MotoGP: Marc Marquez hatte Motocross-Unfall

MotoGP-WM 2027 mit 850 ccm – und Pirelli-Reifen?

Von Günther Wiesinger
Nach der Enttäuschung beim Katar-GP machte Jorge Martin den steinharten Michelin-Hinterreifen für seinen 10. Platz verantwortlich. Michelin wird oft kritisiert. Bewerben sich Bridgestone oder Pirelli für 2027?

Auch im achten Jahr von Michelin als offizieller «MotoGP Single Tyre Supplier» berichteten die Fahrer aus der Königsklasse immer wieder über Merkwürdigkeiten bei der «tyre allocation», die pro Grand Prix 22 Reifen (12 Hinterreifen, 10 Vorderreifen) umfasst. Oft wunderten sich die MotoGP-Asse, dass die härtere Mischung weicher war als der Medium-Compound und so weiter. Besonders problematisch wurde die Situation, wenn es bei einem Grand Prix kühler oder heisser war als erwartet. Oder wenn es keine Erfahrungswerte gab wie auf dem Buddh Circuit in Indien.

Und natürlich ist es eine Herkulesaufgabe, passende Reifen für fünf Hersteller und 22 Piloten mit unterschiedlichen Fahrstilen zu entwickeln, während sich zu Zeiten des Reifenkriegs besonders Michelin und Bridgestone je ein bis zwei siegverdächtige Werke ausgesucht und sie dann mit maßgeschneiderten Reifen eingedeckt haben.

Bridgestone brachte 2007 Hunderte Reifen an die GP-Strecken, obwohl nur zwei Top-Teams (zum Beispiel Ducati mit Casey Stoner) beliefert wurden.

Jorge Martin gelang am 18.11. in Doha ein souveräner Sprintsieg. Tags darauf stürzte er auf den zehnten Rang im Hauptrennen ab. «Der Hinterreifen war hart wie Stein», empörte sich der überragende Pramac-Ducati-Werkspilot, der an diesem Tag 14 kostbare Punkte an Bagnaia verlor und deshalb mit ziemlichen hoffnungslosen 21 Punkte Rückstand zum Finale reiste.

Auch Pramac-Teambesitzer Paolo Campinoti war sprachlos. «Wir hatten dasselbe Set-up, denselben Fahrer und dieselben Temperaturen wie am Samstag im Sprint, trotzdem waren wir in der Pace 1,3 bis 1,5 sec langsamer», wunderte sich der Italiener über das Doha-Desaster.

«Sie haben mir den Titel gestohlen», schimpfte Jorge Martin, obwohl die Fahrer laut ihren Verträgen keine Kritik an den Reifen äussern dürfen.

Was Jorge Martin wegen seines Schweigegelübdes nicht offen aussprechen durfte: Entweder hatte Michelin bei der Qualitätskontrolle geschlampt, oder sie haben irgendeinen Reifen aus der Allocation erwischt, der nicht den versprochenen Compound hatte oder zu oft wieder neu aufgewärmt und deshalb zu Stein geworden war.

Seit der Saison 2009 wird die MotoGP-Weltmeisterschaft mit Einheitsreifen bestritten. Vorher lieferten einander Michelin und Bridgestone einen erbitterten Wettstreit um die besten Teams und Fahrer, es wurden bis zu 600 Reifen pro Wochenende an die GP-Strecken gekarrt. Und Michelin nützte bei vielen Europa-Rennen den Standortvorteil in Clermont-Ferrand und erzeugte mit den Infos vom Freitag-Training oft noch passende, frische Reifen-Mischungen – und lieferte sie über Nacht mit schnellen Kleintransportern in geringen Mengen bis zum ersten Samstag-Training sogar bis Jerez aus.

Dunlop spielte die dritte Geige, erzeugte nie wirklich konstant konkurrenzfähige MotoGP-Reifen und fand deshalb nie ein echtes Top-Team.

Doch irgendwann sträubten sich die Motorradwerke- und Teams nach anfänglichem Veto nicht mehr so vehement gegen Einheitsreifen. Denn Michelin geriet zum Beispiel 2007 gegen Bridgestone und Ducati klar ins Hintertreffen, Yamaha und Honda waren die Leidtragenden der Michelin-Misere.

Sinngemäss sagten die japanischen Motorradhersteller damals: «Selbst wenn wir das beste Motorrad bauen, uns aber mit dem falschen Reifenpartner verbünden, werfen wir ein Jahresbudget zum Fenster hinaus – denn mit dem falschen Reifenfabrikat können wir nicht um die Weltmeisterschaft fighten.»

