Lin Jarvis (Yamaha): Viel Respekt vor Ducati

Von Günther Wiesinger
Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, spricht offen über die Schwächen von Yamaha 2022, er lobt Quartararo und erzählt von der Weichenstellung für 2023.

Fabio Quartararo und das Monster Yamaha Factory Team setzten sich in den letzten Monaten kräftig gegen den Ansturm und die Übermacht von Ducati und Pecco Bagnaia zur Wehr, der zwischen dem Sachsenring-GP und Sepang zuerst 91 Punkte wettmachte, mit Platz 3 auf Phillip Island 14 Punkte Vorsprung herausholte und ihn in Sepang auf 23 Punkte vergrößerte.

Yamaha wurde mit der Tatsache konfrontiert, dass Ducati-Corse-General-Manager Gigi Dall‘Igna nach neun Jahren im Amt eine Desmosedici gebaut hat, die endlich auf allen Pisten konkurrenzfähig ist, nicht nur auf den Power-Strecken wie Mugello, Catalunya und Spielberg. Deshalb rückte der Titelgewinn in der Fahrer-WM im letzten Saisondrittel immer näher, nach vier zweiten Plätzen mit Andrea Dovizioso 2017, 2018 und 2019 und Bagnaia 2021.

In der laufenden Saison blickt Ducati vor dem Valencia-GP bereits auf zwölf Siege, 29 Podestplätze und 15 Pole-Positions, dazu liegen vor dem Finale vier Ducati-Fahrer in der WM in den Top-7.

«Ja, das ist richtig», stimmt Lin Jarvis zu, der Managing Director von Yamaha Motor Racing. «In der Vergangenheit wussten wir immer, wir haben Schwächen bei unserem Motorrad. Aber wir kannten auch die Stärken der M1. Dadurch konnten wir seit dem letzten Ducati-Titelgewinn 2007 sechs Weltmeisterschaften gewinnen – mit Valentino, Jorge Lorenzo und Fabio. Aber wir hatten 2022 keine Vorteile mehr. Sie haben ihr Bremsvermögen verbessert, ihre Kurvenfahrt, ihr Turning und ihren Kurvenspeed. Dazu haben sie einen Motor, der sehr, sehr stark ist.»

Jarvis weiter: «Wenn du auf die Gruppe der Ducati-Fahrer blickst, die üblicherweise vorne mitmischt, ist es nie ein einzelner Kerl, sondern ein Pulk. Sie waren in diesem Jahr mit sieben unterschiedlichen Piloten auf dem MotoGP-Podium. Das ist ein starkes Paket. Und es ist schwierig, wenn du im Falle von Yamaha nur einen Fahrer hast, der die maximale Performance bringt.»

Ist Yamaha zuversichtlich, die nicht über alle Zweifel erhabene Motorleistung der YZR-M1 für 2023 auf das Niveau der starken Konkurrenten pushen zu können?

«Von der Position, in der wir uns jetzt befinden, ist es unwahrscheinlich, die Lücke zu den stärksten Bikes komplett bis zum Saisonstart 2023 schließen zu können», meint Jarvis. «Aber wir haben die leise Zuversicht, dass wir die Prozeduren und Fehler, die wir vor der Saison 2022 gemacht haben, ausmerzen können. Wir haben ja die Arbeit mit Ing. Marmorini und seiner Gruppe bereits im Januar begonnen. Wir sehen inzwischen den Nutzen dieser Änderungen im Stil und in der Herangehensweise.»

Denn Fabio Quartararo zeigte sich beim Misano-Test am 6./7. September vom neuen, stärkeren Motor ziemlich beeindruckt. Aber wegen der eingefrorenen Entwicklung darf er natürlich 2022 nicht eingesetzt werden.

Hat Yamaha bei der Aerodynamik wie Honda und KTM die Entwicklung verschlafen?

