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Der ominöse Circuit of Wales wurde zum Politikskandal

Von Günther Wiesinger
Der Baubeginn des Circuit of Wales war für 2013 geplant. 2015 sollte dort erstmals der Britische Grand Prix stattfinden. Aber Silverstone blieb der GP-Schauplatz, in Wales taten sich Abgründe auf – und ein Politskandal.

Denn die Finanzierung dieses monströsen Projekts ist im großen Stil gescheitert. Spätestens im Herbst 2016 wurde offenkundig: Aus dem «Circuit of Wales» ist ein Politikskandal entstanden, ranghöchste Politiker aus Grossbritannien hatten plötzlich Erklärungsbedarf. Es ging um Vergeudung von Steuergeldern und andere Delikte. Es wurde ein Kriminalfall daraus.

Heute steht der Circuit of Wales als Paradebeispiel für einen gescheiterten Motor Racing Circuit. Auch der hochtrabend geplante geplante Technology Park in Blaenau Gwent in der Nähe von Ebbw Vale (Wales) wurde nie in die Tat umgesetzt.

Es bestand die Absicht, das Projekt von privaten Investoren finanzieren zu lassen, die Regierung von Wales sollte mit Finanzhilfen zur Seite stehen. Im April 2016 berichtete BBC-News,  der Bauherr «Heads of the Valleys Development Company» sei immer noch auf der Suche nach Geldgebern – zum Beispiel mit Aviva und der walisischen Landesregierung. 

Die Piste sollte nach den Vorgaben der FIA und FIM für MotoGP, Superbike World Championship, Motocross World Championship, British GT Championship, British Touring Car Championship und World Touring Car Championship homologiert werden.

Ken Skates, in Wales Staatssekretär für Wirtschaft und stellvertretender Minister für Kultur, Tourismus und Sport, teilte am 29. März 2017 in einem Statement mit, die Entscheidung, ob die Rennstrecke mit öffentlichen Mitteln in der Höhe von 425 Millionen Pfund unterstützt werde, werde Mitte Mai 2017 getroffen.

Im Juni 2017 lehnte die Regierung von Wales eine Finanzgarantie in der Höhe von 210 Millionen Pfund endgültig ab. Das finanzielle Risiko sei zu groß, fanden die zuständigen Politiker.

Inzwischen war die offizielle Eröffnung bereits mehrmals verschoben worden. Auch 2016 wurde nichts daraus. Im September 2018 brachten die hartnäckigen Circuit-Errichter ein neues Baugesuch beim Blaenau Gwent County Borough Council ein. Es verlief im Sand. 

Die Dorna wurde hinters Licht geführt

SPEEDWEEK.com hatte das Projekt schon 2013 als Luftschloss bezeichnet und von einer Fata Morgana berichtet, ausgeheckt vom hoffnungslosen Phantasten Michael Carrick, der auch die Dorna hinters Licht geführt und ihr in seinem Größenwahn einen exklusiven 10-Jahres-GP-Vertrag bis Ende 2024 abgetrotzt hatte. Genau genommen bestand ein GP-Deal über fünf Jahre mit Option auf fünf weitere Jahre .

Kein Wunder, wenn britische Rennstreckenbetreiber von Pisten wie Silverstone und Donington Park von Anfang an Sturm liefen. Denn sie mussten und müssen sich in dieser schwierigen Branche seit Jahren ohne Subventionen über Wasser halten.

Außerdem existieren in Großbritannien genug Rennstrecken, sogar Rockingham steht längst als Ruine da und wird für keine grossen Events mehr benützt.

Die Baukosten für den ominösen «Circuit of Wales» schwankten von Jahr zu Jahr. Im Frühjahr 2016 war von 370 Millionen Pfund die Rede, das waren damals noch 470 Millionen Euro. Ursprünglich war mit Kosten von 315 Millionen Pfund gerechnet worden, also rund 400 Millionen Euro. Auch die Summe 453 Millionen Euro war zu hören.

Das ganze Areal sollte sich über schwindelerregende 3,358 Millionen Quadratmeter erstrecken, das Projekt nahm riesige Dimensionen an. Im Endstadium sollte auch ein Technologiepark entstehen, ein Automobil-Cluster samt Research und Development Centre mit Supermärkten und Hotels. Auch Sportwagenhersteller wie Aston Martin und TVN sollten in die Gegend um Ebbw Vale in Südwales gelockt werden.

Aber die walisische Regierung hat im Laufe der Anfangsjahre mehrmals kalte Füsse bekommen. Kein Politiker im «Welsh Goverment» wollte für dieses wahnwitzige Projekt den Kopf hinhalten.

