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Maverick Vinales: Trainings- und Mindset-Geheimnisse

Von Adam Wheeler
Volle Konzentration vor dem Rennen: Maverick Vinales in Aragon

Volle Konzentration vor dem Rennen: Maverick Vinales in Aragon

Im Interview verrät Maverick Vinales, was ihm Gelassenheit verleiht und welcher Kniff in seiner Herangehensweise auch sein Team besser macht. Und warum er in Frust-Momenten immer einen Handy-Alarm braucht.

Elf Saisons und zehn Siege mit drei verschiedenen Herstellern machen den früher oft temperamentvollen Rennfahrer zu einem der erfahrensten und beliebtesten Fahrer der Startaufstellung. Im Jahr 2025 hat er Red Bull KTM in seinem ersten Jahr in Orange so nah wie nie zuvor an eine Trophäe gebracht.

Maverick, sind Sie glücklich? Vinales: «Ja! Ich bin immer glücklich, wenn ich innerlich ruhig bin.» Warum innerlich ruhig? «Einfach ich selbst sein.»

Es klingt wie eine beiläufige Bemerkung, aber der Spanier strahlt. Wir unterhalten uns am Vorabend des Grand Prix von Aragon im Hospitality-Bereich von Red Bull KTM Tech3. Teamchef Hervé Poncharal kommt aus seinem Büro, um seinen Fahrer zu begrüßen. Der Franzose hatte zuvor an diesem Tag in einem Interview unter anderem verraten, dass das Team mit Investoren verhandelt und seine siebenjährige Zusammenarbeit mit KTM nach 2026 möglicherweise nicht fortsetzen wird, je nachdem, ob die Österreicher in der MotoGP bleiben oder nicht. Poncharal sagt, er würde sich nach unserem Termin gerne mit Maverick unterhalten (offensichtlich um eine Erklärung zu geben), aber die fröhliche, ruhige Haltung des Spaniers ändert sich nicht. Vinales wird am Sonntag nach einem Sturz, der ihn aus dem Rennen um die ersten sieben Plätze warf, auf Platz 18 landen. Beim IRTA-Test am Montag wird er die schnellste jemals auf zwei Rädern gefahrene Runde in MotorLand fahren.

Nach mehr als einem Jahrzehnt und drei Werken (Suzuki, Yamaha und Aprilia) in seiner MotoGP-Karriere vergisst man leicht, dass Vinales ursprünglich ein Hitzkopf war: ein wildes und launisches Teenager-Wunderkind, das durch die Moto3 und Moto2 raste (in neun Saisons in allen Kategorien landete er nur einmal außerhalb der Top-4 einer Meisterschaft, und das war bei seinem MotoGP-Debüt 2015) und sieben seiner elf Rennen in der Königsklasse gewann. Es gab Teamwechsel in der Moto3 und dann 2021 den dramatischsten Wechsel zu Yamaha, Proteste und ärgerliche Unbeständigkeit, die ihn von einem Meisterschaftstitel fernhielten. Doch seit seiner Heirat mit Raquel, dem Umzug von Andorra zurück in die Nähe seiner Wurzeln in Girona und der Geburt seiner Töchter Nina und Blanca hat er eine Gelassenheit und Ruhe in sein Racing gebracht, die seiner berühmten Geschwindigkeit und Präzision in nichts nachstehen.

Bislang war 2025 für Red Bull KTM ein Jahr ohne Trophäen, aber Vinales kam ihnen am nächsten. Nachdem er, Crewchef Manual Cazeaux und das Team in der zweiten Runde in Argentinien die Balance der KTM RC16 gefunden hatten, schien Maverick der aussichtsreichste Anwärter auf einen Podiumsplatz zu sein und schaffte dies auch in der vierten Runde in Katar mit Platz 2, bis ihm wegen eines Verstoßes gegen die Reifendruckvorschriften eine 16-Sekunden-Strafe aufgebrummt und damit der Podiumsplatz aberkannt wurde. Sein Teamkollege Enea Bastianini kämpft um die Top-10, Brad Binder sucht nach Lösungen für mangelnde Kurvenhaftung und Untersteuern, und Pedro Acosta ist normalerweise der schnellste KTM-Fahrer, aber auch derjenige, der seine Frustration am lautesten zum Ausdruck bringt. Im Gegensatz dazu preist Vinales das Potenzial seines Tech3-Setups wie ein Mantra. Das scheint zu seiner stoischen Philosophie zu passen, hinter deren Gelassenheit sich ein manischer Leistungswille verbirgt.

«Irgendwie verstehe ich aus Erfahrung, dass man, wenn man ein gutes Ergebnis erzielt, nicht so gut ist, und wenn man ein schlechtes Ergebnis erzielt, nicht so schlecht ist», sagt er. «Das Talent und das Potenzial sind immer da: Es kommt nur darauf an, wie man sie zum Vorschein bringt. Wenn man das versteht, wird man sehr gelassen.»

