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Nach Quartararo-Strafe: Freddie Spencer untragbar?

Von Oliver Feldtweg
Weil das dreiköpfige «FIM MotoGP Stewards Panel» in Assen einen Long-Lap-Penalty gegen WM-Leader Fabio Quartararo verhängte, steht Freddie Spencer in der Kritik. Ex-GP-Pilot Keith Huewen hat eine klare Meinung dazu.

Nicht nur Yamaha-Rennchef Lin Jarvis und sein Teamdirektor Mario Meregalli haben die Entscheidung des «FIM MotoGP Steward Panels kritisiert, das Weltmeister Fabio Quartararo nach der Kollision mit Aleix Espargaró in Assen aus unverständlichen Gründen mit einem Long-Lap-Penalty bestraft hat, den der WM-Leader in Silverstone am 7. August nachholen muss.

Es findet sich kaum ein Experte, der diesen Zwischenfall nicht als normalen «racing incident» (Rennunfall) einstuft, wie andere Kollisionen in diesem Jahr mit Bagnaia und Martin (Doha (2022), und Miller und Mir in Portimão und Nakagami gegen Rins und Bagnaia in Catalunya. Aber die drei anderen Vorfälle blieben ungestraft.

Im «Stewards Panel» gilt Freddie Spencer, der dreifache Weltmeister, als prominentestes Mitglied. Seine Kollegen Andres Somolinos (der Spanier ist der Chief Steward), Raffaele de Fabritiis aus Italien und Ralph Bohnhorst aus Deutschland betonen zwar, «Fast Freddie» seit nicht der Rädelsführer, er diktiere das Geschehen nicht, alles werde sogfältig abgewogen.

Aber Jack Miller nahm nur Spencer ins Visier, als er auf dem Sachsenring nach dem Quali (Sturz bei gelber Flagge) einen Long-Lap-Penalty ausfasste. «Er hört einfach nicht zu», knurrte der Australier.

Bei den Kollegen von crash.net äußerte sich auch der ehemalige GP-Fahrer (350 ccm und 500 ccm) und Britische Meister Keith Huewen, 2021 noch TV-Experte bei BTSports, zur Bestrafung von Yamaha-Star Fabio Quartararo.

Er verteidigte Spencer einerseits, bezeichnete ihn allerdings auch in seiner Position als «untragbar» und «unhaltbar».

«Es ist nie eine nette Sache, wenn in der Öffentlichkeit Schmutzwäsche gewaschen wird», stellte Huewen fest. «Wir reden hier von mächtigen, schlauen Personen. Aber jetzt wird der Panel öffentlich mit Schmutz beworfen. Die Schuld wird auf Freddie Spencer geschoben, er ist der Prügelknabe. Dabei ist er eine Legende, ich werde ihn nie geringschätzig behandeln. Die Meinung von Freddie ist so wertvoll wie jede andere, auch wenn er manchmal gewisse Unfälle falsch einschätzt und die Konsequenzen der Strafen vielleicht nicht rausreichend bedenkt.»

Huewen: «War die Ursache für den Unfall in Assen ausreichend für einen Penalty? Wenn du dir die Konsequenzen des Zwischenfalls ansiehst, musst du mit ‚nein‘ antworten. Aber die Ursache für den Zwischenfall war, dass Quartararo härter rangegangen ist als Nakagami in Barcelona.»

Huewen meint, man sollte die Stewards nicht öffentlich kritisieren, sondern hinter geschlossenen Türen artig über die Schwachstelen des Systems reden.

«Wenn die Stewards nicht gut genug sind, sollten sie ihre Posten verlieren. In der Formel 1 ist ja Michael Masi auch abgesetzt worden, weil er Lewis Hamilton um den Titelgewinn 2021 gebracht hat», gibt Huewen zu bedenken.

«Bei den Stewards gibt es Handlungsbedarf», sagt der populäre Ex-Rennfahrer. «Aber dann stoßen wir auf ein fundamentales Problem. Racing ist Racing. Also sollen wir jetzt behaupten: ‘Okay, du kannst einen Gegner von innen rammen und Gegner abschiessen, es wird trotzdem keine Strafe geben?' Es müssen immer wieder Penaltys verhängt werden. Irgendjemand muss ein Urteil fällen. Bei solchen Entscheidungen wird es immer um persönliche Meinungen gehen. Wir können das nicht von allen Blickwinkeln betrachten. Es gibt keine wissenschaftliche Analyse, man kann die Daten des Bikes nicht mit den TV-Bildern abgleichen, denn das würde einen Monat dauern.»

