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Gigi Dall'Igna: «Muss beim Reglement ans Limit gehen»

Von Günther Wiesinger
Ducati-Rennchef Gigi Dall'Igna macht kein Geheimnis daraus, dass es sein Job ist, die Grenzen des Reglements aufzuspüren. Und er freut sich: «Alle Fahrer, die auf unser Motorrad springen, sind schnell.»

Für Gigi Dall’Igna , den General Manager von Ducati Corse, der Rennabteilung der Ducati Motor Holding S.p.A., ist zwar der Erfolgsdruck nach dem Gewinn der Fahrer-WM durch Pecco Bagnaia 2022 geringer geworden. Anderseits ist die Erwartungshaltung nach der Vorherrschaft bei den Wintertests in Valencia, Sepang und Portimão riesig.

Jedenfalls haben sich die Ducati-Manager zum Ziel gesetzt, die MotoGP-Performance von 2022 zu bestätigen. Die letztjährige Bilanz ist eindrucksvoll: Die vier Teams und acht Fahrer haben bei 20 Rennen zwölf GP-Siege, 16 Pole-Positions und 32 Podestplätze sichergestellt. Die Konstrukteurs-WM wurde zum dritten Mal in Serie gewonnen, in der Fahrer-WM vier Fahrer in die Top-8 befördert.

SPEEDWEEK.com hat sich vor dem Saisonstart und nach dem Portimão-Test ausführlich mit Ducati-Rennchef Gigi Dal’Igna (56) unterhalten.

Gigi, Ducati will die Vorjahres-Ergebnisse bestätigen. Das wird ziemlich schwierig, vermute ich. Oder traust du dir sogar eine Steigerung zu?

Nicht wirklich. Ich glaube nicht.

Die Leistungen von 2022 waren unglaublich. Ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diese Resultate wiederholen können.

Es ist unser Ziel. Das ist sicher. Uns ist aber auch bewusst, dass es auf jedem Fall schwierig wird.

Anderseits hat Ducati jetzt mit Luca Marini und Marco Bezzecchi Fahrer mit einem zusätzlichen Jahr Erfahrung in der MotoGP. Auch Alex Márquez hat bei Gresini-Ducati aufhorchen lassen.

Es ist wichtig für uns, so viele Fahrer im Spitzenfeld zu sehen. Alle Fahrer, die auf unser Motorrad springen, sind schnell. Alex Márquez ist wirklich happy mit dem Verhalten des Bikes. Seine Rundenzeiten sind beachtlich.

Das ist einer der wichtigsten Punkte für uns. Wir wollten ein Motorrad, das auf allen Pisten konkurrenzfähig ist und mit dem alle Piloten schnell sind.

Du hast acht oder neun Jahre gebraucht, bis die Ziele mit der Desmosedici erreicht wurden, die vorher wegen der brachialen Motorleistung nicht jedermanns Sache war. Was war der schwierigste Punkt auf dem Weg zurück an die Spitze?

Da gibt es nicht einen einzelnen Bereich, der den Unterschied gemacht hat. Es ist eine Addition von vielen unterschiedlichen Bereichen, die den Fortschritt bewirkt haben. Die Verbesserungen kamen im Bereich des Chassis, beim Motor, bei der Elektronik, sicher auch bei der Aerodynamik – überall.

In allen Bereichen mussten wir das Motorrad zielgerichtet verbessern, alles musste in dieselbe Richtung gehen, um dieses Ziel erreichen zu können.

Der Blick und. der Fokus auf das gesamte Paket war Hauptgrund, warum wir diese Resultate erreicht haben.

Alle Ducati Corse-Mitarbeiter haben gute Arbeit geleistet. So haben wir in allen wichtigen Bereichen einen Schritt nach vorne gemacht. Ich betone immer: Das geht nur mit Teamwork. Da müssen 100 Gehirne ihren Beitrag leisten.

Du bist im 2013 im Oktober zu Ducati gekommen und hast vom ersten Tag aber auch das Regelbuch aufmerksamer und sorgfältiger gelesen als deine Kollegen bei den anderen Herstellern.

Das ist mein Job. Ich habe das mein ganzes Leben lang gemacht.

Die genaue Kenntnis der Vorschriften ist wichtig. Denn du musst innerhalb des Reglements bleiben, aber nur wenn du ans Limit gehst, kannst du die besten Resultate erzielen.

Wenn beim Motor 1000 ccm erlaubt sind, musst du mit 999,999 ccm antreten. Das ist die Realität.

Ich muss also das gelbe Buch lesen und dann die Limits einhalten, die uns das Reglement vorschreibt.

Du hast immer wieder Graubereiche aufgespürt. Dein erster Schritt: 2014 hast du das Ducati Factory Team und Pramac für die Open Class angemeldet, die eigentlich den Privatteams mit zweitklassigem Material vorbehalten sein wollte.

Ja.