Ich frage mich laut, ob diese Herangehensweise einem 21-jährigen Maverick geholfen hätte. «Mit dieser Erfahrung wäre es großartig, wieder 21 zu sein!», lacht er und fügt schnell hinzu: «Nicht, weil ich glaube, dass ich früher viel besser war ... ganz im Gegenteil – ich bin jetzt stärker und weiser –, aber mit 30 hat man nur noch vier, fünf Jahre Karriere vor sich. Ich würde gerne für immer fahren! Deshalb wäre ich gerne wieder 21. Ich liebe Motorräder und das Fahren in der MotoGP.»

Sieben der 22 Fahrer in der Startaufstellung sind Väter, und die Geschichte des Elite-Motorsports ist voller Klischees über die Auswirkungen und Folgen der Vaterschaft. In Vinales‘ Fall waren es die Anforderungen und die Logistik sowie die Emotionen des Familienlebens, die ihn am meisten beeinflusst haben.

«Als Nina auf die Welt kam, lastete sofort die ganze Verantwortung auf mir. Das war so schwer, dass ich es mir nicht hätte vorstellen können. Und dass es für immer ist, denn vorher fiel es mir manchmal schwer, Kompromisse einzugehen», erklärt er. «Ich war bereit, Opfer zu bringen (um Rennfahrer zu sein, Anm.), aber ich wurde auch unruhig oder langweilte mich. Ich war nicht loyal genug gegenüber dem Prozess. In zwei-, dreijährigen Phasen hätte ich fast aufgegeben oder war müde geworden. Jetzt, mit den Kindern, habe ich gelernt, Opfer zu bringen und mich zu konzentrieren.»

«Ich wollte meiner Frau helfen, aber auch in der MotoGP gut abschneiden», fügt er über die Veränderung in seinem Leben hinzu. «Der Wechsel von Yamaha zu Aprilia war wie ein Albtraum. Beruflich war es wirklich hart, aber auch zu Hause wollte ich gute Arbeit leisten, daher war es schwierig. Jetzt muss ich für viele Bereiche meines Lebens einen Plan haben, und auch für die MotoGP habe ich meine Bedingungen festgelegt. Ein kleines Beispiel: In Jerez sage ich vielleicht: ‹Ich muss diesen Teil der Bremsarbeit sehr gut machen.› Das nächste Ziel könnte lauten: ‹In Mugello möchte ich meine Kurvengeschwindigkeit wieder voll erreicht haben.› Kleine Ziele, kleine Pläne, und am Ende ergibt das ein großes, starkes Ganzes. So organisiere ich mich. Ich bringe das, was ich mir zu Hause vorgenommen habe, hierher. Ich versuche, in den Details präzise zu sein.»

Diese besonnene Methodik hat ihren Nutzen. «Ich glaube, sie hat allen im Team geholfen», gibt er zu. «Alle sind ruhig und arbeiten gut, und das habe ich vor allem von den Japanern gelernt. Sobald man etwas mehr oder vielleicht zu viel Druck ausübt, werden die Leute etwas nervöser und es passieren kleine Fehler, die man vermeiden kann. Es ist wichtig, ruhig und positiv zu bleiben und für die Gelegenheit bereit zu sein.»

Vinales ist ein ruhiger, sympathischer Mensch und wirkt eher schüchtern. Im Januar ist er 30 geworden, und ich frage ihn, wie er mit den Ängsten und dem Druck seines Jobs umgeht. Da kommt wieder sein Lächeln zum Vorschein. «Ich habe mir selbst die Regel auferlegt, nur fünf Minuten lang enttäuscht zu sein und mich dann von allen zurückzuziehen», verrät er. «Ich stelle den Timer auf meinem Handy, setze mich hin und sage: ‹Scheiß auf mein Leben, scheiß auf alle, ich möchte auf etwas einschlagen ...› Und wenn die Zeit um ist, schließe ich damit ab und konzentriere mich auf das nächste Rennen. Das habe ich von meinen Töchtern gelernt, denn (mit kleinen Kindern, Anm.) muss man viel durchatmen! Sie bleiben keine zehn Sekunden stillsitzen. Wir essen gerade, und schon ist jemand auf mir oder isst mein Essen! Meine Geduld ist von einem Extrem ins andere gefallen!»

