Die Nebenwirkungen des neuen MotoGP-Formats für 2023
Die Anzahl der MotoGP-Starts verdoppelt sich 2023 auf 42
Die MotoGP-WM 2023, die in drei Wochen in Portimão beginnt, wird die bedeutendste Metamorphose seit Beginn der Viertakt-Ära im Jahr 2002 mit sich bringen. Eine Veränderung, für die sich die WM-Verantwortlichen entschieden, um einem Format frischen Wind einzuhauchen, das erste Anzeichen von Erschöpfung zeigte.
Eine Reihe von Faktoren führten zuletzt dazu, dass die MotoGP vor allem in einigen Ländern einen Rückgang des Interesses und damit des Zuschauerzuspruchs verzeichnete. Anderen Motorsport-Serien gelang der Neustart nach der schwierigen Covid-Zeit, die von WM-Promoter Dorna umsichtig gemeistert worden war, mit mehr Schwung und teilweise auch mit frischen Ideen und Ansätzen.
Erschwerend hinzu kamen der Rücktritt von Valentino Rossi Ende 2021, eine MotoGP-Ikone auf der ganzen Welt, und die zweijährige Verletzungsmisere von Marc Márquez, Vales Nachfolger auf allen Ebenen, der zumindest zeitweise von der Bildfläche verschwand. Die Krise von Honda, dem größten Motorradhersteller der Welt, der durch das Fehlen von Márquez in den Ergebnislisten nach unten durchgereicht wurde, war auch keine Hilfe.
Und die fünfwochige Rennpause im Juli 2022 (zwischen Assen Ende Juni und Spielberg) erwies sich auch als strategischer Fehler.
Kurz gesagt: Eine Reihe von Umständen schadete der MotoGP-Show und ihrer Führungsposition im Motorsport.
Um diese Entwicklung aufzuhalten und eine Trendwende herbeizuführen, erlebt das GP-Format nun eine Revolution: Für die Königsklasse MotoGP wurde zusätzlich zum Rennen am Sonntag am Samstagnachmittag jeweils um 15 Uhr ein Sprint über die halbe Distanz und mit halber Punktezahl eingeführt.
Die punktebringenden Wettkämpfe werden also verdoppelt – 42 bei 21 Grand Prix, auch wenn der Sprint offiziell nicht als Rennen bezeichnet wird.
Erste Informationen zu dieser bedeutenden Änderung wurden überraschend beim Spielberg-GP 2022 der Öffentlichkeit präsentiert. Die Fahrer reagierten zunächst vor allem verwundert, weil sie nicht im Vorfeld informiert worden waren. Mit der Zeit freundeten sie sich mehr und mehr mit der Idee an. Ob die Einführung der Sprints gleich an allen GP-Wochenenden überhastet war, wird sich aber erst im Laufe der Saison zeigen.
Zur Erinnerung: In der Formel 1 fanden zunächst nur drei Sprints statt, 2023 sind es erstmals sechs dieser Samstag-Rennen.
Grundsätzlich wirkt die neue Idee und Herangehensweise mit Sicherheit attraktiver als das bisherige Format: Mehr Renn-Action, mehr Starts und ein neues Konzept inklusive «Riders Fan Parade» am Sonntag werden die MotoGP interessanter machen, ganz klar.
Gleichzeitig folgte auf die Ankündigung des neuen Formats von einigen Seiten aber auch Kritik, die der WM-Promoter so wohl nicht erwartet hatte. Einige Fragen blieben bei der Eile, den nächsten Gang einzulegen, noch unbeantwortet.
Die MotoE-WM am Samstag
Betroffen ist beispielsweise die MotoE, die 2023 erstmals WM-Status hat, aber plötzlich im dichten Zeitplan keinen Platz mehr fand, um wenigstens ein Rennen am Sonntag abzuhalten. Bisher bildete die Elektro-Serie am Renntag nach der Königklasse den Abschluss mit ihrem zweiten Rennen. Dieser Slot ist nicht mehr verfügbar, weil den Fans die Invasion der Strecke nach dem MotoGP-Rennen gestattet wird.
Die MotoE-Piloten werden also beide Rennen am Samstag bestreiten. Damit wird der Kategorie einen Bärendienst erwiesen. Es ist zu hören, dass einige Sponsoren, die in diese neue Weltmeisterschaft investieren, nach Erklärungen fragen, weil ihnen ursprünglich ein anderes Projekt verkauft worden war. Nicht besonders erfreut reagierten auch die MotoE-Teams, als sie von den Offiziellen gebeten wurden, am Sonntag einzig für Sponsoring- und Marketing-Events an der Strecke zu bleiben.
Nicht zu vergessen: Ducati unternahm große Anstrengungen, um die ersten «echten» Elektro-Rennmaschinen auf die Strecke zu bringen, jetzt werden sie am wichtigsten Tag des GP-Wochenendes nicht zu sehen sein.