Die Dorna wählte dann für 2009 bis Ende 2015 den japanischen Hersteller Bridgestone als Lieferant der Einheitsreifen aus. Michelin bewarb sich nicht für die Rolle des «Official Tyre Suppliers». Die Franzosen konnten der Idee von Einheitsreifen damals nichts abgewinnen.

Bridgestone erhielt zwei Drei-Jahres-Verträge, die Saison wurde 2015 angehängt, weil Michelin erst für 2016 bereit war für die Entwicklung der MotoGP-Gummis.

Michelin hat den einst bis Ende 2023 befristeten MotoGP-Vertrag im Vorjahr bis Ende 2026 verlängert.

Bridgestone: Vorläufig nur auf Nebenschauplätzen

2021 gab es Gerüchte, Bridgestone sei in den European Talent Cup eingestiegen, um eine GP-Rückkehr vorzubereiten, auch das starke Engagement in der anspruchsvollen Endurance-WM (EWC) sei ein Indiz für die Vorbereitung höhere Aufgaben.

Immerhin wurden in der WEC schon damals starke Teams wie TSR FCC Honda, Yoshimura SERT Suzuki und das Yamaha-Team YART unterstützt.

Im vergangenen Sommer tauchten Gerüchte auf, Bridgestone könnte sich für 2027 wieder als Lieferant der MotoGP-Einheitsreifen bewerben. Doch bei der Dorna hat sich bisher kein Bridgestone-Manager gemeldet.

Thomas Scholz, Chief Coordinator von Bridgestone Motorsport in Europa, kann diese Pläne weder dementieren noch bestätigen. «Das wird in Japan entschieden, wir haben dazu hier in Europa keine Informationen.»

Bridgestone beteiligt sich aber weltweit und auch in Europa weiter am Motorrad-Spitzensport. In der EWC wurde das FCC Honda France Team in den Jahren 2018 und 2022 beliefert, dazu SERT Suzuki in der Endurance-WM 2021 und YART Yamaha in der WM 2023.

Im European Talent Cup in Spanien tritt Bridgestone als «single tyre supplier» auf, auch in der Kategorie «Objectif Grand Prix» (OGP) In der Moto 3 (gefahren mit Honda NSF 250) in Frankreich liefert Bridgestone die Einheitsreifen. Dazu werden in Deutschland der Triumph-Cup und der BMW S1000RR-Cup ausgestattet.

Bridgestone: MotoGP-Saison kostete 20 Mio. Euro

Bei den Dorna-Verantwortlichen hat sich Pirelli aber auch in den 20 Jahren als Lieferant der Einheitsreifen für die Superbike und Supersport-WM ein großes Vertrauen zu Pirelli-Managern wie Barbier gebildet.

Es ist bei den Dorna-Managern die Hoffnung zu spüren, dass Pirelli den Einstieg in die GP-Klassen Moto3 und Moto2 (neu für 2024) nutzen wird, um sich für einen Deal für die Königsklasse zu wappnen und zu empfehlen – und sich für 2027 auch als «MotoGP Official Tyre Supplier» bewirbt.

Dann könnten die GP-Fahrer von der Moto3- über die Moto2- bis zur MotoGP-WM mit Reifen des gleichen Herstellers fahren.

Übrigens: Bridgestone räumte schon in den Jahren 2009 bis 2015 jährliche Kosten für die Bereitstellung der MotoGP-Einheitsreifen von ca. 20 Millionen Euro ein.

Was sagt Giorgio Barbier, Motorcycle Racing Director von Pirelli, zu den Mutmaßungen, der italienische Reifengigant Pirelli & C. SpA mit (31.300 Mitarbeitenden) könne sich für 2027 für die Königsklasse bewerben?

«Ich kann nur betonen, dass wir uns auf unsere erste GP-Saison in der Moto2 und Moto3 vorbereiten. In dieser Phase ist es schwierig, meinen Fokus auf eine große Herausforderung wie die MotoGP zu richten, während wir gleichzeitig auch für die Superbike-WM das richtige Service sicherstellen müssen. In den nächsten Jahren wird es viele Reglementänderungen geben. Ich erwarte für 2027 stark veränderte MotoGP-Bikes für 2027. Wir werden diese Entwicklung aufmerksam verfolgen», erklärte Barbier jetzt gegenüber SPEEDWEEK.com.

Ein Dementi sieht anders aus.

Inzwischen steht fest: 2027 wird in der MotoGP mit 850-ccm- statt 1000-ccm-Vierzylinder-Bikes gefahren. Außerdem wird der Treibstoff zu 100 Prozent synthetisch sein, also keine fossilen Anteile mehr haben. Schon 2024 wird der «Bio Fuel»-Anteil 40 Prozent betragen.

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