation mit den Ärzten neu evaluiert. Danach reifte die Entscheidung, dass wir so rasch wie möglich eine Operation machen. Ich habe vorher alles unternommen, um eine Operation zu vermeiden. Denn ich habe mich dagegen gesträubt, den Arm wieder zu öffnen. Aber es ist die einzige Möglichkeit, um die Beschwerden loszuwerden.»

«Das Problem ist, dass meine rechte Schulter nicht stabil genug ist, die Rotation ist zu groß, deshalb konnte ich im ganzen Jahr nicht meine natürliche Position auf dem Bike einnehmen», schilderte Márquez. «Doch ich habe 2021 einige Rennen gewonnen, deshalb dachte ich, diese Chance werde ich auch in diesem Jahr vorfinden. Doch die Resultate ließen zu wünschen übrig. Deshalb haben wir jetzt den Operationstermin in Amerika vereinbart. Es sieht wie ein Albtraum aus, aber ich werde zurückkommen. Die Ärzte haben keinen Zweifel, dass jetzt der geeignete Zeitpunkt gekommen ist. Wir werden sehen, wie lange die Genesung dauert. Wir werden nichts überstürzen.»

Im Juli werden seit der verhängnisvollen Jerez-Crash zwei Jahre vergangen sein, der Marc Márquez‘ erfolgreiche Karriere mit den Seriensiegen und Titeljagden und sein Leben abrupt verändert hat. «Wie lange ich jetzt pausieren muss, davon habe ich keine Ahnung. Wir machen es jetzt, weil das Weiterfahren in diesem Zustand keinen Sinn macht. Das macht keinen Spaß. Aber wir brechen die Saison jetzt ab, um irgendwann mit der Vorbereitung für 2023 beginnen zu können. Aber bis zum Comeback wird viel Zeit vergehen.»

Márquez hat einen HRC-Vertrag bis Ende 2024. «In meinem aktuellen Zustand könnte ich vielleicht manchmal einen Podestplatz erreichen. Aber ich will so nicht weiterfahren.»

Marc hat diese Saison bisher nur halbwegs respektabel überstanden, weil er sich realistische Ziele gesetzt hat, um nicht jeden Tag enttäuscht zu werden.

Der 59-fache MotoGP-Sieger hat in der «premier class» genauso viele Siege errungen wie alle seine Gegner zusammen. Doch mental hat der Ausnahmekönner in den letzten 21 Monaten genauso erbärmlich gelitten wie körperlich.

«Zu meinem Vorteil zählte in der Vergangenheit immer, dass ich mental sehr stark war», räumte der Spanier ein. «Wenn ich nicht diese Eigenschaft hätte, hätte ich in der Phase seit dem Sturz in Jerez längst den Krempel hingeschmissen. Aber man muss an sich glauben; man muss ich anstrengen. Es stimmt, dass viele Menschen kein Verständnis für meine Situation haben. Sie quatschen deshalb Unsinn. Aber ich kenne meine Beschwerden, meinen Zustand und meine Einschränkungen. Ich kenne allerdings meine Fähigkeiten. Aber wegen der erwähnten Beschwerden kann ich aus ihnen momentan kein Kapital schlagen. Ich habe meine körperlichen Einschränkungen schon in der Vorsaison gespürt. In Portimão, in Jerez und beim Jerez-Test konnte ich immer nur 20 Runden fahren. Ich habe keinen Fortschritt gespürt. Deshalb lasse ich mich jetzt mitten in der Saison operieren. Das ist nicht der ideale Zeitpunkt. Aber es ist das Beste für mich selbst und meine Zukunft. Denn die Ärzte haben gesagt: Unterbrich die Saison und komm‘ nach Amerika.»

Ergebnisse MotoGP Mugello Q2:

1. Di Giannantonio, Ducati, 1:46,156 min
2. Bezzecchi, Ducati, +0,088 sec
3. Marini, Ducati, +0,171
4. Zarco, Ducati, +0,227
5. Bagnaia, Ducati, +0,315
6. Quartararo, Yamaha, +0,350
7. A. Espargaró, Aprilia, +0,351
8. Nakagami, Honda, +0,405
9. P. Espargaró, Honda, +0,511
10. Bastianini, Ducati, +0,523
11. Martin*, Ducati, +1,067
12. M. Márquez, Honda, +1,312

Die weitere Startaufstellung:
12. Miller, Ducati, 1:47,621 min
13. Pirro, Ducati, 1:48,209
14. Martin*, Ducati
15. Oliveira, KTM, 1:48,231
16. B. Binder, KTM, 1:48,255
17. Mir, Suzuki, 1:48,732
18. A. Márquez, Honda, 1:48,846
19. Gardner, KTM, 1:48,907
20. D. Binder, Yamaha, 1:49,471
21. Rins, Suzuki, 1:50,266
22. Savadori, Aprilia, 1:50,270
23. Morbidelli, Yamaha, 1:55,369
24. Viñales, Aprilia, 1:56,479
25. Fernández, KTM, 1:57,106
26. Dovizioso, Yamaha, 1:57,671

*= Grid-Penalty (3 Plätze nach hinten)

 

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