Im Frühjahr 2016 hieß es, ein Investor habe 453 Millionen Euro zugesagt, er verlange aber eine 100-prozentige Ausfallsgarantie der walisischen Landesregierung. Doch die EU-Gesetze erlauben in solchen Fällen nur Staatshilfen bis 80 Prozent. Danach sollten die Gemeinden Blaenau Gwent und Monmouthshire mit Geld einspringen. Sie lehnten ab.

Reine Fantasie: 6000 neue Arbeitsplätze

Die Circuit-of-Wales-Plaudertaschen um CEO Michael Carrick machten den Politikern den Mund wässrig, indem sie die Schaffung 6000 neuer Arbeitsplätze ankündigten, schon in der Bauphase sollten 1600 Arbeiter beschäftigt werden. Und die 5,631 km lange Piste sollte eines Tages bis zu 750.000 Besucher im Jahr anlocken, sie sollten in dieser verlassenen Gegend jährliche Umsätze von 50 Millionen Pfund gewährleisten.

Doch jahrelang sicherte Carrick nur einen Arbeitsplatz, nämlich seinen eigenen.

Viele Briten machen sich seit Jahren über das Projekt in Wales lustig. «Immerhin hat der Circuit schon einen Twitter Account», schmunzelte einst Ex-500-ccm-GP-Fahrer Niall Mackenzie.

Es ist eine Geschichte, in der sich Dichtung und Wahrheit ständig vermischen.

SPEEDWEEK.com war immer schon skeptisch, denn in der heutigen Zeit so eine Anlage im abgelegenen Wales zu bauen, erschien uns wenig sinnvoll.

Beim Silverstone-GP 2015 bot SPEEDWEEK.com dem damaligen Circuit-of-Wales-Direktor Chris Herring eine Wette an. 100 Pfund, dass wir in Wales nie einen britischen Motorrad-GP erleben. Er entgegnete: «Ich setze höchstens 10 Pfund.»

Wenig später hat sich Herring von dem Projekt verabschiedet. «Ich habe sieben Jahre lang viel Arbeit und Energie investiert. Es ist nichts herausgekommen», seufzt der ehemalige Repsol-Honda-Manager. 

2015 musste die Heads of the Valleys Development Company (die Firma, die hinter dem Projekt steht) den Britischen Grand Prix mangels eigener Rennstrecke in Silverstone durchführen und diese Piste mieten, 2017 zum dritten Mal. 

Dann löste die Dorna den Vertrag mit den Partnern in Wales auf und handelte mit dem Silverstone Circuit einen neuen 5-Jahres-Deal aus.

Noch nie seit 30 Jahren ist die Dorna so zum Narren gehalten worden wie im Zusammenhang mit dem «Circuit of Wales».

Längst hat sich auch eine BBC-Dokumentation im Programm «Week In Week Out» mit dem Skandal befasst. Auch «WalesOnline» lieferte immer wieder kritische Berichte über die Hintergründe des skandalösen Rennstreckenprojekts.

Sogar das «Wales Audit Office», also die staatlichen Rechnungsprüfer, haben sich bereits 2016 eingeschaltet. Es wurde geprüft, auf welche Weise öffentliche Gelder in Zusammenhang mit den Machenschaften des 425 Millionen Pfund teuren Circuit of Wales verschleudert wurden.

Die «Heads of the Valleys Development Company» bekam zuerst Zuschüsse in der Höhe von 2 Millionen Pfund und dann eine Bankgarantie in der Höhe von 7,35 Millionen, um die Pläne vorantreiben und private Sponsoren für die Arena in Ebbw Vale begeistern und anlocken zu können.

Aber bereits 2016 ist das Vorhaben zum Stillstand gekommen. Denn die Firma hatte nach sieben Jahren immer noch keine namhaften Investoren aufgetrieben.

Der Politiker David Davies, Chairman des «Welsh Affairs Select Committee», sagte damals gegenüber der BBC, er plädiere für einen Zahlungsstopp, bis die Rechnungsprüfer ihre Untersuchungen abgeschlossen haben. Dem Audit Office wurden einige brisante Unterlagen von einem Whistle Blower zugespielt.

Seitdem sind heftige Bedenken über die Art und Weise offenkundig, wie die Manager der «Heads of the Valleys Development Company» (HOTVDC) mit den Steuergeldern umgegangen sind. Im Mittelpunkt der Kritik steht der Projektentwickler und Bauunternehmer Michael Carrick.

«Wenn Michael Carrick private Investoren hat, dann sollte er sie ans Tageslicht bringen», erklärte Politiker Davies schon 2016. «Mindestens 9 Millionen Pfund sind in dieses Vorhaben bereits investiert worden. Es ist an der Zeit herausfinden, was mit diesem Geld geschehen ist. Es sollte kein zusätzliches Geld mehr investiert werden.»

