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Gary Hocking: Motorrad-Weltmeister starb im F1-Wagen

Von Thorsten Horn
Gary Hocking (li.) 1959 beim Rennen auf dem Sachsenring, daneben Dickie Dale (re.)

Gary Hocking (li.) 1959 beim Rennen auf dem Sachsenring, daneben Dickie Dale (re.)

Heute vor 60 Jahren galt im Rennsport mal wieder: «Die Besten sterben zu jung.» Gary Hocking gewann 1961 zwei Motorrad-WM-Titel. Am 21. Dezember 1962 kam er im Alter von 25 Jahren in einem Formel-1-Wagen ums Leben.

Gary Stuart Hocking wurde am 30. September 1937 in Caerleon im Südosten von Wales geboren. Er war mit ähnlichem Talent beseelt wie Jim Redman, Mike Hailwood oder John Surtees, doch konnte er seine Begabung nach seinem kometenhaften Aufstieg und viel zu frühem Tod nicht nachhaltig beweisen.

Noch im Kindesalter kam Hocking durch seine Eltern in die damals britische Kronkolonie Süd-Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe. Später gingen seine Eltern zurück nach Wales, doch der Teenager Gary Hocking blieb in Bulawayo bei einer befreundeten Familie.

Als deren Sohn bei einem Motorradrennen ums Leben kam, hielt das Gary Hocking nicht davon ab, sich ebenfalls als Racer zu versuchen. Sein Talent war so enorm, dass er innerhalb kürzester Zeit im südlichen Afrika alles gewann, was es zu gewinnen gab.

Nachdem Gary von der Erfolgen gehlrt hatte, welche sein Landsmann, Nachbar und Freund Jim Redman in Großbritannien und in Europa errang, trat auch der streng gläubige Gary Hocking zum Rennfahren dem «Continental Circus» bei. Seine erste Station war das berühmteste und prestigeträchtigste TT-Rennen auf der Isle of Man in der Irischen See.

Jim Redman hatte Hocking eine 350-ccm-Norton vorbereitet und der nur mäßig erfolgreiche Ex-Rennfahrer Reg Dearden eine ebensolche 500er. Mit dieser wurde Gary Hocking Zwölfter, was Reg Dearden derartig beeindruckte, dass er den jungen Draufgänger unter Vertrag nahm.

Bei der darauffolgenden Dutch-TT im niederländischen Assen holte Gary Hocking als schnellster Einzylinder-Pilot mit dem sechsten Rang seinen ersten WM-Punkt (damals bis Platz 6). Beim übernächsten WM-Lauf auf dem Nürburgring errang er als Dritter hinter den übermächtigen MV-Agusta-Fahrern Mike Hailwood und John Hartle seinen ersten WM-Podestrang. Im schwedischen Hedemora sammelte er als Vierter weitere WM-Punkte und beendete die Weltmeisterschaft auf dem sechsten Platz.

1959 trat Gary Hocking weiter mit der technisch ins Hintertreffen geratenen Norton in den Klassen bis 350 und 500 ccm an. In den beiden kleinen Klassen hatte ihn der geniale Walter Kaden von MZ verpflichtet, was Gary Hockings Durchbruch bedeutete.
Nachdem er am 26. Juli 1959 MZ in Kristianstad/Schweden im Rennen der 250-ccm-Klasse mit dem Zweitakter seinen ersten Grand-Prix-Sieg gefeiert und gleichzeitig MZ nach Horst Fügner vor Jahresfrist in Hedemora den zweiten GP-Sieg der Firmengeschichte geschenkt hatte, legte er beim darauffolgenden Ulster Grand Prix in Belfast sofort nach. Damit wurde er hinter dem Italiener Carlo Ubbiali auf MV Agusta und punktgleich mit dessen gleich motorisierten Landsmann Tarquinio Provini Vizeweltmeister. In den Klassen bis 350 und 500 ccm landete er mit seiner Norton in der WM auf den Rängen 4 und 5.

Einen für MZ annähernd ebenso bedeutsamen Sieg feierte Gary Hocking 1959 beim noch nicht zur WM zählenden, aber international stark besetzten Rennen auf der MZ-Heimrennstrecke, dem Sachsenring.

Für die darauffolgende Saison 1960 wurde Gary Hocking vom damals erfolgreichsten Rennstall MV Agusta verpflichtet. In der damals noch kleinsten Hubraumklasse bis 125 ccm sowie der Viertelliterklasse (zwei GP-Siege auf der Isle of Man und auf der Solitude bei Stuttgart) musste er seinem Stallgefährten Carlo Ubbiali den Vortritt lassen. Ebenso bei den 350ern der Nummer 1 bei MV-Agusta, dem Briten John Surtees. Auch hier feierte der gebürtige Afrikaner zwei GP-Siege (Clermont-Ferrand in Frankreich und Monza). In der Königsklasse wurde er noch nicht ran gelassen.

