Der Traumfänger
Weltmeister Checa kann es selbst nicht glauben
Träume sind Schäume sagen die traurigen Fälle, welche rücksichtslos die grossen Ambitionen anderer pulverisieren. Diese vertrockneten Früchte an der menschlichen Rebe sind davon überzeugt, dass Träume nur etwas für junge oder naive Menschen, die zeitlebens nur Träumer bleiben werden, sind. Sei realistisch, sei zynisch – werde erwachsen.
Am Sonntag, dem 2. Oktober, erfüllte sich endlich ein langersehnter Traum für einen Mann, der nicht wirklich jung und keinesfalls naiv ist. Carlos Checa krönte sich zum ersten spanischen Weltmeister in der Geschichte der Superbike-WM.
Es hat lange Zeit gedauert – oder auch nicht, sagt Carlos, was ihn angeht, ist es relativ – aber der Titelgewinn wäre bei Weitem nicht so süss und bedeutsam für Checa, wenn er ihn bereits im Alter von 25 und nicht wie jetzt mit stolzen 38 Jahren eingefahren hätte.
Es ist möglich, worauf Checa mehrmals anspielte, dass er all die Jahre einfach nicht in der Lage war, so etwas zu vollbringen. Er besass nicht genug Reife und war nicht vollkommen ausgeglichen... oder nicht glücklich genug?
Tatsache ist, dass er sein Ziel in der 500-ccm-Klasse und später in der MotoGP-Klasse, abgesehen von all dem Schmerz und den wenigen guten Chancen, nicht annähernd erreichte. Es hatte den Anschein, als bliebe sein Traum, wie für die meisten Fahrer, unerfüllt – ein Traum, der nie mit einer Trophäe von Weltrang gekrönt wird.
Für Checa machte der Wechsel in die Superbike-Weltmeisterschaft den Unterschied aus. Wie schon viele andere MotoGP-Piloten zuvor, verkörperte Checa den Inbegriff von Anspannung und absoluter Ernsthaftigkeit. In der Königsklasse köchelt immer ein Tagesplan auf dem Herd. Die Fahrer neigen dazu, immer etwas zu oft zu bekräftigen, wie ernst es ihnen ist, um zu zeigen, wie sehr sie siegen wollen. In der Saison 2011 sah man Carlos Checa während der Rennwochenenden der Superbike-Weltmeisterschaft oft lachen, und er gewann zugleich auch fast ohne Unterbrechung.
Der einfache Grund dafür liegt auf der Hand, denn als Carlos, der MotoGP-Flüchtling, in die Superbike-WM kam, fand er eine vollkommen andere Atmosphäre vor. In den führenden Teams ist das Verlangen zu siegen und die Ernsthaftigkeit, was die Arbeitsmoral an der Spitze angeht, im Vergleich zur MotoGP-Klasse ziemlich ausgeglichen. Aber im Paddock der Superbike-Weltmeisterschaft herrscht mehr Ungezwungenheit und Offenheit. Auch unter den Fahrern.
Deshalb wurde Checa, obwohl er in seinen ersten beiden Jahren bei Honda und Ten Kate Höhen und Tiefen erlebte, stets nahezu bedingungslos als Person und Fahrer mit Ambitionen anerkannt.
Diese Atmosphäre und die vielen Jahre, in denen er seine Ziele nicht erreichen konnte, führten zu der Einsicht, dass er in der MotoGP-Klasse nie seinen Plan erfüllen würde. Doch hier eröffnete sich ihm nichts Geringeres als eine zweite Chance für seine Karriere. Ein zweiter Versuch, seinen Traum zu verwirklichen.
Der Wechsel in das Privatteam Althea Ducati im Jahr 2010 sollte sich als eine Liebesbeziehung zwischen dem katalanischen Rennfahrer und einer metallenen Italienerin, die zwei dröhnende Argumente besitzt, erweisen. Das Ducati-Werk schätzte Carlos auf Grund ihrer Zusammenarbeit im Grand-Prix-Zirkus, aber im Jahr 2010 liess sich in der Superbike-WM keine Werksmaschine finden. Doch Carlos machte stets deutlich, dass er keine Werks-Ducati braucht, um das Beste aus der 1198 herauszuholen.
Als sich 2011 das Ducati-Werksteam offiziell aus der Superbike-WM zurückzog, profitierte das führende Privatteam davon und erhielt einige verbesserte Teile und Unterstützung durch Insider. Checa beendete nun die Generalprobe und legte fortan ein bühnenreifes Schauspiel in einer Althea Ein-Mann-Show hin. Er konnte mit der Abstimmung der Maschine für 2011 spielen, und es schien keinen Unterschied zu machen, auf welcher Strecke oder mit welcher Mannschaft. Carlos arbeitete zwar das ganze Wochenende hart, aber er machte stets den Eindruck, als würde er sein Leben währenddessen geniessen.
Checa zeigte, wenn es zählte, nahezu fehlerfreie Rennen, den unbegrenzten Willen, sein Set-up zu verbessern und die Reifenwahl zu perfektionieren. Zu dem kam ein Bike, das seinem unvergleichlich sanften Fahrstil entgegenkam. Dies ist das Handwerkszeug, welches Althea Ducati benötigte, um Checa zu helfen, 2011 seinen eigenen Traumfänger zu gestalten.