CEO Michael Carrick versicherte, es seien von privaten Firmen und Professionisten Arbeiten im Wert von 23 Millionen Pfund erledigt worden. Diese Aufträge seien aber nie bezahlt worden, war zu hören. 

Vom ersten Tage an faselte Carrick immer wieder von privaten Investoren. Er weigerte sich jedoch hartnäckig, ihre Namen zu nennen. Denn es gab wohl keine.

Die Regierung von Wales beteuerte, sie könne das 7,35-Millionen-Pfund-Darlehen von Carrick zurückfordern. Aber bei der Baugesellschaft war nichts zu holen.

Die BBC-Reporter fanden eine Firma, die «Aventa Capital Partners Limited», die Michael Carrick gehört und von ihm betrieben wird. Sie bekam 967.000 Pfund von der «Heads of the Valleys Development company» für die Suche von Investoren.

Die Aventa hat auch Kosten in der Höhe von 35.000 Pfund für Gartenarbeiten am herrschaftlichen Wohnsitz von Carrick bezahlt.

Carrick sprach von einem Buchhaltungsfehler; in Wirklichkeit seien das Bürokosten gewesen. Es gab aber über Jahre hinweg insgesamt 17 Rechnungen für die Gartenarbeiten... Carrick konnte und wollte bisher auch nicht darlegen, in welche Kanäle die 967.000 Pfund geflossen seien. Er sprach von «Dienstleistungen».

Druck auf die Politiker

Im April 2016 hatte Carrick das «Welsh Government» gebeten, einen 350-Mio-Pfund-Deal mit dem Investor Aviva zu unterzeichnen. Die damalige Wirtschaftsministerin Edwina Hart weigerte sich. Sie wollte den Steuerzahlern kein so grosses Risiko aufbürden.

Carrick wandte sich dann im Juli 2016 an ihren Nachfolger, den Infrastruktur- und Wirtschaftsminister Ken Skates. Carrick begehrte jetzt 75 Prozent der geplanten Baukosten – und holte sich wieder einen Korb.

Danach soll Carrick seine Ansprüche auf 49 Prozent reduziert haben. Er versprach dafür Rückzahlungen von 4 Millionen Pfund pro Jahr in den nächsten 30 Jahren, falls der Circuit of Wales zum Erfolg wird.

Bei einen wirtschaftlicher Flop hätte die Regierung von Wales aber für 210 Millionen Pfund geradestehen und diese Summe über 35 Jahre hinweg abstottern müssen.

Die Geschäftsbank «Kleinwort Benson» sollte Carrick dann helfen, weitere Investoren zu finden, die 100 Millionen Pfund beisteuern.

Aber ohne Hilfe der walisischen Regierung war das Projekt sowieso zum Scheitern verurteilt. Inzwischen wollte sich kein Politiker mehr daran die Finger verbrennen.

Dem ehemaligen Labour-Parteichef Neil Kinnock wird im Zusammenhang mit dem Circuit of Wales vorgeworfen, er habe einen walisischen Politiker mehrfach unter Druck gesetzt, er solle einen Kredit für das in Schwierigkeiten befindliche «Circuit of Wales»-Projekt befürworten. Der ehemalige EU-Kommissär, der dann im «House of Lords» sass, hat 2014 mehrere Briefe an Hedley McCarthy geschrieben, den Vorsitzenden des «Blaenau Gwent Councils».

Ein Schreiben wurde sogar auf dem offiziellen Briefpapier des ehrwürdigen «House of Lords» verfasst, Michael Carrick soll es für Lord Kinnock entworfen haben.

Lord Kinnock musste inzwischen auch einräumen, dass er «fünf oder sechs Telefonanrufe in dieser Angelegenheit» mit McCarthy geführt habe.

McCarthy liess sich nicht einschüchtern und entgegnete: «Ich war verblüfft über die Tonart dieses Schreibens und von der Tatsache, dass es auf dem offiziellen House of Lords-Papier verfasst wurde.»

Denn McCarthy wusste genau, dass Lord Kinnock in diesem Zusammenhang in seiner Rolle als Chairman der «Heads of the Valleys Development Corporation Ltd.» agierte – und nicht als Politiker.

McCarthy weiter: «Blaenau Gwent ist die zweitkleinste Gemeinde in Wales und hat noch nie über ein Darlehen in dieser Grössenordnung nachgedacht oder beratschlagt. Wir haben knappe Budgets und können nicht für solche Summen geradestehen.»

Lord Kinnock wandte sich in Wales auch schriftlich an den First Minister Carwyn Jones und schlug ihm ein kurzes Meeting vor, um Vorschläge in Zusammenhang mit dem Bau des Circuit of Wales zu diskutieren.

Aber der Circuit of Wales blieb ein Luftschloss. Immerhin trugen beim Silverstone-GP 2015 einige Funktionäre Kappen mit der Aufschrift «Circuit of Wales». 

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