Jeremy Burgess: Hat ihn Valentino Rossi enttäuscht?

Von Gerraint Thompson
Jeremy Burgess mit Rossi an der Abschieds-Pressekonferenz

Jeremy Burgess mit Rossi an der Abschieds-Pressekonferenz

Jeremy Burgess wurde im November nach 14 Jahren als Crew-Chief von Valentino Rossi entlassen. Jetzt gab er sein erstes grosses Interview. Bitterkeit mischt sich mit Erleichterung.

Als der 60-jährige Jeremy Burgess am 11. November 2013 in einem Renault Mègane-Leihauto die dreistündige Autofahrt von Valencia zum Flughafen Barcelona unter die Räder nahm, es war am Tag nach dem WM-Finale, hatte er genug Zeit zum Nachdenken.

34 abwechslungsreiche Jahre gingen zu Ende. Vier Tage zuvor hatte Valentino Rossi überraschend die Entlassung seines treuen australischen Yamaha-Crew-Chiefs bestätigt.

«Es war nicht ganz die Art und Weise, wie ich mir den Abschied aus Europa vorgestellt habe», erklärte Burgess jetzt im Interview mit dem australischen Fachmagazin Cycle News. «Obwohl ich mich mental jahrelang auf meinen Rücktritt vorbereitet habe. Ich habe mich davor nicht gefürchtet. Weil wir alle wissen, dass dieser Tag eines Tages kommt.»

In italienischen Medien waren Rossis Trennungspläne schon zwei Tage vor dem Trainingsstart in Valencia durchgesickert. «Und als mich Valentino am Donnerstag zu einer Besprechung ins Motorhome bat, da wusste ich: Es geht nicht um den Weihnachtsbonus», erinnert sich Jeremy, der 1980 nach Europa kam und für Wayne Gardner, Mick Doohan und Rossi arbeitete und mit dem Italiener 14 gemeinsame Jahre in der Königsklasse verbrachte. Sieben Titel wurden miteinander gewonnen, 80 GP-Siege gefeiert.

Statt Rossi bei den Tests nach dem Valencia-GP am Montag, Dienstag und Mittwoch zu betreuen, flog Burgess sofort heim nach Australien.

Dabei hatte er erst kurz zuvor einen neuen Ein-Jahres-Vertrag bei Yamaha unterschrieben. «Ich hätte so eine Aktion, wie sie Valentino durchgezogen hat, nicht gemacht», beteuert Burgess. «Aber schliesslich hat sie mich erleichtert. Jetzt habe ich einen Ein-Jahres-Vertrag bei voller Bezahlung, ohne irgendeine Verantwortung tragen zu müssen. Dadurch habe ich einen bequemen Abgang machen können. Je mehr ich mich an diese Situation gewöhne, desto besser gefällt sie mir.»

Jeremy, wurde der Valencia-GP nach der überraschenden Verlautbarung von Valentino am Donnerstag eine bittersüsse Angelegenheit für dich?

Nein, überhaupt nicht. Es wäre viel schrecklicher gewesen, wenn ich dieses Rennen absolviert hätte und danach gekündigt worden wäre.

Du hast die Pressekonferenz am Donnerstag selbst einberufen?

Ja, ich wollte nicht eine Horde von Reportern das ganze Wochenende hinter der Box warten sehen, um meine Antworten zur Sache zu hören. Ich wollte mich auf das letzte Rennen konzentrieren.

Aber Valentino konnte bei diesem WM-Finale am Schluss nur Bautista niederringen und war keine Hilfe für Lorenzo, der den Titel um vier Punkte verspielte. Eine Enttäuschung für dich?

Als Lorenzo damals das Rennen an der Spitze langsamer machte, habe ich gehofft, dass Valentino diese Gelegenheit nützen und an die Spitze vorstossen würde. Ich dachte, vielleicht kann er Márquez mit einer Herausforderung konfrontieren, die er nicht erwartet.

Rossi hat seit Oktober 2010 nur einen GP-Sieg gefeiert. Du hast in dieser Phase manchmal kritisiert, dass er nicht mehr alles gibt. Das war besonders in der Ducati-Ära der Fall?

Valentino liebt den ganzen Prozess des Rennfahrens. Das Fahren macht ihm fast genau so viel Spass wie das Gewinnen. Für mich dreht sich alles ums Gewinnen. Nur um des Mitfahrens willen in der MotoGP zu bleiben, das ist eine ganz andere Erfahrung als die, für die ich 34 Jahre gelebt habe.
Meine Einstellung hat immer gelautet: Wenn du weißt, dass du nicht gewinnen kannst, dann bleib' lieber gleich daheim.
Während unserer zwei Ducati-Jahre waren wir nicht einmal im selben Rennen wie die Top-3-Fahrer.
Viele europäischen MotoGP-Techniker betrachten den Rennsport einfach als Job. Ich und alle andern Australier, die ich kenne, für uns ging es immer nur ums Siegen.
Wenn ich einfach nur mit dem Rennsport zu tun haben wollte, hätte ich Süd-Australien nie verlassen müssen. Dann hätte ich irgendeinen lokalen Fahrer beim Rundherumfahren in Mallala betreuen können. Vielleicht wären dabei nicht besonders grosse Fähigkeiten gefragt gewesen. Aber Rennen können auch auf einem niedrigen Niveau interessant sein.

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