Yamaha 1980: Drei Motorenkonzepte in drei Jahren
Weil Monster-Yamaha-Teammanager Massimo Meregalli nach der Vorstellung des Teams für 2023 in Jakarta erwähnt hat, die Arbeit des italienischen Motoren-Ingenieurs Luca Marmorini werden erst 2024 zum Vorschein kommt, wurde spekuliert, ob der ehemalige Formel-1-Techniker von Toyota und Ferrari eventuell ein V4-Triebwerk plant, wie es die Kontrahenten Ducati, Honda, Aprilia und KTM einsetzen. Nur Suzuki hat bei der GSX-RR wie Yamaha bei der YZR-M1 bis zuletzt ein Reihenmotor-Konzept verfolgt. Suzuki hat die V4-Triebwerke der GSV-R nach der Saison 2011 wegen chronischer Erfolgslosigkeit beerdigt.
Doch bei Yamaha will niemand den mutmasslichen Bau eines 1000-ccm-V4-MotoGP-Motors bestätigen. Es wird auf die Gespräche der Hersteller verwiesen, die in der MSMA in diesem Jahr bereits das technische Reglement für 2027 bis 2031 festlegen. Für 2024 bis 2026 noch einen V4 zu bauen, wird von Yamaha als nicht zielführend bezeichnet.
Fakt ist: Ing. Luca Marmorini hat im Autosport sein ganzes Leben lang nur mit V-Motoren zu tun gehabt.
Vielleicht wollen die Geheimniskrämer aus Japan für die Medien und die Konkurrenz auch nur eine falsche Fährte legen.
Denn Fabio Quartararo reisst langsam der Geduldsfaden. Er plagt sich schon zu lange mit der leistungsmäßig unterlegenen M1-Yamaha ab.
Außerdem erinnern sich die älteren Fans, wie rasch Yamaha in der guten alten 500-ccm-Ära ein neues Motorenkonzept nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelte.
1981: Square Four nur eine Saison für das Werksteam
Kenny Roberts gewann die WM 1978 bis 1980 dreimal in Serie mit einem Reihen-Vierzylinder. Als Antwort auf die unermüdlichen Bemühungen von Suzuki brachte Yamaha 1980 die erste YZR500 mit Reihenmotor und Aluminiumrahmen (OW48) heraus, die bald von der leicht abgeänderten OW48R abgelöst wurde.
1981 bekamen die Werkspiloten Roberts und Sheene eine neue Werks-Yamaha mit einem 500-ccm-Square-Four-Motor, also mit vier erstmals quadratisch angeordneten Zylindern. Der Codename dieser YZR500 lautete OW54. Doch Yamahas neues Square-Four-Konzept hatte 1981 noch seine Tücken. «Kennys neue Square-Four-Yamaha ging gleich beim Auftakt in Österreich kaputt, ich habe mit der Suzuki gewonnen, war dann auf WM-Kurs und habe gegen den verdammten Lucchinelli um den Titel gekämpft», schildert Randy Mamola die Halbliter-WM-Saison 1981.
Da in der 500er-WM 1981 die Suzuki-Asse Marco Lucchinelli und Randy Mamola für einen Doppelsieg sorgten, gingen die Yamaha-Ingenieure noch einmal zurück ans Zeichenbrett. Denn die OW54 litt an mechanischen Problemen, dazu musste Kenny Roberts aus gesundheitlichen Gründen auf einige Rennen verzichten.
Es wurde in Rekordzeit für 1982 ein verheissungsvolles, neues 500-ccm-V4-Triebwerk entwickelt, mit dem Yamaha dank Eddie Lawson 1984, 1986 und 1988 die 500er-WM gewann, von 1990 bis 1992 räumte Wayne Rainey damit drei weitere Titelgewinne in Serie ab.
Diese V4-Yamaha debütierte 1982 beim zweiten Saisonrennen in Salzburg, dem GP von Österreich. Der radikale Umbruch mit dem V4 kam allerdings nur dem Werksteam mit Roberts und Sheene zugute; alle anderen Yamaha-500-Team mussten sich mit der weiterentwickelten YZR500 begnügen, die jetzt auf den Codenamen OW60 hörte und von der Square-Four-Kraftquelle von 1981 angetrieben wurde.
Mit dieser OW60 sorgten Roberts und Sheene beim Saisonauftakt in Buenos Aires noch für einen Doppelsieg, ehe in Salzburg die V4-Werksmaschine ins Yamaha-Zelt gerollt wurde, die sich als OW61 einen Namen machte. Es war die erste 500-ccm-GP-Maschine aus Japan mit einem V4-Triebwerk. Suzuki übernahm dieses vielversprechende Konzept ca. fünf Jahre später für Kevin Schwantz.
