Yamaha-Rennchef: Unrealistisch, dass Toprak ’26 siegt
Der Zeitpunkt für Toprak Razgatlioglus Wechsel in die MotoGP ist nicht ideal gewählt, denn mit dem derzeitigen technischen Reglement wird nur noch bis Ende 2026 gefahren. Dann gibt es in der Königsklasse eine gewaltige Reform: 850 statt 1000 ccm Hubraum, reduzierte Motorleistung, geringerer Spritverbrauch, keine höhenverstellbaren Fahrwerke und deutlich restriktivere Regeln für die Aerodynamik. Und statt Michelin wird ab 2027 Pirelli die Einheitsreifen liefern.
Nach acht Jahren in der Superbike-WM muss sich Toprak für die MotoGP 2026 gewaltig umstellen – und in der Folgesaison erneut. Yamahas MotoGP-Rennchef Paolo Pavesio sieht aber auch Vorteile in diesem Vorgehen. «Er wird Dinge lernen, die nur für ein Jahr sind: die Reifen, das Bike, das höhenverstellbare Fahrwerk etc.», beschrieb der Italiener. «Wie man in der MotoGP arbeitet, wie das Fahrerlager funktioniert, wie der Rhythmus einer Saison mit den Rennen und den Tests und der Druck ist – all die Dinge muss er lernen. Je früher, desto besser. 2027 ist dann für alle alles neu. Wenn er die anderen Dinge vorher lernt, wird er eine bessere Ausgangsposition haben.»
Paolo, siehst du es als Vorteil, dass Toprak über sehr viel Erfahrung mit den Pirelli-Reifen verfügt?
Das ist ein netter Zusatznutzen. Wir planen aber keinen speziellen Fokus auf Toprak zu legen, was die Entwicklung mit den Pirelli-Reifen betrifft. Er wird auch ohnedies genug zu tun haben mit den 22 Rennwochenenden und seiner Anpassung an die MotoGP. Aber es wird der Moment kommen, wenn auch die Werksfahrer die Pirelli testen, dann werden seine Rückmeldungen besonders interessant sein. Er hat keinen Job als Testfahrer.
Die Superbike-WM 2025 endet am 19. Oktober mit den Rennen in Jerez. Wird Toprak bereits vor dem Valencia-Test am 18. November erstmals mit der Yamaha M1 fahren?
Sehr wahrscheinlich darf er direkt nach der Superbike-Saison für uns testen. Ich bin BMW sehr dankbar, wie wir das alles handhaben. Der Fakt, dass der Fahrer die Meisterschaft wechselt, macht das einfacher. Dass Toprak BMW einen sehr wichtigen Titel geschenkt hat, sorgt auch für eine sehr gute Beziehung. Toprak ist ein sehr netter Mensch. Er bringt Leute dazu, ihn bestmöglich zu unterstützen.
Welche Rolle spielte bei euren Überlegungen die Tatsache, dass Toprak Moslem ist und in so geprägten Ländern viel Beachtung erhalten wird?
Das ist wie mit Pirelli – ein netter, positiver Nebeneffekt. Ich will aber in aller Deutlichkeit sagen: Topraks Verpflichtung ist kein Marketingschritt. Wir glauben an den sportlichen Wert des Fahrers, deshalb haben wir uns so entschieden. Mit vier Werksfahrern gibt es keinen Raum für Marketingentscheidungen – das sage ich als jemand, der viele Jahre im Marketing gearbeitet hat. Wir wollen größtmögliches Talent herauspicken, damit dieses auf der Strecke Leistung bringt. Dass er Türke ist, ist schön für uns, weil er damit Türen zu einem großen Wachstumsmarkt für die MotoGP öffnet – dort werden auch viele Motorräder verkauft.
Bis wann wirst du deine Entscheidung treffen, ob Miguel Oliveira oder Jack Miller Teamkollege von Toprak wird?
Bevor die Sommerpause (am 20. Juli – der Autor) beginnt.
Toprak selbst sagt, dass er bereits in seiner ersten Saison etwas zeigen muss. Siehst du das auch so, oder ist 2026 ein Lehrjahr?
Es ist unrealistisch, dass er nächstes Jahr Rennen gewinnen wird. Aber er wird schauen, dass er gute Leistungen bringt. Für mich ist wichtig, dass die Lernkurve und die Leistungen Hand in Hand gehen. Wir setzen ihm keine kurzfristigen Ziele, deshalb haben wir uns auf einen Zweijahresvertrag geeinigt. Wir haben das mit ihm auch offen besprochen und es wird sicher schwierige Momente geben. Er ist erwachsen genug, das zu verstehen. Es wird eine Reise über 44 MotoGP-Wochenenden – wenn er uns etwas von dem Spaß geben kann, wie er es bei den Superbikes tut, dann sind wir alle glücklich.