Paolo Ciabatti: Hat Ducati zu viele MotoGP-Fahrer?

Von Günther Wiesinger
Aprilia beschwert sich über die Ducati-Übermacht mit vier MotoGP-Teams und acht Fahrern. Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti plädiert für einen freien Markt und will die Teams weiter frei entscheiden lassen.

Aprilia-Rennchef Massimo Rivola beklagte sich nach dem Sepang-Test im Interview mit SPEEDWEEK.com, dass sich die MotoGP-Weltmeisterschaft allmählich zu einem Markencup («Trofeo») entwickle, weil Ducati acht Fahrer in vier Teams ausrüstet und deshalb mehr als ein Drittel des auf 22 Fahrer geschrumpften Felds beliefert. Denn die zwei Suzuki Ecstar-Plätze wurden nicht nachbesetzt, und sogar Yamaha hat kein Kundenteams mehr, weil die RNF-Mannschaft von Razlan Razali für zwei Jahre bei Aprilia Racing unterschrieben hat und jetzt mit Miguel Oliveira und Raúl Fernández auftritt.

«Ich respektierte die Meinungen unterschiedlicher Menschen», erklärte Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti. «Aber wir erinnern uns an Zeiten in der 500er-WM, als Suzuki, Yamaha oder Honda dominierten, als zum Beispiel Eddie Lawson vier Titel und Mick Doohan sogar fünf Titel hintereinander gewann. Na gut, das war die Vergangenheit. Einerseits verstehe ich die Position von Rivola. Anderseits: Sind andere Hersteller bereit, konkurrenzfähige MotoGP-Maschinen zu einem konkurrenzfähigen Preis an die Kundenteams zu verleasen? Denn am Ende muss das Team diese Leasingkosten bezahlen, das wird manchmal vergessen. Ich habe gehört, dass die Leasingkosten bei anderen Herstellern in der jüngsten Vergangenheit und in der Gegenwart viel, viel höher sind als die Beträge, die Ducati den Teams in Rechnung stellt. Wir liefern für diese Beträge einen sehr guten Support, ein sehr gutes Service und sehr gutes Material.»

Rivola nannte die Formel 1 als Beispiel, wo ein Hersteller wie Mercedes oder Ferrari oder Renault-Alpine maximal zwei Kundenteams mit Antriebseinheiten inklusive Getriebe beliefern darf. Will er sich mit einem vierten F1-Rennstall verbünden, müssen alle anderen Teams zustimmen.

Paolo Ciabatti hält diese Vorschrift für nicht sonderlich sinnvoll und auf keinen Fall vorbildlich. «Kannst du ein Team zwingen, den Hersteller zu wechseln und dadurch womöglich mehr Geld auszugeben, als dein Budget erlaubt? Diese Idee überzeugt
mich nicht.»

In den MotoGP-Vorschriften wird eine Budgetdeckelung bei den Leasingkosten pro Fahrer vorgeschrieben in der Höhe von ca. 1,5 Millionen Euro.

Aber dieses Limit kann leicht umgangen werden, weil sie keine Kosten für Sturzschäden beinhaltet und für technische Updates, die von den Kundenteams gesondert bezahlt werden müssen.

«Am Ende ist der ‘price cap’ ein eher theoretisches Limit, und wir bewegen uns in einem freien Markt», hält Paolo Ciabatti im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest.

«Aber ich habe Verständnis für die Meinung von Rivola; ich verstehe seine Kommentare», ergänzte der Ducati-Sportdirektor. «Anderseits bin ich sicher, wenn ein anderer Hersteller ein so konkurrenzfähiges Motorrad wie Ducati hat und es zu vernünftigen Kosten anbietet, dann könnte sich eines unserer Teams für einen anderen Hersteller entscheiden. Vielleicht würden sie dann auf mehr Beachtung hoffen. Aber momentan haben die Kräfte des Marktes zu dieser Aufteilung geführt.»

Und die älteren Motorradfans erinnern sich, dass auch Aprilia vor der Übernahme durch die Piaggio Group in den WM-Zweitakt-Klassen 125 und 250 ccm bis zu 18 und mehr Fahrer pro Klasse ausgerüstet hat.

«Es kommt im Motorsport immer wieder zu Phasen, in denen eine Fabrikat in einer gewissen Rennserie dominiert. Ich erinnere nur an die Supersport-WM, die mit der R6 zuletzt jahrelang einem Yamaha-Cup entsprochen hat», hält Ciabatti fest.

