Le Mans ist reizlos

Kolumne von Michael Scott
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Wen Sie einen Grand Prix besuchen wollen, suchen Sie sich bitte nicht Le Mans aus. Aus vielerlei Gründen.

Le Mans. Zwei Worte, die im Motorsport eine so gewaltige Bedeutung haben. Selbst wir MotoGP-Journalisten, die regelmässig an die Sarthe kommen, werden von diesem Mythos überwältigt. Er schüchtert uns ein.

Die Älteren von uns können den Frankreich-GP in Le Castellet in der Erinnerung abrufen. Ganz im Süden Frankreichs, eine grossartige Piste in einer der schönsten Gegenden der Welt. Kein Wunder, wenn sich viele Fans aufregten, als Bernie Ecclestone den Circuit Paul Ricard an der Cote d’Azur kaufte und ihn in einen sterilen, sündteuren Formel-1-Tempel verwandelte, abgesperrt für die Aussenwelt und damit verloren für die Elite des Motorsports.

Le Mans hat Mitte Mai den 22. Motorrad-GP seit 1969 beherbergt. Der Circuit Bugatti ist keine sehr hinreissende Alternative zu Le Castellet. Das Wetter trägt seit Jahren viel zu diesem Gefühl bei. Selbst Mitte Mai braucht man in der Früh noch Handschuhe und eine Mütze, dazu einen dicken Pullover. Täglich ist mit Regen zu rechnen. Keiner kann sich an drei sonnige Tage hintereinander erinnern.

Der Westen Frankreich stellt nicht gerade das wirtschaftliche Zentrum Frankreichs dar. Und es wird immer übler. Le Mans als Stadt wirkt trostlos, das einzige, was hoch ist, sind die Kriminalitätsraten. Frankreich gilt als Land der Langfinger, beim Le Mans-GP kommen diese Vorurteile deutlich zum Vorschein. Helme und Lederkombis der Fahrer werden jährlich in hohem Ausmass gestohlen, auch Team-Scooter kommen abhanden. Und zu Zeiten der 500er fehlte sogar einmal eine komplette Vergaseranlage an einer Werks-Yamaha, als diese nach einem Defekt neben der Strecke stand. Manche Teams wissen sich nicht anders zu helfen, als bewaffnete Wächter die ganze Nacht rund um ihre Lkw patroullieren zu lassen.

Ausserhalb des Renngeländes sind ganze Armeen von Gendarmen zu sehen. Aber die kümmern sich nicht um Diebe und anderes Gesindel, sondern sie belästigen lieber ordentliche Bürger und halten den Verkehr auf.

Auch der Streckenbesitzer ACO (Auto Club de l’Ouest) macht sich gern unbeliebt. Im Autorennsport gilt dieser Club durch das 24-h-Rennen als unsterblich. Er gilt aber auch als geldgierig, hartnäckig und unbeugsam. So ärgerten sich zum Beispiel beim Motorrad-GP viele Journalisten über ein 90 Euro teures DSL-Internet-Paket für vier Tage. Eine andere Möglichkeit des Internet-Zugangs gab es nicht. In jedem Land der Welt erhält man für diesen Preis monatelang Internet-Anschluss. Hier werden die Medien, die den Namen Le Mans in die Welt hinaustragen, auf ärgerliche Weise geschröpft.

Le Mans ist nicht unbedingt ein lohnendes Ziel für einen GP-Fan. Manche Fans sehen in der Früh auf den Tribünen verkatert aus, beim Verlassen des Presseparkplatzes am Abend fährt man in Schlangenlinien durch besoffene Gestalten. Der billige Rotwein in Plastikflaschen und das Bier haben dann ihre Schuldigkeit getan. Die ganze Nacht werden Motorräder bei Höchstdrehzahl gequält. Man fühlt sich innerhalb und ausserhalb des Rennstreckengeländes bedroht. Wer im Fahrerlager schläft, ist bei diesem Krawall arm dran.

Wie sie sich vorstellen können, habe ich selber in Frankreich schlechte Erfahrungen gemacht. Der Westen Frankreichs ist die einzige Gegend der Welt, wo meine Familie und ich auf der Autobahn attackiert und ausgeraubt wurden. Le Mans ist der einzige GP-Schauplatz der Welt, wo während eines Rennens mein Computer gestohlen wurde. Ich Dummkopf habe die Action auf der Piste beobachtet, statt auf meine Habseligkeiten aufzupassen.

Deshalb meine klare Empfehlung: Wenn Sie einen Motorrad-GP besuchen wollen, suchen Sie sich einen anderen aus. Das macht wirklich Sinn!

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