Pirelli-Rennchef verrät, wie MotoGP-Tests ablaufen

Pirelli-Rennchef Giorgio Barbier
Am 6. März 2025 wurde bekannt, dass Pirelli ab 2027 in der MotoGP als exklusiver Reifenausrüster auftreten und Michelin ablösen wird. Der französische Hersteller wiederum wird im selben Jahr ins Superbike-Lager wechseln – somit werden die beiden Reifengiganten ihre Rollen tauschen.
SPEEDWEEK.com traf Pirelli-Rennchef Giorgio Barbier am Superbike-Wochenende in Misano und fragte, wie der italienische Hersteller die Entwicklungsarbeit für die MotoGP-Reifen gestaltet und wie in diesem und nächsten Jahr die Tests mit den Herstellern aufgegleist werden.
Giorgio, gibt es den Wunsch vom Promoter und den Herstellern, die Bikes über die Reifen langsamer zu machen?
Dieser Wunsch wird andauernd an uns herangetragen – von der FIM, der Dorna. Es ist aber nicht unser Job, weil wir ein Produkt für den herkömmlichen Markt herstellen – und dieser verlangt nach Verbesserungen. Wir müssen konkurrenzfähig sein, denn wenn wir uns nicht verbessern, werden unsere Mitbewerber davonziehen und wir verlieren Kunden. Das ist der Grund, weshalb wir nicht stehen bleiben dürfen und in der MotoGP gleich arbeiten müssen wie in der Moto2 schon heute – wir müssen uns ständig verbessern.
Gibt es Vorgaben der Dorna oder der Grand-Prix-Kommission für die Weiterentwicklung in der MotoGP? Sodass du dein Produkt auf eine gewisse Art und Weise weiterentwickeln musst oder habt ihr da die volle Freiheit?
Im Moment führen wir mit den Herstellern, der IRTA, der MSMA und der Dorna viele Gespräche über die zukünftige Entwicklungsarbeit – Ausgangspunkt dafür ist der Stand mit dem derzeitigen Reifenlieferanten. Wir haben betont, dass wir anders sind und wir diskutieren darüber, wie wir die Dinge in der Zukunft handhaben werden. Wir können nicht die Regeln von jemandem übernehmen, der schon so lange dabei ist. Natürlich werden wir mit einer Basis starten, aber wir erlauben uns, Möglichkeiten offen zu halten – so wie wir es letztes Jahr in der Moto3 oder auch manchmal in der Moto2 gemacht haben. Bei vielen Rennen bringen wir eine zusätzliche Lösung – vor allem für den Hinterreifen –, weil wir die Strecke und die Bikes nicht kannten. Möglicherweise werden wir dasselbe in der MotoGP machen. Aber das ist alles Teil des Spiels.
Lass uns über Tests sprechen. Der Startpunkt in der Superbike-WM war, dass Pirelli bereits Reifen für herkömmliche Straßenmotorräder hatte – für Superbikes oder Supersport-Motorräder. Ihr habt dann diese Reifen in die WM gebracht und über die Jahre weiterentwickelt. In der MotoGP ist es anders. Zuerst einmal müsst ihr neue Größen fertigen, die ihr im Markt nicht verkaufen könnt. Dazu kommt, dass ihr nicht in ein Geschäft gehen und ein MotoGP-Bike kaufen könnt, um dieses zu testen. Wie geht ihr damit um und wie arbeitet ihr diesbezüglich mit den Herstellern zusammen, um die Bikes von jetzt an bis 2027 zu entwickeln?
Wir gleisen das gerade auf. Es ist nicht so einfach, denn die Akteure sind andere und es ist viel Bewegung drin. Die MSMA gibt einige Regeln vor – über diese diskutieren wir mit ihnen. Zum Beispiel müssen wir entscheiden, wann wir mit den Tests im nächsten Jahr starten werden. Dann müssen wir darüber entscheiden, ob wir einen gemeinsamen Test machen oder mit jedem Hersteller einzeln. Das ist derzeit alles in Diskussion. Deshalb haben wir auch angefragt, ob wir einen Test mit dem derzeitigen Bike machen können, damit wir zumindest starten können und eine Vorstellung bekommen.
Natürlich werden wir das aktuelle MotoGP-Bike so präparieren, wie es zukünftig in etwa sein wird. Bei der Elektronik werden wir die Power reduzieren, die Aerodynamik werden wir weglassen. Klar, die neuen Bikes werden anders sein. Das Chassis wird sich aufgrund der Reifen verändern, sie müssen aber zuerst verstehen, wie stark sie das Chassis des aktuellen Bikes verändern müssen – neben der unterschiedlichen Größe des Motors. Die Hersteller werden damit in der nächsten Saison viel Arbeit haben und wir werden nächstes Jahr bei der Entwicklung des neuen Bikes so eng wie möglich mit ihnen zusammenarbeiten. Natürlich gibt es einen Vertrag mit dem derzeitigen Reifenlieferanten, dass jedes MotoGP-Bike mit dieser Marke ausgestattet werden muss – aber das gilt für die 1000er-Generation. Die 850er-Bikes werden auch mit den neuen Reifen geboren – mit den Testfahrern.
Der Plan ist also zu warten, bis die Hersteller die neuen Bikes mit den 850er-Motoren haben. Die Motoren werden mit Sicherheit heute schon auf den Prüfständen getestet und im nächsten Jahr wird man mit ihnen auf die Rennstrecke gehen. Die Idee wird also sein, nächstes Jahr alle neuen Bikes mit den Testfahrern und den Pirelli-Reifen auf die Strecke zu schicken, damit die Hersteller und Pirelli dann ein Jahr haben, um gemeinsam zu lernen und sich auf 2027 vorzubereiten?
Ja. Was wir noch nicht wissen, ist, wann genau jeder einzelne Hersteller mit dem neuen Bike so weit sein wird, um mit diesem zu testen. Wir können nicht warten, bis der letzte Hersteller bereit ist. Wir müssen so schnell als möglich starten.
Wenn man sich auf ein bestimmtes Datum einigt und jemand dann nicht bereit ist, dann hat er Pech gehabt.
Wir werden sehen, wie sich das Ganze entwickelt.
Und wird es einen ersten Test mit dem 1000er-Bike in diesem Jahr geben?
Ja, wir werden diesen mit den Testfahrern machen. In einigen Tagen werden wir genau wissen wann und wo – sobald es die MSMA kommunizieren wird. Es wird aber in Europa und in diesem Sommer sein.
(Anm.: Der erste Test mit Pirelli-Reifen wird voraussichtlich nach dem Grand-Prix-Wochenende in Misano am 16. September stattfinden).
Funktioniert das in Anbetracht der Vertragssituation mit Michelin?
Ja, weil wir einen privaten Test mit den Testfahrern machen werden – es wird also kein offizieller Test mit den Stammfahrern sein.
Wird es einen offiziellen MotoGP-Testfahrer von Pirelli geben?
Nein, denn sobald du dich für jemanden entscheidest, hast du Diskussionen. Zum Beispiel wenn du dich für Bautista entscheidest, sagt jeder, das ist ein Ducati-Fahrer. Somit wird jeder Hersteller einen eigenen Testfahrer auf seinem Bike einsetzen.