Die Geldprämien für die Sprints
Die Sprints, die zunächst als «Sprint Races» bezeichnet wurden, waren in den bereits unterzeichneten Fahrerverträgen natürlich nicht vorgesehen, aber als «Races», ein Begriff, der in den Vereinbarungen sehr wohl auftaucht, sollten sie gemäß Vertrag vergütet werden.
Auch nach mehreren Treffen zwischen Fahrermanagern und Teamverantwortlichen, um einen Konsens in dieser Angelegenheit zu finden, wurde noch keine Einigung erzielt. Carlo Pernat hatte sogar die Möglichkeit eines Fahrerstreiks in Aussicht gestellt, eine Maßnahme, die von den Piloten nie bestätigt wurde. Die Wahrheit ist, dass die Meinungen der Fahrer gespalten sind – einige entschlossener, einige halten sich lieber zurück, weil sie vielleicht schon mit ihrem Arbeitgeber individuell nachverhandelt haben.
Klar ist: Die Dorna fühlt sich in dieser Angelegenheit nicht zuständig, es handelt sich um ein vertragliches Problem zwischen Teams und Fahrern. In der Formel 1 oder der Superbike-WM schütten die Organisatoren für die Sprints bzw. Superpole-Rennen ja auch keine Prämien für die Fahrer aus.
Weniger Zeit für Moto2 und Moto3
Leidtragende des neuen MotoGP-Formats sind vor allem die kleineren Kategorien, die Moto2 und Moto3. Deren Warm-up am Sonntagmorgen wurde gestrichen. Das bedeutet, dass sie vor dem Rennen keine Möglichkeit zur etwaigen Kontrolle durchgeführter Reparaturen (zum Beispiel nach Stürzen im Quali) oder neuer Komponenten am Motorrad mehr haben. Dieser Check-up steht nur den MotoGP-Piloten zur Verfügung.
Merkwürdig: Am Sonntagmorgen dürfen die Fahrer der kleinen Klassen nicht auf die Strecke, weil im dichten Zeitplan vor dem MotoGP-Warm-up (Beginn um 9.45 Uhr) kein Platz mehr ist. Gleichzeitig werden sie am Samstag aber schon ab 8.40 Uhr auf die Stecke geschickt. Das drängt sich bei den Teamchefs die Frage auf: Warum geht das an einem Tag, aber am nächsten nicht mehr?
Die Pole-Setter der kleinen Klassen finden auch in der Pressekonferenz des Samstags (mit den Top-3 aus dem Sprint, dem MotoGP-Pole-Setter und dem WM-Leader der Königsklasse) keinen Platz mehr. Die ohnehin schon geringere Sichtbarkeit der Moto2 und Moto3 wurde also weiter eingeschränkt. So wird es für die Teams immer schwieriger, die nötigen Sponsorgelder aufzutreiben.
Die Klagen jener Parteien, die von diesen Auswirkungen des neuen MotoGP-Formats betroffen sind, erreichten die Büros der WM-Verantwortlichen inzwischen. Vereinbart wurde, dass die Dynamik des neuen Ablaufes nach drei bis vier GP-Wochenenden bewertet wird. Dann wird man sehen, ob sich alle Beteiligten zusammensetzen müssen, um die Nebeneffekte zu miniminieren.
Der Zeitplan für die Motorrad-WM 2023
Freitag:
09:00 – 09:35 Uhr (35 min): Moto3 Practice 1
09:50 – 10:30 Uhr (40 min): Moto2 Practice 1
10:45 – 11:30 Uhr (45 min): MotoGP Practice 1
13:15 – 13:50 Uhr (35 min): Moto3 Practice 2
14:05 – 14:45 Uhr (40 min): Moto2 Practice 2
15:00 – 16:00 Uhr (60 min): MotoGP Practice 2
Samstag:
08:40 – 09:10 Uhr (30 min): Moto3 Practice 3
09:25 – 09:55 Uhr (30 min): Moto2 Practice 3
10:10 – 10:40 Uhr (30 min): MotoGP Free Practice
10:50 – 11:05 Uhr (15 min): MotoGP Qualifying 1
11:15 – 11:30 Uhr (15 min): MotoGP Qualifying 2
12:50 – 13:05 Uhr (15 min): Moto3 Qualifying 1
13:15 – 13:30 Uhr (15 min): Moto3 Qualifying 2
13:45 – 14:00 Uhr (15 min): Moto2 Qualifying 1
14:10 – 14:25 Uhr (15 min): Moto2 Qualifying 2
15:00 Uhr: MotoGP-Sprint
Sonntag:
09:45 – 9:55 Uhr (10 min): MotoGP Warm-up
10.00 Uhr: MotoGP Riders Fan Parade
11.00 Uhr: Moto3-Rennen
12.15 Uhr: Moto2-Rennen
14.00 Uhr: MotoGP-Rennen