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Reiterberger: «Unterschätzt – ich war grün und blau»

Von Ivo Schützbach
«Ich erfülle mir mit dem Sandbahnrennen in Pfarrkirchen einen Kindheitstraum», sagt der dreifache Deutsche Superbike-Meister Markus Reiterberger zu seiner Premiere am kommenden Sonntag.

Straßen- und Bahnrennen haben bis auf die Tatsache, dass um die Wette gefahren wird und die Motorräder zwei Räder haben, nichts gemeinsam. Trotzdem will sich Markus Reiterberger, dieses Jahr zum dritten Mal Deutscher Superbike-Meister geworden und in der Weltmeisterschaft bereits viermal in den Top-7, auf einer Langbahn-Maschine versuchen.

Diese Motorräder haben keine Bremse, beschleunigen auf Sand in unter drei Sekunden von 0 auf 100 km/h, wiegen mit einem 500-ccm-Einzylindermotor nur 82 Kilogramm und leisten zirka 75 PS. Es sind Sprintrennen, bei denen es maßgeblich auf gute Starts ankommt – ähnlich wie bei Dragster-Rennen. Ab einer Bahnlänge von über 800 Metern spricht man bei Sandbahnen von Langbahnen, die längsten Bahnen in Deutschland messen 1000 Meter.

Kommenden Sonntag startet Reiterberger auf der 1000-Meter-Bahn in Pfarrkirchen, 50 Kilometer südwestlich von Passau, in der B-Lizenz, der Nachwuchsklasse. Das gab es seit mindestens 40 Jahren nicht mehr, dass in Deutschland ein Weltklasse-Straßenrennfahrer an einem Bahnrennen teilnahm!

Welch großes Talent Reiti auch auf einer Sandbahnmaschine hat, sah man vor zwei Wochen, als er in Pfarrkirchen zusammen mit dem langjährigen Rennfahrer und heutigen RSC-Clubchef Markus Eibl Starts übte. Die 250 Meter lange Gerade fuhr er zur Übung gleich mal auf dem Hinterrad – auf dem Bike stehend. «Bist deppert, der Junge kann schon Moped fahren», lobte Eibl den 23-Jährigen. «Er muss nur noch zwei Sachen lernen: Starten und dem Sandstrahl aus dem Weg gehen. Reiti hat bestimmt 30 Starts gemacht, mit uralten Kupplungsfedern. Da haben wir dann erst mal neue reingebaut. Auch am Getriebe seines Motorrads müssen wir noch was machen, das schaltet viel zu langsam.»

«Einmal sind wir zusammen gestartet, da bin ich ihm dann am Kurveneingang innen reingefahren und habe ihn abgestrahlt – da hat’s ihm gleich alle Abreißscheiben auf einmal weggehauen», grinste Eibl. «Den Speed hat Reiti für die B-Lizenz sicher und beißen kann er auch. Der wird nicht einfach aufgeben, wenn er einem am Hinterrad hängt.»

Unterschiede am Start

Reiterberger fuhr 2016 für das Team Althea BMW Superbike-WM, nach drei Events 2017 wechselte er zurück in die Deutsche Meisterschaft, weil Althea nicht auf seine Wünsche einging. Als natürliches Arbeitsgerät ist er die in WM-Konfiguration zirka 225 PS starke BMW S1000RR gewohnt.

«Mit dem Superbike braucht man 2,7 bis 2,9 sec von 0 auf 100 km/h, bei einem guten Start vielleicht mal 2,6 sec», erzählte Reiterberger im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Mit dem Straßenmotorrad muss man mit schleifender Kupplung starten, sonst überschlägt es dich oder der Motor geht aus. Die Launch-Control wird so eingestellt, dass immer das Maximale ausgenützt wird zwischen Wheelie und durchdrehendem Hinterrad. Ich als Fahrer bringe ganz viel Gewicht nach vorne, Kopf nach unten. Das ist wie auf dem Sandbahn-Motorrad. Mit der BMW hab ich noch einen Fuß auf der Hinterradbremse, um die Wheelies auszugleichen. Im ersten Gang musst du bei der Straßenmaschine Leistung wegnehmen und die Drehzahl limitieren, sonst hast du so brutale Wheelies, dass du nur am kämpfen bist, dass es dich nicht überschlägt.»

