Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Der australische Weg: Familie Miller opferte alles

Von Manuel Pecino
Es ist 13 Jahre her, seit ein Teenager aus Nordaustralien mit seiner Familie in Europa aufkreuzte, um gewisse Ziele zu verfolgen. Die Familie von Jack Miller opferte alles, wofür sie ein Leben lang arbeitete.

Für uns Europäer ist solch eine Entscheidung schwer zu verstehen, aber die Millers waren nicht die erste Familie, die so einen drastischen Schritt wagte. Dieser Teenager war natürlich Jack Miller.

Auf SPEEDWEEK.com berichtet Jack über diese harte Zeit, von vielen Opfern, von Einsamkeit, davon, jede Nacht auf geliehenen Betten zu schlafen und vieles mehr:

«Meine ganze Familie und ich zogen 2010 nach Europa. Wir reisten mit einem Wohnmobil zu unseren Zielen. Unsere Basis hatten wir südlich von Barcelona, wir fuhren also nach Deutschland oder Holland zu den IDM-Rennen, anschließend kehrten wir nach Spanien zurück.

In Spanien ist das Wetter gut, aber auch die Meisterschaft war und ist sehr gut. Wenn du in der Weltmeisterschaft ankommen willst, musst du eines Tages in der Spanischen Meisterschaft bestehen.

Ich war nie zuvor in einem Land, wo nicht Englisch gesprochen wurde, für mich war es also eine große Veränderung, ein großer Schock. Aber ich konnte mich recht schnell anpassen: Ich spreche diese Sprache immer noch nicht, aber eines Tages werde ich sie lernen.

Für mich war die «Siesta» das Gewöhnungsbedürftigste. In Australien machen wir immer irgendetwas, den ganzen Tag. Diese Pause zu haben, wo du zwischen 1 und 3 Uhr in keinen Shop oder so gehen kannst, ist verrückt für mich.

Dass sie so spät zum Abendessen gehen, war ebenfalls krass. Wir hatten einige spanische Freunde, die wir im Dorf getroffen haben und sie luden uns zum Abendessen ein. Wir fragten, wann wir da sein sollten und die Antwort lautete: ‚Kommt um neun Uhr vorbei.‘ Ich antwortete nur: ‚Um neun Uhr? Ich bin zu dieser Zeit schon im Bett.‘ Das war sehr schwierig für uns.

Das Schwierigste, was zu überwinden war? Ich bin sicher, das Opfer zu bringen. Nicht wirklich für mich, sondern für meine Eltern. Sie opferten alles, wofür sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet hatten. Sie opferten es, damit ich Rennen fahren konnte.

Ich bin nach Europa gekommen, als ich 15 Jahre alt war, wenn ein Kind sich in einen jungen Erwachsenen entwickelt. Zu einer Zeit, in der du bei deinen Freunden sein solltest, um das Leben zu entdecken. Nur mit Mama und Papa unterwegs zu sein (meine Schwester war auch dabei, aber sie war schnell wieder weg) und du kennst niemanden in deinem Dorf. Das war eine sehr harte Geschichte.

Wie ich sagte, meine Familie kam ursprünglich mit mir mit, aber bereits nach einem halben Jahr gab es 2010 zu Hause einige Probleme mit dem Business und mein Vater musste nach Hause. So blieb nur meine Mutter und ich. Sie fuhr das Wohnmobil mit mir durch Europa, damit wir zu den Rennen kamen.

Dann, 2011, nach einer halben Saison, verletzte sich mein Vater in einem schweren Unfall zu Hause auf der Farm. Er fiel ins Koma. Es war an einem Samstagabend und ich war in Misano. Meine Mutter musste sofort nach Hause. Ich blieb für das Rennen dort, ohne zu wissen, ob mein Vater leben oder sterben würde. Das war also auch ein harter Punkt.

Seitdem bin ich alleine. 2012, 2013 hatten wir kein Geld, wir hatten gar nichts und es war nur ich, der Rennen fuhr. Ich blieb bei den Menschen aus den Teams oder bei Freunden.

Erst 2014 konnte ich wirklich denken: ‚Okay, alles ist ruhiger, meine Eltern könnten zurückkommen und es genießen, wann sie wollten. Sie kommen nicht so sehr als Eltern, sondern eher als Fans, um die Rennen zu genießen.‘

Ich mag das Gefühl, dass ich ehrlich bin. Ich sage, was ich denke, ich lüge nicht. Nicht so viel … Ok, kleine Lügen wie ‚Ich bin in 5 Minuten zurück und vielleicht doch erst in 10.‘ Ich fühle mich als ehrliche Person, aber auch als ein Kämpfer. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht leicht abgewiesen werde, wenn ich etwas will, werde ich es versuchen, versuchen und versuchen. Und wenn ich neunmal hinfalle, stehe ich zehnmal auf…»

Karriere-Highlights Jack Miller:

2009 Australischer Meister, Klasse 125 ccm
2011 Deutscher Meister, Klasse 125 ccm
2011 Erster GP-Start auf dem Sachsenring, Klasse 125 ccm
2012 Erste WM-Punkte, Klasse Moto3
2014 Vizeweltmeister mit Red Bull-KTM-Ajo, Klasse Moto3
2015 Aufstieg von Moto3- in MotoGP-WM mit LCR-Honda
2016 Erster MotoGP-Sieg mit Marc VDS-Honda in Assen
2021 bis 2022 Ducati-Werksfahrer mit drei Siegen und zehn weiteren Podestplätzen
2023 Red Bull-KTM-Werksfahrer


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