MotoGP-Finale: Verschiebung, Verlegung, Absage?

Wie sich die GASGAS RC16 in eine KTM verwandelt hat

Von Günther Wiesinger
Pol Espargaró: Seine GASGAS RC16 ist eine KTM

Pol Espargaró: Seine GASGAS RC16 ist eine KTM

Am kommenden Wochenende tritt das GASGAS-Tech3-Team erstmals seit Portimão wieder mit Pol Espargaró und Augusto Fernández an. Sie fahren eine KTM, werben aber für die Marke GASGAS. Wie geht das?

Als das neue GASGAS Factory Racing Tech3 Team beim ersten Wintertest im November zwei Tage nach dem WM-Finale in Valencia erstmals ausrückte und die KTM RC16 des letztjährigen Tech3-Teams (Fahrer 2022: Remy Gardner und Raúl Fernández) mit GASGAS-Logos bepflastert wurde, erkundigte ich mich bei der Teamführung nach der Bezeichnung des MotoGP-Motorrads. «Es heißt GASGAS RC16», lautete die Antwort des Teams. Aber in den offiziellen Ergebnislisten wurden die Bikes als KTM bezeichnet!

• Am 12. März 2023 schickte die Pierer Mobility AG beim Portimão-Test eine englische Pressemitteilung an die GP-Journalisten. Da war zu lesen: «GASGAS Factory Racing Tech3 dial-in settings of the GASGAS RC16s for the Portuguese season-opener.»

• Und: «The crew continued to shape the base configuration of the GASGAS RC16 but then also look to the Grande Premio de Portugal two weeks later.»

Es wurde also mitgeteilt, dass das GASGAS-Team die Abstimmung der GASGAS RC16 für den Saisonauftakt in Portugal ausgetüftelt habe und die Basiszusammensetzung der GASGAS RC16 weiter in Form gebracht wurde.

Aber am selben Tag wurde in den Dorna-Ergebnislisten vom Portimão-Test bei den GASGAS-Werkspiloten Pol Espargaró und Augusto Fernández das Fabrikat mit KTM bezeichnet.

Die Dorna verkündete in einem Press Release und dem Titel «KTM & GASGAS TECH3» am selben Tag: «At Red Bull KTM Factory Racing, the test was about analysing what they have rather than bringing in a slew of new parts, and a main point of focus remained the engine. That was heard from all machines – both KTM and GASGAS.»

Verwirrend? Ja, kann man wohl sagen.

Denn die GASGAS-Werksfahrer steuern 2023 unbestritten nicht nur wie immer geplant ein Motorrad, das baugleich zur KTM RC16 ist, sondern es heißt auch KTM.

Das ist insofern verwunderlich, als die baugleichen Moto3-GP-Maschinen in der Pierer Mobility AG in der 250-ccm-Einzylinder-Viertaktklasse unter den Markennamen KTM, Husqvarna, GASGAS und CFMOTO der rivalisierenden Factory Teams von Red Bull KTM Ajo und Red Bull KTM Tech3, von Aspar Martinez, von Liqui Moly Öttl und PrüstelGP sehr wohl eigene Lizenzen für die Konstrukteurs-WM haben und dort getrennt gewertet werden.

In der MotoGP-Weltmeisterschaft hingegen werde alle Punkte, die mit der GASGAS RC16 errungen werden, dem Marken-WM-Konto von KTM zugeschlagen.

Wie man das dem Publikum auf den Tribünen und vor den TV-Schirmen plausibel machen kann, ist irgendwie schleierhaft.

Aber bekanntlich steht ja auch in der Moto2 auf manchen Bikes groß Yamaha, Fantic, Honda, KTM, GASGAS oder Husqvarna, obwohl es sich um lupenreine Kalex-Rennmotorräder handelt.

Das Statement der Pierer Mobility AG auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com: «Es war nie geplant, dass wir mit GASGAS als eigener MotoGP-Hersteller auftreten, weil wir die technische Homologation der RC16 nutzen.»