War also die Strafe für «El Diablo» gerechtfertigt? Huewen entgegnet: «Er kam aggressiv in die Kurve, er stürzte und schob Espargaró ins Kiesbett. Vielleicht hat diese Aktion eine Strafe verdient. Aber meine Meinung ist absolut wertlos, wie alle anderen Meinungen zu diesem Vorfall. Denn die Entscheidungen werden von den Stewards getroffen. Wenn sie uns nicht gefallen, muss das System geändert werden. Das müssen die Teams, die Fahrer und alle Beteiligten unter sich ausmachen.»

«Aber ich stimme zu, die Position von Freddie ist jetzt unhaltbar geworden», ist Keith Huewen überzeugt. «Wenn ich Freddie Spencer wäre, würde ich abdanken. Schon aus Prinzip. Denn offenbar geniesst er inzwischen das Vertrauen der Fahrer und der Teams nicht mehr. Wenn die großen Kaliber wie Lin Jarvis mit großen Granaten anrücken, bist du erledigt. Das ist unbestritten.»

«Aber ich muss hinzufügen – niemand will diesen Job. Ich weiß, wen sie haben wollten, bevor Freddie ausgewählt wurde. Aber es hagelte Absagen. Bis heute will keiner diese Aufgabe übernehmen», meint Huewen. «Jetzt muss Freddie als Sündenbock herhalten. Man liebt oder hasst ihn für eine Entscheidung, die von einem dreiköpfigen Gremium getroffen wurde. Es ärgert mich, wenn jetzt das Feuer auf Freddie eröffnet wird. Er geht analytisch vor, er ist ein patenter, anständiger Kerl. Er ist nicht parteiisch oder befangen, in keiner Form. Freddie erledigt seinen Job so gut wie möglich.»

«Selbst wenn man mir das 20-fache von dem zahlen würde, was Freddie bekommt, ich würde den Job nie annehmen», betont Huewen. «Stell’ dir vor, wie viele persönliche Beleidigungen er bekommt und wie viele schlaflose Nächte er deswegen hat. Dabei wurde er als Rennfahrer jahrelang auf der ganzen Welt bewundert. Ich denke, es wird Freddies letztes Jahr als Steward sein. Er soll froh sein, wenn er diesen Job loswird. Was er ertragen muss, ist entsetzlich. Er übt eine unmögliche Funktion aus. Das ist wie ein Giftbecher. Wer möchte davon eine Kostprobe?»

Alle Beteiligten sind sich einig: Die Entscheidungen der Stewards müssen konstanter werden, verständlicher, nachvollziehbarer.

Vor vier Jahren wurde Race Director Mike Webb insofern entmachtet oder entlastet, als er neben seiner Tätigkeit als Renndirektor jetzt nicht mehr über die Strafen entscheiden musste.

Diese Aufgabe übernahm das «FIM MotoGP Stewards Panel». So sollten die Strafen schneller verhängt werden, im Idealfall noch vor dem Ende des Rennens.

Aber Fabio Quartararo muss seinen Penalty erst in Silverstone leisten.

Auch Valentino Rossi musste seinen Grid-Penalty beim Sepang-Clash 2015 erst zwei Wochen später in Valencia absolvieren.

Aber Quartararo hat in Assen erst nach dem zweiten Sturz aufgegeben, 15 Minuten nach dem ersten Zwischenfall. Deshalb fand sich nicht genug Zeit, um seine Stellungnahme vor der karierten Flagge zu hören.

Anderseits: Hätte Fabio die Long-Lap-Strafe noch während des Assen-GP bekommen, hätte sie keine Auswirkungen gehabt, weil er nach dem ersten Crash sowieso nicht mehr in den Punkterängen war.

Jetzt fühlen sich der Franzose und Yamaha doppelt bestraft. Denn nach dem Angriff in einer harmlosen Erste-Gang-Kurve verlor er 13 Punkte auf den WM-Zweiten Aleix Espargaró – und jetzt werden auch noch seine Chancen beim Silverstone-GP kompromittiert.


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