Bei MotoGP-Einstieg: GASGAS dürfte KTM-Bikes nehmen

Von Günther Wiesinger
Für die Saison 2023 ist das zwar kein Thema, trotzdem haben wir geklärt, unter welchen Umständen die Pierer-Gruppe mit GASGAS die zwei vakanten Suzuki-Plätze übernehmen könnte.

Beim Steiermark-GP 2021 verriet Stefan Pierer im Interview mit SPEEDWEEK.com erstmals, dass die Pierer Mobility AG für 2022 den Moto2-WM-Einstieg mit dem Team von Jorge «Aspar» Martinez plane. Gleichzeitig stellte er die Möglichkeit in den Raum, in absehbarer Zeit mit der spanischen Traditionsmarke GASGAS auch in die MotoGP-WM einzusteigen. Denn durch die Moto3- und Moto2-Teams der hauseigenen Marken KTM, Husqvarna und GASGAS verfügt die Pierer-Gruppe über einen stetigen Nachschub an Talenten, die in der MotoGP Academy bei der Stange gehalten und mittelfristig für die MotoGP-WM aufgebaut werden sollen.

Als nach dem Jerez-GP Anfang Mai überraschend zwei MotoGP-Plätze für ein Motorrad-Werk verfügbar wurden, winkte Pierer-Mobility-Motorsport-Direktor Pit Beirer hinsichtlich GASGAS allerdings ab.

«Die Dorna hat kommuniziert, dass die beiden vakanten Plätze nicht mit irgendeinem Satellitenteam belegt werden. Es kommt nur ein Factory-Team in Frage», sagte Beirer im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Das bedeutet aber in der MotoGP, man müsste eine komplette eigene Entwicklung betreiben. Wir haben momentan nicht geplant, jetzt diese Kapazitäten für eine zusätzliche MotoGP-Bike-Entwicklung auf die Beine zu stellen. Somit würde ich unser Unternehmen nicht in die vorderste Reihe stellen, wenn es darum geht, die zwei Plätze von Suzuki zu übernehmen. Die Dorna ist auf der Suche und in Verhandlungen mit anderen Herstellern.»

Doch wenn man sich das technische MotoGP-Reglement anschaut, dann wäre eine eigene Entwicklung für einen GASGAS-Einstieg nicht zwingend nötig.

Denn im Kreis der Techniker von IRTA und Dorna wurde seit der Ankündigung des Suzuki-Rückzugs schon diskutiert, was ein Motorradwerk leisten müsste, um grünes Licht für die «premier class» zu erhalten.

Zuerst müssten die zuständigen Techniker von Dorna und IRTA, also Corrado Cecchinelli und Danny Aldridge, einmal klären, wie man den Begriff «neues Fabrikat» definieren könnte.

Im gelben FIM-Gesetzbuch findet sich unter Artikel 2.4.1 ein Anhaltspunkt. Beim Motorrad müsse es sich um einen Prototyp handeln, ist da zu lesen. Und die Mitglieder der Hersteller-Vereinigung MSMA müssten über die Zulassung eines neuen Fabrikats oder Konstrukteurs gemeinsam entscheiden. Die Grand Prix Commission (zusammengesetzt aus Funktionären von Dorna, IRTA und FIM) müsse sodann als oberste Instanz noch zustimmen.

Aber die GPC hält sich bei technischen Belangen meist an die Vorgaben der MSMA.

Die involvierten Technik-Experten sehen zwei Möglichkeiten:

1. KTM könnte einfach RC16-Maschinen nach einem Re-Branding unter der Bezeichnung GASGAS einsetzen, wie es in der Moto3-Klasse seit Jahren vorexerziert wird. Dann müssten alle Komponenten identisch und baugleich sein. Die Concession-Privilegien eines Neulings würden nicht gelten, weil das Motorrad als KTM eingestuft würde.

2. Wenn KTM eine separate Entwicklung bevorzugt, müsste die Pierer Mobility AG der MSMA beweisen, dass die Marken KTM und GASGAS trotz des gemeinsamen Besitzers zwei völlig unterschiedliche MotoGP-Projekte darstellen und deshalb eine separate Homologation vorgenommen werden muss. Es müsste gegenüber der GPC sogar nachgewiesen werden, dass zwischen den beiden Fabrikaten in der MotoGP-WM kein Daten- und Informationsaustausch stattfindet.

«Ich würde in so einem Fall hoffen, dass der Hausverstand siegt und die ursprüngliche Philosophie und Absicht unter Vorschriften respektiert werden», meinte ein Funktionär.

Auf jeden Fall müsste so ein Projekt zuerst von der MSMA und dann von der Grand Prix Commission abgesegnet werden.

Aber die Pierer-Gruppe müsste für GASGAS nicht notwendigerweise eine separate Entwicklung betreiben. Es könnten sogar bei GASGAS jeweils Vorjahres-Maschinen homologiert werden, wie es Ducati und Aprilia bei den Kundenteams machen. 

Erst einmal seit Beginn der neuen MotoGP-Viertakt-Ära 2002 wurde ein Motoren-Projekt von den zuständigen Stellen gestoppt: Das WCM-Team von Bob McLean und Peter Clifford musste sein Motorrad 2003 beim zweiten Saisonrennen in Welkom aus der MotoGP-WM zurückziehen, weil der 990-ccm-Vierzylinder-Reihenmotor zu starke Ähnlichkeiten mit dem Yamaha-R1-Superbike-Triebwerk aufwies und nicht als Prototyp eingestuft wurde.

«Aber vom Original-Motor war nichts mehr übrig, da war fast kein Teil aus der R1 mehr drin, als wir zum Saisonstart nach Suzuka kamen», betont Peter Clifford. «Wir wollten zwar in Japan das Original-R1-Gehäuse nutzen, aber die Innereien waren alle verändert worden. Alle Ventile, alle Federn, alle Pleuel, die gesamten Getriebe-Innereien, Kurbelwelle und Kolben haben sich unterschieden, denn wir hatten ein anderes Bohrung x Hub-Verhältnis. Unseres lag bei 76 x 54,5 mm, das Original-Verhältnis lag bei 74 x 58 mm, wenn ich mich richtig erinnere. Bei uns war auch die Elektronik und so weiter anders. Doch wir durften erst beim Portugal-GP im September antreten, als auch unser eigenes Motorgehäuse einsatzbereit war. »


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