1961 sollte Gary Hocking, dessen Spitzname «Sox» lautete, weil er nur ungern Socken (engl. socks und davon abgeleitet sox) und deshalb am liebsten Sandalen trug, am Ziel seiner Träume ankommen.

Beim WM-Saisonauftakt im Montjuich-Park in Barcelona gewann der designierte Nachfolger des in den Automobil-Rennsport gewechselten John Surtees als Nummer 1 bei MV Agusta das Rennen der Viertelliterklasse, doch danach überließ MV Agusta Honda das Feld kampflos.

In der 350-ccm-Klasse feierte Hocking in der Saisonmitte vier Grand-Prix-Siege (Assen, Sachsenring, Ulster/Belfast und Monza), rang so den tschechoslowakischen Jawa-Werkspiloten Frantisek Stastny nieder und wurde schließlich ein Rennen vor Schluss Weltmeister.

In der Halbliterklasse hatte es der MV-Agista-Star mit Mike Hailwood zu tun, der mit seiner Norton zwar starke Rennen zeigte, aber unterm Strich gegen den MV-befeuerten Gary Hocking auf verlorenem Posten stand. Erst gegen Saisonende verpflichtete der Graf Agusta auch den Briten, doch da hatte «Sox» den WM-Titel nach der Streichresultat-Regel bereits in der Tasche. Mit Siegen in Hockenheim, Clermont-Ferrand, auf der Isle of Man, in Assen, Spa-Francorchamps, auf dem Sachsenring sowie beim Ulster-GP hatte er den Plan sogar übertroffen, denn es wurden nur die besten sechs Ergebnisse der zehn Saisonrennen gewertet. Die Reise zum Finale nach Argentinien schenkten sich nahezu alle GP-Stars, sodass der Einheimische Jorge Kissling auf Matchless zum einmaligen Grand-Prix-Sieger avancieren konnte.

1962 startete Gary Hocking auf der Isle of Man mit einem zweiten Platz in der Junior- TT (350 ccm) hinter seinem neuen Teamkollegen Mike Hailwood sowie einem Sieg im abschließenden Rennen der Senior TT (500 ccm) in die neue WM-Saison. Da im Junior-Rennen am 6. Juni der australische Honda-Pilot Tom Phillis sein Leben verlor und Gary Hocking sich auf Grund des hohen Konkurrenzdrucks eine Mitschuld gab, reiste er nach dem darauffolgenden nicht zu WM zählenden Rennen im britischen Mallory Park zum MV-Agusta-Firmensitz nach Gallarate, um Conte Domenico Agusta um die Auflösung seines Vertrags zu bitten. Diesem Wunsch kam der Graf nach.

Loslassen konnte und wollte Gary Hocking von der Rennerei aber nicht. Kurz danach kaufte er sich einen gebrauchten Formel-1-Tyrrell von John Love. Auch mit diesem Renngerät zeigte er von Beginn an sein Talent, sodass ihm von Rob Walker ein neuerer Lotus-Climax für das Formel-1-WM-Finale am 29. Dezember 1962 im südafrikanischen East London angeboten wurde. Soweit sollte es aber nicht mehr kommen.

Denn am 21. Dezember bestritt Gary Hocking auf dem Westmead Circuit bei Durban eine Testfahrt, bei der er tödlich verunglückte. Zwischen zwei Kurven kam der Wagen auf merkwürdige Weise von der Straße ab. Sein Freund und Weggefährte Jim Redman, der mit «Sox» noch gemeinsam gefrühstückt hatte, vermutete als Unfallursache die Dehydrierung des Fahrers. Ein Bremsversagen hielt der sechsmalige Motorrad-Weltmeister für unwahrscheinlich, denn für ein erzwungenes Schleudern des Wagens gab es keine Anzeichen. Ebenso wenig plausibel war mangels Reifenspuren eine blockierte Lenkung.

Aufgeklärt wurde die Unfallursache nie. Somit war Gary Hocking einer jener Motorrad-Rennfahrer, der auch in der noch mehr beachteten Formel 1 durchaus hätte Erfolg haben können. Diese wurde ihm allerdings zum Verhängnis, denn der Autorennsport stand den Zweirädern in Sachen Gefährlichkeit damals nichts nach.

Gary Hockings Erfolgsbilanz weist zwei gewonnene Weltmeisterschaften und 19 Grand-Prix-Siege auf. Zwei davon errang er auf MV Agusta bei der britischen Tourist Trophy auf der Isle of Man, die in solchen Aufzählungen immer eine Sonderstellung einnehmen. So gewann er 1960 in der Lightweight 250 ccm und 1962, wie bereits erwähnt, in der Klasse Senior-TT der 500-ccm-Maschinen.


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