Yamaha ging damals unkonventionell und mutig vor, denn der V4 hatte zwei Kurbelwellen, die vorderen Zylinder wurden nicht optimal gekühlt, der Rahmen musste ohne Verstärkung unterhalb des Motors auskommen, die Suspension hinten wurde horizontal montiert.
Bei dieser neuen OW61 mit der V4-Kraftquelle brach beim Finnland-GP auf dem Straßenkurs in Imatra das Magnesium-Gehäuse an beiden Motorrädern. Das Leichtmetall widerstand den Belastungen des holprigen Bahnübergangs nach der ersten Kurve auf Dauer nicht. «Die Yamaha-Ingenieure sind nachlässig», feixte Roberts. «Denn sie haben in Japan eine Teststrecke ohne Eisenbahnkreuzung gebaut...»
Roberts brachte die Yamaha-Ingenieure mit seinen markigen Sprüchen oft zur Verzweiflung. Nach Platz 5 beim Frankreich-GP in Le Castellet 1981 auf der neuen Square-Four-Yamaha waren die Yamaha-Techniker neugierig auf die Aussagen des Amerikaners.
«Dieses Bike ist eine Rakete», stellte King Kenny fest. Die freudigen Mienen der Japaner verdüsterten sich erst nach dem nächsten Satz. «Aber wir brauchen eine Rennstrecke ohne Kurven», fügte er lakonisch an.
Roberts beendete die Saison 1982 als WM-Gesamtvierter. Der Neuseeländer Graeme Crosby aus dem Marlboro-Yamaha-Team von Giacomo Agostini blieb hingegen der inzwischen ausgereiften OW60 treu – und wurde damit Vizeweltmeister.
Auch wenn Yamaha in diesem Jahr den Titel verspielte, die OW61 stellte einen wichtigen Wendepunkt dar und bildete die Basis für viele weitere Erfolge in der «premier class».
1983: Yamaha verlor die WM um 2 Punkte
1983 wurde die neue V4-Werks-Yamaha mit einem noch leistungsstärkeren und kompakteren Motor ausgestattet, es handelte sich um das Modell OW70. jetzt kam auch ein Aluminium-Deltabox-Chassis zum Einsatz.
Kenny Roberts lieferte mit der V4 Yamaha seinen Landsmann Freddie Spencer auf der neuen V3-Dreizylinder-Zweitakt-Honda 1983 einen erbitterten WM-Fight, «Fast Freddie» gewann ihn mit 144 zu 142 Punkten.
Der amerikanische Roberts-Schützling Eddie Lawson verdrängte Sheene 1983 aus dem Yamaha-Werksteam. Er vollendete die Saison als WM-Vierter hinter Spencer, Roberts und Mamola und sicherte sich danach mit der V4-Yamaha vier WM-Titelgewinne.
Sheene kehrte nach drei Yamaha-Jahren auf eine private Suzuki zurück – und stürzte in der WM auf den 14. Rang ab.
Randy Mamola: «Ich bin kein Historiker»
Es ist nach 40 Jahren nicht so einfach, das damalige Geschehen wahrheitsgetreu nachzuvollziehen.
Sogar der Australier Kel Carruthers, 250-ccm-Weltmeister auf Benelli 1969, danach in Amerika Entdecker von Kenny Roberts und dessen Teammanager und Cheftechniker in der 500er-WM bei Yamaha, inzwischen 80 Jahre alt, wurde von seiner Erinnerung verlassen. Er versprach aber, in alten Büchern nachzuschauen.
Auch der legendäre Mike Sinclair, jahrelang renommierter Chefmechaniker in den Werksteams von Suzuki und Yamaha, konnte nichts zur Aufklärung beitragen. «Ich habe damals im Suzuki-Werksteam für Wil Hartog gearbeitet, der in Österreich beim Saisonstart Neunter wurde und dann eine Woche später beim zweiten Grand Prix in Hockenheim überraschend seine Karriere beendet hat», blickt Sinclair zurück. «Ich bin dadurch arbeitslos geworden und nach England übersiedelt, wo meine Frau unser erstes Kind zur Welt gebracht hat.»
Selbst unser rüstiger Gesprächspartner Randy Mamola (62) konnte sich zum Beispiel nicht an den Square-Four-Motor erinnern, den das Yamaha-500-Werksteam 1981 zwischen dem Reihenmotor von 1980 und dem V4-Motor von 1982 zumindest eine Saison lang im Werksteam eingesetzt hat. «Ich bin ja kein Historiker», lachte der beliebte Kalifornier, der viermal 500-ccm-Vizeweltmeister war, der auf Suzuki, Honda und Yamaha 13 GP-Siege feierte, aber nie Weltmeister wurde.