Lucas Coenen (KTM): Braucht er mehr KTM-Support?

Lucas Coenen holte in Arnheim nach einem Husarenritt 10 Punkte auf
Die WM 2025 geht in ihre Endphase. 3 Grands Prix werden noch ausgefahren. Wie das Fahrerfeld beim Saisonfinale in Australien aussehen wird, wissen wir noch nicht. Das Level in Down Under ist normalerweise hoch, schließlich kommen Jett und Hunter Lawrence von dort, auch wenn sie ihre Sporen in Europa verdient haben. In der Türkei und in China werden wir stark ausgedünnte Fahrerfelder sehen.
Nach dem Stand der Dinge haben jetzt nur noch Romain Febvre und Lucas Coenen intakte Titelchancen. Bei noch maximal 180 (3 x 60) zu vergebenden Punkten ist Glenn Coldenhoff (Fantic) auf Tabellenrang 3 mit einem Rückstand von 218 Punkten bereits aus dem Titelkampf ausgeschieden und alle anderen Fahrer auch.
Red Bull KTM-Werksfahrer Lucas Coenen hat vor zwei Wochen in Uddevalla viel Boden auf Romain Febvre (Kawasaki) verloren. Vor dem schwedischen Grand Prix war er bis auf 9 Punkte an WM-Leader Romain Febvre (Kawasaki) herangekommen. Die WM-Führung und die Übernahme des Red Plates waren für ihn zum Greifen nahe. Aber es folgte ein herber Rückschlag, der schlimmste der Saison. Aus 9 Punkten wurden in Uddevalla 41 Punkte.
Am vergangenen Wochenende in Arnheim, WM-Lauf 17, zeigte Lucas Coenen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Trotz eines Sturzes in Kurve 1 fuhr er bis ganz nach vorne und attackierte den späteren Sieger, Jeffrey Herlings. Er holte 10 Punkte auf, weil Febvre im zweiten Lauf stürzte. Es hätten aber auch 16 Punkte sein können, wenn, ja wenn er die Läufe gewonnen hätte. Er war in beiden Läufen nah dran.
Das Tragische an der gegenwärtigen Situation ist, dass sowohl Herlings als auch Coenen offizielle KTM-Werksfahrer sind. Doch sie starten für unterschiedliche Teams, die ihrerseits um die Gunst ihres Auftraggebers KTM werben. KTM steckt aber nach der Beinahe-Insolvenz selbst noch in Schwierigkeiten und dreht jeden Cent um. Ob es auch künftig noch zwei KTM-Werksteams geben wird, steht in den Sternen.
Jeffrey Herlings hat in diesem Jahr nach seiner Verletzungsunterbrechung keinerlei Titelchancen, aber ausgerechnet er nimmt Lucas Coenen immer wieder wichtige WM-Punkte weg, die ihm und damit am Ende auch KTM zum Titelgewinn fehlen könnten.
Jetzt hat Coenen einen Rückstand von 31 Punkten auf WM-Leader Romain Febvre. Selbst dann, wenn sich Febvre bei einem der kommenden Rennen einen Totalausfall leisten würde, sind diese 31 Punkte schwer aufzuholen, denn er würde in der Türkei oder erst recht in China bei stark ausgedünnten Fahrerfeldern irgendwo auf Platz 15 landen und trotz des Ausfalls trotzdem z. B. noch 6 Punkte einheimsen. Zur Erinnerung: Tim Gajser fiel 2024 im ersten Lauf des China-Grand-Prix mit abgebrochener Fußraste aus und erhielt auf Platz 17 trotzdem noch 4 Punkte.
Angenommen, Coenen würde alle 6 Läufe und sämtliche 3 Qualifikationsrennen vor Febvre gewinnen. In diesem Falle würde Coenen 18 Punkte (6 x 3) aus den Wertungsläufen und 3 Punkte aus den Qualifikationsrennen gutmachen, also insgesamt 21 Punkte. Er braucht aber 31. Damit fehlen mindestens 10 Zähler. Febvre wäre damit Weltmeister.
KTM hat nie eine Stallorder ausgegeben und Herlings zu jedem Zeitpunkt der Saison frei fahren und gewinnen lassen, obwohl er im Gegensatz zu Coenen keine Titelchancen mehr hatte. Im zweiten Lauf des Deutschland-Grand-Prix verlor Coenen 3 Punkte an Herlings. In Kegums waren es 7 (3 pro Wertungslauf und 1 Punkt im Qualifikationsrennen). In Arnheim hätte Coenen 6 Punkte (3 pro Lauf) aufholen können, wenn es eine KTM-Stallorder zugunsten von Coenen gegeben hätte. Lucas hätte mit Stallorder schon heute 16 Punkte mehr auf seinem Konto und sein Rückstand wäre trotz des Uddevalla-Rückschlags in einem Bereich, den er aus eigener Kraft noch aufholen könnte, sofern er 'nur' Febvre besiegt.
Für Lucas Coenen gibt es in den verbleibenden 3 WM-Runden nur noch eine Strategie: Er muss gewinnen und gleichzeitig hoffen, dass Herlings hinter ihm bleibt und ihm den Rücken freihält. Nur so könnte Coenen genügend Punkte gegenüber Febvre aufholen und am Ende Weltmeister werden.
Angenommen, Coenen gewinnt alle verbleibenden Rennen vor Herlings und Febvre. Dann sieht die Rechnung schon ganz anders aus: Coenen würde dann 30 Punkte aus den Wertungsläufen (6 x 5) und 6 Punkte aus den Qualifikationsrennen mitnehmen und hätte damit 36 Punkte gutgemacht, was für den Titelgewinn reichen würde.
Natürlich wird es anders kommen, als die beiden vereinfachten Modellannahmen hergeben. Coenen wird nicht jedes Rennen gewinnen können und auch Febvre wird nicht in jedem Rennen Dritter werden, denn es gibt ja auch noch andere schnelle Protagonisten wie Tim Gajser und co. Aber die beiden Grundannahmen zeigen, dass Coenen jetzt auf die (gewollte oder ungewollte) Hilfe seiner Kontrahenten angewiesen ist. Aus eigener Kraft wird es schwierig werden. KTM hat Stallorder-Strategien bislang strikt abgelehnt. Doch dann wird es mit dem Titel 2025 für KTM schwierig werden. Wie es am Ende ausgeht, bleibt vorerst offen, aber es wird so oder so einen sehr unglücklichen Verlierer geben.
WM-Stand nach 17 von 20 Läufen:
1. Romain Febvre (F), Kawasaki, 835 Punkte
2. Lucas Coenen (B), KTM, 804, (-31)
3. Glenn Coldenhoff (NL), Fantic, 617, (-218)
4. Ruben Fernandez (E), Honda, 523, (-312)
5. Calvin Vlaanderen (NL), Yamaha, 497, (-338)
6. Jeffrey Herlings (NL), KTM, 466, (-369)