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Exklusiv: Tiefer Blick in Toprak Razgatlioglus Kopf

Von Ivo Schützbach
Nach neun Superbike-Rennen in der Saison 2022 steht Weltmeister Toprak Razgatlioglu (Yamaha) noch ohne Sieg da. Sein Manager Kenan Sofuoglu gewährt uns einen sehr intimen Blick hinter die Kulissen.

In acht von neun Rennen in dieser Saison stand Toprak Razgatlioglu auf dem Podium, doch gewonnen hat der 18-fache Laufsieger noch nicht. In Assen hatte er das Zeug dazu, doch im zweiten Hauptrennen kam es zu einer Kollision zwischen dem Türken und Rekordchampion Jonathan Rea (Kawasaki) – beide landeten im Kiesbett.

In Estoril hätte Toprak zweimal gewinnen können. Aber im ersten Rennen am Samstag wurde er aus der letzten Kurve heraus von Alvaro Bautista (Ducati) überrumpelt und unterlag um 0,126 sec. Und im Sprintrennen am Sonntagvormittag wäre Razgatlioglu beinahe in der letzten Runde in Führung liegend gestürzt. Nur dank eines bewundernswerten Saves in bester Marquez-Manier konnte er hinter Rea Zweiter werden.

Hätte, Wenn und Aber zählen im Rennsport nicht, schon gar nicht für einen Champion. Nach den ersten drei Events hat Razgatlioglu bereits 52 Punkte Rückstand auf WM-Leader Bautista.

SPEEDWEEK.com setzte sich mit Topraks Manager, Freund und Mentor Kenan Sofuoglu zusammen, der fünffache Supersport-Weltmeister gewährte einen sehr privaten Blick ins Innenleben seines Schützlings.

«Dass Toprak letztes Jahr Weltmeister wurde, hat dafür gesorgt, dass ihn Yamaha, die SBK-Organisatoren, Freunde und Menschen um ihn herum wie einen Star behandeln», fiel Sofuoglu auf. «Das ist meine Meinung, vielleicht stimmt er dieser nicht zu. Aber das alles hatte Auswirkungen auf ihn, er startete nicht sehr gut in die Saison. Ich verbringe viel Zeit mit ihm. Und er hat zum Beispiel nicht mehr so trainiert, wie er das früher tat. Ich trainiere mit Toprak, Bahattin Sofuoglu, Can und Deniz Öncü und war nicht sehr glücklich darüber, wie Toprak das Training anging. Er hat genug trainiert, darum geht es nicht. Ich rede davon, wie er das Training abspulte. Als ich Rennen fuhr, war ich der Erste beim Training. Ich habe Toprak gesagt: Wenn irgendetwas wichtiger ist als dein Job, dann kannst du keine Rennen gewinnen. Wenn er später kommt oder früher geht. Dann kann er noch so viel trainieren. Er muss an den Rennsport denken, mehr als an alles andere, bis er abends ins Bett geht.»

«Johnny ist sehr hungrig in diese Saison gestartet und auch Bautista auf der Ducati ist sehr motiviert», ergänzte Kenan. «Das konnte ich während der ersten beiden Events bei Toprak nicht sehen. Mir ist auch im Privatleben aufgefallen, dass er weniger über den Rennsport und dafür mehr über andere Dinge spricht. Ich habe ihm gesagt, dass er mit den Füßen auf dem Boden bleiben muss. Egal, was er anzieht oder welches Auto er fährt, er muss im Training Bahattin schlagen, er ist momentan der Schwächste meiner Fahrer.»

Zwischen Assen und Estoril haben sich Sofuoglu und Razgatlioglu intensiv unterhalten und in aller Offenheit analysiert, was in den ersten beiden Saison-Events schieflief. «Anschließend war er jeden Tag der Erste an der Trainingsstrecke und hat gearbeitet, gearbeitet und gearbeitet», verdeutlichte Kenan. «In Estoril war Toprak wieder sehr hungrig, das freut mich als seinen Lehrer und Bruder. Er war genauso hungrig wie Johnny. Auch wenn er nicht gewonnen hat, fuhr er sehr gute Rennen. Das waren Rennen, wie wir sie sehen wollen. Jetzt hat Toprak seine Motivation zurück, das braucht ein Fahrer.»

In Estoril sagte Razgatlioglu, dass er beim Bremsen jetzt wieder das nötige Vertrauen zum Vorderrad der Yamaha habe, welches ihm in Aragon und Assen fehlte. «Natürlich arbeitet das Team permanent an Verbesserungen», hielt Sofuoglu fest. «Aber wenn ein Fahrer eine gute und starke Mentalität hat, und hungrig und bereit für den Kampf ist, dann ist das das beste Set-up und zählt viel mehr als das Motorrad selbst. Nur hart trainieren reicht nicht, um Rennen zu gewinnen. Es kommt darauf an, wie du lebst, denkst, arbeitest und dein Geld ausgibst. Ich habe ihn kritisiert, dass er noch nie probiert hat, den Rundenrekord auf meiner Rennstrecke in der Türkei zu brechen, er kauft sich lieber schöne Sachen. Ich habe immer an mir gearbeitet, um mich zu verbessern. Genau das will ich von ihm sehen. Jetzt ist er wieder geerdet. Er hat hart gearbeitet, wurde dafür mit Resultaten belohnt und ist sehr glücklich darüber. Und ich bin sehr stolz auf ihn, er hat alle meine Anweisungen befolgt und sie zahlen sich aus.»

Eine Trainingsanekdote erzählte der 37-Jährige zum Abschluss: «Toprak bekommt von mir immer das schlechteste Material, die schlechtesten Reifen. Das führt dazu, dass er alles geben muss. Er mag es nicht, wenn ihn die anderen schlagen. Ich erklärte ihm dann, dass das egal ist. Er muss mit schlechten Reifen fahren und ins Schwitzen kommen, damit er den anderen hinterherkommt. Er klagte, dass er das nicht will, dass er das Training genießen will. Genuss hilft ihm aber nicht dabei stärker zu werden. Jetzt trainiert er wieder genauso, wie ich es ihm sage.»

 


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