KiSS Mugello: Willkommen im Jahr 2013, MotoGP
KiSS Mugello mit Riva, Ezpeleta, Ippolito, Poncharal und Poli (v. li.)
Was bei winzigen Motorsport-Veranstaltungen, nennen wir als Beispiel das jährliche Supermoto-Rennen im beschaulichen Schweizer Dorf Ramsen, eine nicht erwähnenswerte Selbstverständlichkeit ist, wird in der MotoGP-WM als bahnbrechende Errungenschaft gefeiert. Halten Sie sich fest: Wir sprechen von der Trennung und fachgerechten Entsorgung des Mülls, der im Laufe einer Veranstaltung auf dem Rennplatz anfällt und allgemein vom bewussten Umgang mit Ressourcen.
Beim Italien-GP wurde die Aktion «KiSS Mugello» vorgestellt. Unter diesem Label will die MotoGP die Teams und Zuschauer für den bewussten Umgang mit der Umwelt sensibilisieren. «KiSS» steht für «keep it shiny and sustainable» (halte es blitzblank und nachhaltig), Mugello wurde wegen der traumhaften Lage mitten in den grünen Hügel der Toskana ausgewählt, um den symbolträchtigen Startschuss zur grünen Kampagne zu geben. Dem Beispiel der italienischen Rennstrecke sollen weitere Circuits im WM-Kalender folgen.
Für die spektakuläre Verkündung, dass den Fans an der Strecke KiSS-Mugello-Kits abgegeben werden (drei Beutel in drei Farben für organischen Abfall, Kunststoff und Restmüll), trat neben dem höchsten Motorradsportvertreter Vito Ippolito (FIM-Präsident) auch Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta, IRTA-Präsident Hervé Poncharal, Marco Riva (Generaldirektor Yamaha Motor Racing) und Mugello-Strecken-CEO Paolo Poli auf. Stars wie Valentino Rossi und Marc Márquez werden künftig als Botschafter eingespannt.
Das illustre Quintett hob an zu einem Lobgesang auf den Umweltschutz und wie sehr sich alle Beteiligten schon zuvor für die Nachhaltigkeit eingesetzt haben. Dass im Jahr 2013 zumindest in Mitteleuropa keine Orden mehr für Mülltrennung und Recycling vergeben werden, ist offensichtlich an den fünf Herren vorbeigegangen.
Riva gab wenigstens zu, wie die Idee entstanden ist: «Wir waren letztes Jahr geschockt, als wir am Montag nach dem Rennen zum Test gekommen waren und die ganzen Hügel um die Strecke vom Abfall der Zuschauer übersäht waren.» Poncharal beeilte sich, die eintrittbezahlenden Fans etwas in Schutz zu nehmen: «Das grösste Problem ist das Fahrerlager, in den Hospitalitys der Teams fällt viel Müll an. Wir müssen mehr trennen.»
Ezpeleta flötete: «Wir wollen unserem Millionen-Publikum mitteilen, dass die MotoGP dem Planeten Sorge hält. Wir wollen nicht einfach nur einen grünen Aufkleber auf die Bikes pappen, wichtig ist, dass sich die Mentalität ändert.»
Die aus Kostengründen eingeführte Stückzahlbegrenzung der MotoGP-Motoren wurde plötzlich als Pluspunkt aus grüner Sicht dargestellt, der reglementarisch erzwungene, gesunkene Verbrauch der MotoGP-Motoren wurde glorifiziert. Dazu die Verwendung von Elektro-Scootern im Fahrerlager. Die aber höchst überschaubar ist, Roller mit Verbrennungsmotoren sind allgegenwärtig, ein Fahrrad fällt im Paddock auf wie ein bunter Hund. Dabei versicherte Poncharal, wie sehr alle Teams die Nachhaltigkeit bereits verinnerlicht hätten.
Mal im Ernst: Wie glaubwürdig ist es, wenn eine Motorrad-WM den grossen Umweltschützer gibt? Dass im Jahr 2013 bei einem Sportevent mit vielen Zuschauern und einem vollen Fahrerlager Müll getrennt, fachgerecht entsorgt, keine Energie verschwendet wird und dass sich die Hersteller um verbrauchsarme Motoren und Nachhaltigkeit bemühen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Die Aktion KiSS Mugello wirkt eher peinlich und riecht nach schlechtem Gewissen.
Ippolito fiel irgendwann ein: «Alle grossen Sportverbände wurden schon 1995 dazu verpflichtet, sorgsam mit der Umwelt umzugehen.» Wozu brauchen wir denn im Jahr 2013 eine halbstündige Pressekonferenz mit ranghohen Funktionären zu diesem Thema?