Dass die Österreicher für GASGAS keine eigenständige Entwicklung betreiben würden, war immer klar. «Denn das würde die Kosten um ca. 45 Millionen Euro erhöhen», erklärte der Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im November 2022 gegenüber SPEEDWEEK.com.

«Wir müssen in Zeiten wie diesen mit dem Geld haushalten», betonte der Unternehmer aus Österreich. «Deshalb gibt es in der Moto3 keine Eigenentwicklung für GASGAS oder Husqvarna und auch in der MotoGP-WM für irgendeine Konzernmarke von uns. Wir vertrauen auf eine Plattform-Strategie, wie man sie aus der Automobilindustrie kennt... In der MotoGP müssten wir mit einem zusätzlichen Budget bis zu 45 Millionen im Jahr rechnen, wenn wir für GASGAS eine eigene MotoGP-Entwicklung betreiben würden.»

Um die Verwirrung komplett zu machen: Der Rennstall von Teambesitzer Hervé Poncharal heißt zwar GASGAS Factory Racing Tech3, aber die Tech3-Truppe gilt bei der Dorna als Satellitenteam und wird von der Dorna deshalb mit 6 bis 7 Millionen Euro pro Saison unterstützt.

Ähnlich war es bei Aprilia Racing. Dieser Hersteller hat in der MotoGP-WM von 2015 bis Ende 2021 sieben Jahre lang die beiden Gresini-Slots durch ein Joint Venture genutzt. Erst für die fünf Jahre 2022 bis 2026 bekam Aprilia Racing die beiden Plätze, die Ende 2018 nach dem Rückzug von Marc VDS vorübergehend stillgelegt wurden.

GASGAS soll eine globale Marke werden

Das GASGAS Tech3-Team wurde von der Pierer Mobility installiert, um die MotoGP-Kosten von ca. 70 Millionen Euro auf zwei Marken des Konzerns aufteilen zu können. Bisher gingen diese Kosten zur Gänze zulasten des KTM-Budgets. Jetzt werden aus dem GASGAS-Budget rund 8,5 Millionen Euro beigesteuert, um die einst spanische Offroad-Traditionsmarke weltweit bekannt zu machen. 

Natürlich hätten die Österreicher Geld investieren und zum Beispiel eine veränderte Motorenversion mit einem anderen Zylinderwinkel und einem unterschiedlichen Bohrung-Hub-Verhältnis designen können.

Aber diese Investitionen hat sich die Pierer-Gruppe erspart.

Und die anderen Werke im Herstellerbündnis MSMA haben natürlich nicht erlaubt, dass das GASGAS-Team mit einer 1:1-KTM-Kopie als neuer Hersteller in der Marken-WM auftritt, denn dann hätten sie Anspruch auf die «concessions»-Privilegien gehabt. Also auf zwei Motoren pro Fahrer und Saison mehr, es wäre die Motorenentwicklung ab dem Saisonstart nicht eingefroren gewesen, die Stammfahrer hätten beliebig oft ausserhalb der offiziellen IRTA-Testtage testen dürfen.

«Wenn GASGAS als eigenes Fabrikat auftreten möchte, müsste es als neuer Hersteller eingestuft werden», erklärte MotoGP Technical Director Danny Aldridge auf Anfrage von SPEEDWEEK.com. «Aber dann würden sie die ‘concessions’ bekommen. Das würden die anderen Hersteller nicht akzeptieren, solange das Motorrad baugleich mit der KTM ist.»

Denn es kann pro «bike spezification» und pro MotoGP-Plattform nur eine Homologation geben.

Eine eigene GASGAS-Homologation hätte für die Österreicher neben den «concessions» einen weiteren Vorteil: Sie könnten dann im Hersteller-Bündnis einen eigenen Sitz für GASGAS (statt Suzuki) beschlagnahmen und hätten bei Abstimmungen als einziger Konzern zwei Stimmen. Und natürlich könnte GASGAS dann in der Marken-WM punkten.

In der Moto3-WM präsentiert sich eine andere Situation. Denn dort existieren keine «concessions».

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