Jarvis: «Wir haben nicht genug Zeit, Energie und Anstrengung auf diesem Gebiet investiert. Daran gibt es keinen Zweifel. Ich würde nicht behaupten, das sei momentan unser größtes Problem, denn unsere größte Schwäche ist der Mangel an Motorleistung, also die pure Power und der Speed. Aber die Aerodynamik und der Speed stehen in einem Zusammenhang. Wenn du ein besseres Aero-Paket hast, kannst du besser beschleunigen, du musst die Power nicht so stark kastrieren, du bekommst vielleicht mehr Downforce und Grip in den Kurven. Daran gibt es keinen Zweifel. Ich würde sagen, wir sind auf diesem Gebiet im Nachteil, wie einige andere Hersteller in der MotoGP. Wir haben bei der Aerodynamik-Entwicklung nicht so aggressiv entwickelt wie Ducati – und auch nicht wie Aprilia.»

KTM hat sich deshalb jetzt die Hilfe der Formel-1-Mannschaft von Red Bull Technology in Milton Keynes gesichert.

Yamaha hat keinen Zugriff auf einen Formel-1-Rennstall. «Aber wir haben Partner und Beziehungen. Wir haben bei den Windkanaltests in Europa die Aero-Entwicklung bereits vorangetrieben. Wir machen viele Experimente. Ich denke, wenn wir uns weiter anstrengen, kann uns bei Aero-Package ein klarer Fortschritt gelingen.»

MotoGP-Ergebnis, Sepang (23.10.):

1. Bagnaia, Ducati, 20 Rdn in 40:14,332 min
2. Bastianini, Ducati, + 0,270 sec
3. Quartararo, Yamaha, + 2,773
4. Bezzecchi, Ducati, + 5,446
5. Rins, Suzuki, + 11,923
6. Miller, Ducati, + 13,472
7. Marc Márquez, Honda, + 14,304
8. Brad Binder, KTM, + 16,805
9. Zarco, Ducati, + 18,358
10. Aleix Espargaró, Aprilia, + 21,591
11. Morbidelli*, Yamaha, + 23,235
12. Crutchlow, Yamaha, + 24,641
13. Oliveira, KTM, + 24,918
14. Pol Espargaró, Honda, + 25,586
15. Fernández, KTM, + 27,039
16. Viñales, Aprilia, + 30,427
17. Alex Márquez, Honda, + 33,322
18. Gardner, KTM, + 33,691
19. Mir, Suzuki, + 41,838
– Darryn Binder, Yamaha, 10 Runden zurück
– Di Giannantonio, Ducati, 10 Runden zurück
– Martin, Ducati, 14 Runden zurück
– Nagashima, Honda, 16 Runden zurück
– Marini, Ducati, 19 Runden zurück

*= 3-Sekunden-Strafe («unverantwortliche Fahrweise»)

MotoGP-WM-Stand (nach 19 von 20 Rennen):

1. Bagnaia 258 Punkte. 2. Quartararo 235. 3. Aleix Espargaró 212. 4. Bastianini 211. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 168. 7. Zarco 166. 8. Rins 148. 9. Oliveira 138. 10. Martin 136. 11. Viñales 122. 12. Marc Márquez 113. 13. Marini 111. 14. Bezzecchi 106. 15. Mir 77. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 46. 19. Morbidelli 36. 20. Di Giannantonio 23. 21. Dovizioso 15. 22. Darryn Binder 12. 23. Gardner 10. 24. Crutchlow 10. 25. Raúl Fernández 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 432 Punkte (Titelgewinner). 2. Aprilia 248. 3. Yamaha 243. 4. KTM 220. 5. Suzuki 174. 6. Honda 153.

Team-WM:
1. Ducati Lenovo Team 447 Punkte (Titelgewinner). 2. Aprilia Racing 334. 3. Red Bull KTM Factory 306. 4. Prima Pramac Racing 302. 5. Monster Energy Yamaha 271. 6. Gresini Racing 234. 7. Suzuki Ecstar 225. 8. Mooney VR46 Racing 217. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 96. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 20.

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