Das entsprach damals nicht unbedingt dem «spirit of the rules». Aber es war nicht verboten. Ducati konnte plötzlich 2 Liter mehr verbrauchen als die anderen Werksteams, 24 statt 22. Im Jahr 2013 musste Ducati noch mit 21 Liter durchkommen. Ihr hattet 2014 plötzlich zwölf statt fünf Motoren; die Motorentwicklung war nicht eingefroren, es gab weichere Hinterreifen und keine Testbeschränkungen.

Ja, die Vorschriften haben diesen Schritt erlaubt.

Damals war es fast unmöglich, ein MotoGP-Bike konkurrenzfähiger zu machen. Es gab Einschränkungen bei der Motorenentwicklung, also war auch die Chassis-Entwicklung limitiert, denn das Triebwerk ist ein wichtiger Bestandteil des Chassis.

Außerdem konnten wir als Factory Team keine Testfahrten machen. Die Einschränkungen waren so gewaltig, dass ich mir eine Alternative einfallen lassen musste.

Ich habe dann bemerkt, dass es die schlaueste Lösung wäre, in die «Open Class» umzusteigen.

Aber wie ich vorher erwähnt habe: Wir sind innerhalb der Vorschriften geblieben. Ich habe nie um eine Regeländerung gebeten, als wir im Rückstand waren.

Ich habe nur das Buch gelesen und erkannt, dass die Open Class die beste Lösung für uns wäre.

Der einzige Nachteil: Ducati musste mit beiden Teams 2014 mit der Einheits-Elektronik von Magneti Marelli antreten, die für 2016 für alle vorgeschrieben wurde. So konntet ihr zwei Jahre früher mit dieser ECU Erfahrungen sammeln.

Ja, richtig. Die Open Class war eine sinnvolle Lösung für Ducati.

Man sieht seit Jahrzehnten: Die Ingenieure, die die Rennmotorräder oder Formel-1-Autos bauen, sind schlauer als die Menschen, die die technischen Reglements schreiben. Deshalb gab es in der Formel 1 die Wassertanks, die Allrad-Lenkung, den Sechsrad-Tyrrrell, die seitlich absenkbaren Schürzen, den Staubsauger, das Doppel-Chassis, den Doppel-Diffusor von 2009 und so weiter.

Ich weiß nicht. (Er lacht). Es ist sicher eine schwierige Aufgabe, wasserdichte Reglements zu formulieren. Und es ist für die Reglement-Hüter schwierig, die Auswirkungen zu erkennen und die Reaktionen der Teams und Werke.

Die Personen, die die Reglements ausbrüten, müssen wirklich clever sein.

Portimão-Test, kombinierte Zeiten (11./12.3.):

1. Bagnaia, Ducati, 1:37,968 min
2. Zarco, Ducati, + 0,296 sec
3. Quartararo, Yamaha, + 0,334
4. Marini, Ducati, + 0,342
5. Bezzecchi, Ducati, + 0,383
6. Bastianini, Ducati, + 0,405
7. Alex Márquez, Ducati, + 0,434
8. Martin, Ducati, + 0,466
9. Brad Binder, KTM, + 0,512
10. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,601
11. Oliveira, Aprilia, + 0,616
12. Viñales, Aprilia, + 0,710
13. Mir, Honda, + 0,794
14. Marc Márquez, Honda, + 0,810
15. Rins, Honda, + 0,814
16. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,886
17. Miller, KTM, + 0,941
18. Pol Espargaró, GASGAS, + 1,006
19. Morbidelli, Yamaha, + 1,098
20. Nakagami, Honda, + 1,341
21. Di Giannantonio, Ducati, + 1,673
22. Augusto Fernández, GASGAS, + 1,699
23. Pirro, Ducati, + 2,131
24. Bradl, Honda, + 2,194

Sepang-Test, kombinierte Zeiten (10. bis 12.2.):

1. Marini, Ducati, 1:57,889 min
2. Bagnaia, Ducati, + 0,080 sec
3. Viñales, Aprilia, + 0,147
4. Bastianini, Ducati, + 0,260
5. Martin, Ducati, + 0,315
6. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,418
7. Di Giannantonio, Ducati, + 0,455
8. Bezzecchi, Ducati, + 0,474
9. Alex Márquez, Ducati, + 0,496
10. Marc Márquez, Honda, + 0,777
11. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,812
12. Mir, Honda, + 0,895
13. Pol Espargaró, GASGAS, + 0,908
14. Brad Binder, KTM, + 0,923
15. Oliveira, Aprilia, + 0,950
16. Zarco, Ducati, + 0,963
17. Quartararo, Yamaha, + 1,008
18. Miller, KTM, + 1,012
19. Rins, Honda, + 1,043
20. Morbidelli, Yamaha, + 1,097
21. Nakagami, Honda, + 1,646
22. Augusto Fernández, GASGAS, + 1,771
23. Crutchlow, Yamaha, + 2,034
24. Bradl, Honda, + 2,546
25. Nakasuga, Yamaha, + 3,350

 

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