Marquez-Quali-Crash: So wird ein Rennanzug repariert
Samstagmittag im Fahrerlager von Brünn. Das Qualifying in der MotoGP ist gerade durch, Francesco Bagnaia (Ducati) steht auf Pole – auch weil sein Teamkollege Marc Marquez auf den letzten Metern verunfallte. Dem Fahrer geht es gut – aber in welchem Zustand ist der Rennanzug nach dem Unfall?
Ausstatter Alpinestars ist bei jedem Grand Prix mit einem Service-Truck im Fahrerlager vor Ort. Dort können alle Fahrer, die von dem italienischen Unternehmen ihre Schutzausrüstung beziehen, das Wochenende über vorbeischauen und nach einem Sturz ihren Anzug, ihre Schuhe und alles, was dazugehört zur Reparatur bringen. Bei anderen Herstellern wie Dainese läuft es ähnlich. Es ist eine Art Unfallambulanz für Rennanzüge. Erwartet wird an diesem Samstag als «Patient» der rote Rennanzug von Marc Marquez.
Der Service-Truck des italienischen Unternehmens ist eine mobile Werkstatt: Zwei lange Arbeitstische, getrennt durch einen Mittelgang. Eine Nähmaschine, allerlei Werkzeug, eine Schublade mit Farben und Stiften für kleine Ausbesserungen, viele Lederzuschnitte für alle Kunden, Ersatz-Logos und Patches liegen überall herum. Im hinteren Teil des Trucks hängen Anzüge von Kunden aller Rennserien an einer Garderobe, überall stehen Schuhe paarweise. In der oberen Etage ist die Airbag- und Technikabteilung, auch eine Trockenvorrichtung für die Anzüge gibt es an Bord.
Beim SPEEDWEEK.com-Besuch ist gerade Mittagspause auf der Strecke. Doch bei Alpinestars ist das die Rush-Hour. Am Ende des Qualifyings crashte Marc Marquez. Das Alpinestars-Team wartet auf die Lieferung seines Anzugs – denn die TV-Bilder lassen vermuten, dass größere Ausbesserungen nötig sind. Ist der Anzug zu retten?
Das Team vor Ort begutachtet die Anzüge nach Unfällen und entscheidet: Reparieren? Oder muss ein neuer Anzug her? Risse oder Abschürfungen an Rennanzügen können meist binnen weniger Stunden repariert werden – je nachdem, wie schlimm der Sturz war. Viel kann gerettet werden, aber es gilt: Sicherheit hat höchste Priorität.
Die MotoGP-Piloten haben meist fünf Rennanzüge in einer Art Rotation im Einsatz. Wer hin und wieder mal wandern geht, kennt das: Bereits eingelaufene Wanderschuhe sind bequem. Ein neues paar Wanderschuhe kann am Anfang zwicken. Ähnlich ist es auch bei Rennanzügen: Fahrer bevorzugen es, gerade in wichtigen Sessions wie Sprint oder Rennen mit bereits getragenen Anzügen zu fahren. Anzug-Rettung ist daher der bevorzugte Weg. Doch der Marquez-Anzug lässt auf sich warten, der Pilot sitzt noch im Debrief.
Erstaunlich viel ist möglich in der kleinen mobilen Werkstatt: Nicht nur der Lederanzug, sondern auch Protektoren, zum Beispiel an Knien und Ellenbogen, nutzen ab oder nehmen bei Stürzen Schaden. Diese Teile sind oft individualisiert, können aber auch aufpoliert oder ersetzt werden. Auch das Airbag-System wird im Alpinestars-Truck ausgetauscht.
Ein Thema für zwischen den GPs: die Besohlung von Schuhen. Entweder durch Unfälle, aber vor allem auch durch Abnutzung beim Bremsen ist hier früher oder später eine neue Besohlung fällig. Auch hier gilt: Kleine Korrekturen sind vor Ort möglich, die komplette Besohlung erfolgt aber zwischen den Rennen. Die Fahrer haben übrigens unterschiedliche «Fußabdrücke»: Manche bremsen eher mit dem vorderen Fußteil, manche weiter hinten. Entsprechend sind die Abnutzungsprofile unterschiedlich.
Gegen 12.30 Uhr trifft der Marquez-Anzug ein. Die Diagnose: Ein paar Abschürfungen an der rechten Hüfte und am Arm. Auf der linken Seite ist deutlich stärker verschlissen. Das Urteil: Kann repariert werden. Aber nicht bis zum Sprint, der bereits um 15 Uhr beginnt. Marquez muss ja bereits vorher im Anzug stecken – und daher auf ein anderes Modell aus seiner Rotation zurückgreifen.
Für Warm-up und Grand Prix am Sonntag war der Qualifying-Anzug schon wieder einsatzbereit – Marquez entschied sich aber, mit dem Rennanzug aus dem Sprint zu fahren. Der reparierte Rennanzug kommt also erst nach der Sommerpause wieder zum Einsatz.