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Reifendruck-Dilemma: Hintergründe der Problematik

Von Günther Wiesinger
2023 darf der Reifendruck in den MotoGP-Rennen vorn nur während 50 % der Distanz unter 1,9 bar liegen, sonst gibt es Strafen. KTM-Techniker Ing. Risse erklärt die Problematik, die für die Teams entsteht.

In der MotoGP-Saison werden die Reifendrücke in den Vorderreifen mit Einheits-Sensoren von LDL überwacht. Doch bei den ersten drei Grand Prix werden noch keine Strafen verhängt, wenn jemand das 1,9-bar-Limit unterschreitet. Deshalb war beim Sepang-MotoGP-Test (von 10. bis 12.2.) auch die Kontrolle des Reifendrucks ein wichtiges Thema. Nach dem Jerez-GP 2022 war bekanntlich ans Tageslicht gekommen, dass einige Fahrer über den Großteil der Renndistanz das vorgeschriebene Mindestlimit von 1,9 bar am Vorderreifen fast pausenlos unterschritten hatten.

Michelin ist überzeugt, das könnte die Haltbarkeit des Reifens gefährden. Die Franzosen verlangen deshalb von den Teams und Motorradwerken eine genaue und sorgfältige Einhaltung des Mindestdrucks. Für 2022 wurden aber keine Strafen ausgesprochen, es wurde jedoch nach einer vernünftigen Lösung und verlässlichen Einheits-Sensoren für die Saison 2023 gesucht.

«Hauptsächlich geht es jetzt darum, wie man den Reifendruck schon in der Box einstellt und wie man den Reifen konditioniert, um am Ende auf der Strecke im erlaubten Fenster zu sein», erklärte Ing. Sebastian Risse, der bei KTM Factory Racing die Aufgabe des Technical Coordinators für MotoGP erfüllt, im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Klar, wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, kann man auf der Strecke mit dem Fahrer nur noch begrenzt etwas machen.»

«Es geht um den Mindestdruck. Wenn der Reifendruck zu niedrig ist, haben die Michelin-Techniker Sorgen um die Sicherheit», ergänzte Risse. «Man muss über dem Limit liegen. Je schneller man fährt, desto mehr Reifenduck hat man. Und je mehr Windschatten man hat, desto mehr Reihendruck entsteht. Am Ende wird es keine 100-Prozent-Regel sein, doch bei den Rennen geht es darum, einen gewissen Prozentsatz der Rennzeit in dem erlaubten Fenster zu sein.»

Welcher Prozentsatz das sein könnte, steht noch nicht endgültig fest. Risse: «Bisher ist das noch eine provisorische Regulierung. Bei einem regulären Rennen geht es um 50 Prozent.»

Das Problem an der Geschichte: Die Techniker können den Reifendruck an der Box nach ihren Erfahrungswerten gewissenhaft einstellen. Aber sie können nicht vorhersagen, ob der jeweilige Fahrer nachher allein unterwegs sein wird oder in einer Gruppe, also im Windschatten.

«Ja, deshalb wird das ein ziemlich strategisches Spiel», weiß Sebastian Risse. «Wenn man Glück oder das Rennen so weit unter Kontrolle hat, dass man den Rennverlauf vorher abschätzen kann, hat man wahrscheinliche keine Probleme mit dieser Regelung.»

Werden bei KTM und GASGAS den Piloten die Informationen zum Reifendruck ins Dashboard geliefert?

«Das ist erlaubt. Man kann dem Fahrer zeigen, was man ihm zeigen möchte. man könnte auch den Reifendruck einspeisen, wenn man das möchte», erklärte Risse. «Das ist dann die Strategie von jeder Mannschaft mit jedem Fahrer, wie man was macht. Wenn der Fahrer zu viele Informationen bekommt, die er eh nicht ändern oder beeinflussen kann, helfen sie ihm auch nichts. Das verunsichert ihn nur.»

Es könnte ja auch der Fehlerteufel eine Rolle spielen.

«Selbst wenn der Reifendruck im Rennen zu oft unterschritten wird und er danach bei der Rückkehr an die Box von den Offiziellen kontrolliert wird, könnte passieren, dass der Sensor defekt ist», überlegt der KTM-Techniker. «Wenn ich also vorher den Fahrer nervös machen würde und er womöglich sogar das Rennen aufgibt, habe ich gar nichts davon», erläutert Ing. Risse. «Es muss bis zum Ende gepusht werden. Dann schaut man, was dabei rauskommt.»


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