Paolo Ciabatti (Ducati): Ist GASGAS-Einstieg korrekt?
Der Einstieg des GASGAS Factory Racing Tech3 Teams in die MotoGP-Weltmeisterschaft hat bei einigen Journalisten und Hardcore-Fans Befremden ausgelöst, weil diese Marke der Pierer Mobility AG identische RC116-Motorräder wie Red Bull KTM einsetzt und trotzdem in der Konstrukteurs-WM als eigenes Fabrikat punkten kann.
Von den Mitbewerbern waren hingegen bisher keine Beschwerden zu dieser Vorgehensweise zu hören. Denn erstens ist diese Methode durch das Reglement seit vielen Jahren gedeckt. Zweitens kann eine Markenvielfalt dem Sport nicht schaden, besonders nach dem Rückzug von Suzuki und der Absage von BMW.
«Alle wissen, dass es sich um eine KTM handelt. Aber wir kennen dieses Konzept auch aus der Offroadszene, wo die Pierer-Gruppe auch identische Motorräder anbietet, die sich im Grund durch unterschiedliche Lackierungen kennzeichnen. Ich kritisiere das nicht. Es ist eine Entscheidung, das Vorhandensein eines zweiten Teams für die bestmögliche Promotion einer zweiten Marke zu nutzen, die für die Pierer-Gruppe wichtig ist. Wenn es funktioniert – warum nicht? Es wurde ja auch in der Moto3 mit KTM, Husqvarna und GASGAS ähnlich gemacht… Wenn Ducati andere Marken besitzen würde, wie es in der Vergangenheit der Fall war, würden wir heute vielleicht mit einem unseren Teams auch ein zweites Fabrikat nutzen, um es in der MotoGP zu promoten. Aber wir haben nur Ducati. Für mich ist das in Ordnung; es ist eine Marketing-Entscheidung.»
Zur Erinnerung: 1985 war Ducati wegen des schlechten Geschäftsgangs von Cagiva-Besitzer Giovanni Castiglioni übernommen worden, der damals auch die Marken Moto Morini und MV Agusta besass. Damals waren also vier italienische Marken unter einem Dach. Cagiva schlitterte jedoch 1996 trotz Staatshilfen in die Zahlungsunfähigkeit und veräußerte dann 51 Prozent von Ducati an die amerikanische Texas Pacific Group, die 1998 auch die restlichen 49 Prozent übernahm. 2005 kaufte die italienische Investindustrial-Gesellschaft die Ducati-Anteile der Texas Pacific Group. Und im April 2012 kaufte die VW-Gruppe den italienischen Motorradhersteller – für kolportierte 730 Millionen Euro.
KTM-Firmenchef Stefan Pierer hat die Plattform-Strategie nicht erfunden, sondern sich die Volkswagen-Gruppe mit den Marken VW, Audi, Porsche, Seat und Skoda zum Vorbild genommen, die in unterschiedlichen Rennserien auch ähnliche Konzepte, Fahrzeuge und Motoren einsetzen und einsetzen.
Selbst Ducati-Rennchef Gigi Dall’Igna hat sich bereits ähnlicher Methoden bedient und in seiner Zeit als Piaggio-Group-Renndirektor in der 125er-WM die Aprilia auch als Derbi eingesetzt und in der 250er-Klasse die Aprilia als identisches Modell unter der Bezeichnung Gilera fahren lassen.
«Wenn es das Reglement erlaubt, kannst du dasselbe Motorrad-Konzept für unterschiedliche Fabrikate verwenden, wenn du verschiedene Marken in deinem Portfolio hast», ist sich Ciabatti bewusst.