«Starten kann ich recht gut, da habe ich ein gutes Gefühl», meint der Obinger, der auf der Sandbahn auf jegliche elektronische Hilfen verzichten muss und auch nicht mit schleifender Kupplung losbraust, sondern diese beim Start hart reinknallen lässt. «Ich bin schon so viele unterschiedliche Mopeds gefahren, ich kann mich schnell adaptieren. Vor dem Starttraining mit Eibl bin ich nur mit dem Speedway-Motorrad gestartet, habe in Landshut und Olching aber schon einige Starts gemacht. Eibl hat mir Anleitung gegeben, wie man mit dem Langbahnbike startet, das ist wieder ganz anders. Er zeigte mir, wie ich mich hinsetzen soll und wie ich das Moped zwischen den Knien einzwicken muss. Ich habe das vorab schon studiert bei den ganzen Fahrern, theoretisch wusste ich wie das geht – aber praktisch ist halt doch was anderes. Zum Schluss bin ich ganz gut gestartet – wie es am Startband ist, wenn fünf andere neben mir stehen, muss ich schauen.»

Von den Geheimnissen, wie man sich am Startplatz jene Stelle aussucht, die beste Traktion bietet, hat Reiti vor seinem ersten Bahnrennen logischerweise keine Ahnung. «Ich schaue mir am Sonntag während des Startbandtrainings mal an, wie das die schnellen Fahrer aus der I-Lizenz machen», bemerkte der Rookie. «Leute wie Smolinski, Venus und Eibl kenne ich, die werden mir hoffentlich etwas helfen.»

Blindflug im Sandstrahl

Ebenfalls neu ist für den Straßenrennfahrer der Sandstrahl, aufgewirbelt vom Hinterrad des Vordermanns – im schlimmsten Fall von fünf Gegnern. Dieser tut nicht nur sehr weh, er raubt einem Fahrer auch die Sicht. Um den Strahl herumzufahren, erfordert viel Übung und Erfahrung. «Als ich dem Eibl im Training in den Strahl gefahren bin, das war brutal», hielt Reiterberger fest. «Ich habe mir den Helm so hergerichtet, wie es alle Bahnfahrer haben: Motocross-Brille mit Flipperscheiben und davor ein paar Plexiglasscheiben, die an den Helmschirm geklemmt werden. Das funktioniert gut, so kannst du für freie Sicht sorgen. Als ich aber dem Eibl in den Strahl fuhr, hat es mir alle Schilder weggerissen und ich habe nichts mehr gesehen, das war der Hammer. Mich hat’s fast vom Karren runtergehauen, ich war grün und blau. Das habe ich komplett unterschätzt – aber ich hab’s verstanden.»

Wer denkt, dass für einen Straßenrennfahrer, der in der Superbike-WM Rennen über 35 Minuten absolviert, vier Runden in nicht einmal 90 Sekunden, im Fall von Pfarrkirchen sind das 4000 Meter, ein Spaziergang sind, täuscht sich. Reiti: «Auf der Straße kann ich mich darauf einstellen, dass ich locker leicht durchfahren kann. Auf der Bahn habe ich viel zu wenig Erfahrung und kann nicht so technisch fahren, um mir das Ganze zu erleichtern. Da muss ich viel mit Kraft machen, die drei oder vier Runden haben es in sich. Das ist richtig anstrengend. Ich meinte am Anfang auch, dass man die drei Runden easy durchfährt, aber das Gegenteil ist der Fall. In der Kurve musst du dich an dem Karren richtig festhalten. Da darf dir nicht die Kraft ausgehen, sonst fährst du in die Bretterwand. Das ist was ganz anderes als auf der Straße, wo man kurz in die Auslaufzone fährt.»

Speziell vorgenommen hat sich der Sandbahnanfänger nichts für seinen Auftritt in Pfarrkirchen am Sonntag (10. September). «Für mich ist das ein Kindheitstraum», schmunzelte Reiterberger, gelernter Zweiradmechaniker. «Ich wollte ursprünglich Sandbahnfahrer werden, bin dann aber Straßenrennfahrer geworden – was auch nicht so schlecht ist. Ich habe lange gespart, dass ich mir so ein Moped kaufen konnte. Mit viel Unterstützung haben wir das Moped aufgepeppt, mal schauen was geht. Die Basis von Richard Speiser war gut, ich hab den Motor noch mal überholt. Zusammen mit Markus Eibl überarbeite ich jetzt noch das Getriebe, dass es schneller schaltet. Das wird ein geiles Gerät.»

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