Doch auch diese Yamaha-Vorherrschaft hat nicht ewig gedauert: Ducati führt die SSP-WM 2023 nach vier Rennen mit Nicolò Bulega auf der Aruba.it.Ducati mit 18 Punkten Vorsprung an.

«Manchmal sollte man wirklich den Teams die Freiheit der Entscheidung überlassen», meint der Ducati-Manager. «Ich weiß nicht, ob es fair wäre, ein MotoGP-Team zum Wechsel zu einem anderen Hersteller zu zwingen.»

Aber Ducati ist sich der Problematik bewusst. «Acht Fahrer sind eine Menge. Deshalb vermute ich, dass diese Anzahl irgendwann sinken wird. Aber ist Aprilia momentan bereit, ein drittes Team auszustatten? Ich bezweifle es. Bevor man das System kritisiert, sollte man Angebot machen. Momentan existiert kein Yamaha-Kundenteam. Denn es wurde von Aprilia erbeutet. Das wird akzeptiert, denn sie haben wahrscheinlich ein besseres Angebot gemacht, was die Konkurrenzfähigkeit des Pakets, den Preis und die Vertragsdauer betrifft. Aber bevor du ein Kundenteams bekommst, musst du beweisen, dass du gewinnen und um die Top-5 kämpfen kannst. Wenn du dann noch vernünftige Leasingkosten verlangst, wirst du als Hersteller für ein Kundenteam eine sehr wertvolle und attraktive Alternative. Aber wenn dein Bike nicht konkurrenzfähig ist und du eine Menge Geld verlangst, warum sollte dann ein Satellitenteam zugreifen?»

Ciabatti weiß: Manche Werke (wie Honda bei LCR) unterstützen Kundenteams sehr stark und bezahlen teilweise die Fahrergagen (auch Ducati bei Pramac), weil das Kundenteam bei der Entwicklung und beim Sammeln der Daten wertvolle Hilfe leisten kann.  

«Manche Privatteams sind dann in einer perfekten Situation. Sie müssen nicht gewinnen, aber gut abschneiden, gleichzeitig sind sie wirtschaftlich existenzfähig», sagt Ciabatti. 

Portimão-Test, kombinierte Zeiten (11./12.3.):

1. Bagnaia, Ducati, 1:37,968 min
2. Zarco, Ducati, + 0,296 sec
3. Quartararo, Yamaha, + 0,334
4. Marini, Ducati, + 0,342
5. Bezzecchi, Ducati, + 0,383
6. Bastianini, Ducati, + 0,405
7. Alex Márquez, Ducati, + 0,434
8. Martin, Ducati, + 0,466
9. Brad Binder, KTM, + 0,512
10. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,601
11. Oliveira, Aprilia, + 0,616
12. Viñales, Aprilia, + 0,710
13. Mir, Honda, + 0,794
14. Marc Márquez, Honda, + 0,810
15. Rins, Honda, + 0,814
16. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,886
17. Miller, KTM, + 0,941
18. Pol Espargaró, GASGAS, + 1,006
19. Morbidelli, Yamaha, + 1,098
20. Nakagami, Honda, + 1,341
21. Di Giannantonio, Ducati, + 1,673
22. Augusto Fernández, GASGAS, + 1,699
23. Pirro, Ducati, + 2,131
24. Bradl, Honda, + 2,194

Sepang-Test, kombinierte Zeiten (10. bis 12.2.):

1. Marini, Ducati, 1:57,889 min
2. Bagnaia, Ducati, + 0,080 sec
3. Viñales, Aprilia, + 0,147
4. Bastianini, Ducati, + 0,260
5. Martin, Ducati, + 0,315
6. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,418
7. Di Giannantonio, Ducati, + 0,455
8. Bezzecchi, Ducati, + 0,474
9. Alex Márquez, Ducati, + 0,496
10. Marc Márquez, Honda, + 0,777
11. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,812
12. Mir, Honda, + 0,895
13. Pol Espargaró, GASGAS, + 0,908
14. Brad Binder, KTM, + 0,923
15. Oliveira, Aprilia, + 0,950
16. Zarco, Ducati, + 0,963
17. Quartararo, Yamaha, + 1,008
18. Miller, KTM, + 1,012
19. Rins, Honda, + 1,043
20. Morbidelli, Yamaha, + 1,097
21. Nakagami, Honda, + 1,646
22. Augusto Fernández, GASGAS, + 1,771
23. Crutchlow, Yamaha, + 2,034
24. Bradl, Honda, + 2,546
25. Nakasuga, Yamaha, + 3,350

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