Auf der anderen Seite des Tisches sind seine tätowierten Arme muskulös und definiert. Er ist durchtrainiert und in Form, und andere Fahrer haben angemerkt, dass Maverick einer der fittesten im Fahrerlager ist. Nach vielen Jahren als Monster-Energy-Fahrer ermöglichte ihm der Vertrag mit KTM den Zugang zum Red Bull Athlete Performance Center, und er hat sich mit voller Hingabe in das Trainingsprogramm gestürzt. Aber das Fitnessstudio ist nicht sein einziger Rückzugsort. Wenn er nicht gerade mit seinem teuren Canyon-Fahrrad unterwegs ist, hält er sich auf andere Weise fit. «Ich fahre Motocross», sagt er mit leuchtenden Augen. «Ich fahre gerne zweimal pro Woche, aber jetzt, zu diesem Zeitpunkt der Saison, fahre ich einmal Motocross, einmal Flat-Track und dann noch mit der 600er oder der 1000er, also insgesamt drei Tage. Beim Motocross fahre ich 20 Minuten, um mir die Strecke und die Linien anzusehen, und dann mache ich zwei schnelle Runden. Dann versuche ich, 30 bis 40 zu absolvieren... aber das hängt von der Strecke ab, denn wenn sie wirklich holprig ist, kann es mit der 450er sehr anstrengend werden. Wenn ich das Gefühl habe, dass das Motorrad mich fährt und nicht ich das Motorrad, dann höre ich auf. Das gibt einem so viel Energie. Ich sehe meine Herzfrequenz. Auf dem Fahrrad fahre ich Vollgas und komme auf 180-181. Beim Motocross liege ich bei durchschnittlich 186, ausgehend von 130. Ich erreiche also wahrscheinlich 190. Motocross ist sehr anspruchsvoll. MotoGP ist entspannt! Es ist jedoch sehr mental und mit der Aerodynamik sehr anstrengend für die Arme. Mit der Yamaha war ich entspannt: Es war so einfach! Ich bin gut vorbereitet.»

Im Gegensatz zu anderen Fahrern in der Startaufstellung hatte Vinales Glück mit Verletzungen (er klopft auf den Holztisch, als ich das erwähne). Er stürzt selten, und der wohl schlimmste Sturz war sein heftiger Highsider mit der Aprilia im Q3 in Sachsenring im Jahr 2024. Er konnte später am Tag noch das Sprintrennen bestreiten. «Das Problem ist eher mental», sagt er über die Anstrengungen der MotoGP. «Die Wochenenden sind sehr eng getaktet und wir haben viel zu tun. Der Samstag ist der schlimmste Tag. Das Sprintrennen besteht aus zehn Qualifikationsrunden, in denen man so pusht (er hebt den Finger an sein Kinn, Anm.). Das macht das Wochenende mehr zu einer mentalen Angelegenheit. Die Motorräder haben sich verändert und bieten mehr Windwiderstand, sodass es körperlich schwieriger ist, die Richtung zu wechseln.»

Vinales ist nicht nur schnell, sondern hat sich auch der Herausforderung für 2025 mit KTM gestellt, indem er anpassungsfähiger und vielseitiger geworden ist. Das ist ein gutes Zeichen, da die Saison noch nicht einmal zur Hälfte vorbei ist und KTM trotz der jüngsten Unsicherheiten über seine Zukunftspläne im Motorsport weiter vorantreibt, testet und nach Lösungen für 2026 sucht. «In Katar war ich von mit selbst beeindruckt; ich bin noch nie so sauber und so gut über die Probleme hinweggefahren», beschreibt er. «Vorher war das schwierig. Ich musste stoppen und versuchen, etwas zu ändern. Jetzt fahre ich einfach weiter, wenn es ein Problem gibt, oder versuche, eine Lösung zu finden. Das gibt einem so viel Energie. Es ist ein großartiges Gefühl. In Katar war ich einfach im Flow. Dieses Gefühl ist nicht leicht zu erreichen. Wir werden in weiteren Rennen wieder an diesen Punkt kommen.»

Im Gegensatz zu Acostas scheinbarer Ungeduld mit KTM (obwohl er seit seinen Anfängen in der Red Bull MotoGP Rookies Cup von dem Werk unterstützt wird) trägt Maverick das orangefarbene Shirt und die Kappe mit Genuss und Stolz. Er hat bereits zuvor über die Faszination des Red Bull KTM-Logos gesprochen und sagt, dass sein Wunsch, endlich Teil des Teams zu werden, aus seiner Leidenschaft für Offroad-Rennen stammt. «Als Kind hatte ich so viele Poster von KTM und den großartigen Fahrern», erzählt er und wirkt dabei wehmütig. «Die Jahre mit Marvin (Musquin), (Ken) Roczen und (Ryan, Anm.) Dungey: Ich fand es immer cool, Red Bull KTM auf meiner Lederkombi zu haben. Ich wollte Teil dieser Familie, dieser Gruppe sein. Es war eine Obsession, und ich habe alle um mich herum dazu gedrängt, das zu verwirklichen. Als ich zum ersten Mal mit Pit (Beirer, KTM Motorsports Director, Anm.) sprach, sagte er: ‹Warum möchtest du zu uns kommen? Du bist sind doch bei Aprilia gut aufgehoben…› Und ich antwortete: ‹Ich möchte kommen! Es ist mir egal ... unterschreib den Vertrag! Ich möchte kommen, fahren, mich für euch einsetzen und mein Bestes geben.› Und so begann die KTM-Geschichte.»

Und sie ist noch lange nicht zu Ende.

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