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Toprak Razgatlioglu – und das geniale Hirn neben ihm

Von Kay Hettich und Ivo Schützbach
Phil Marron (li.) mit Toprak Razgatlioglu

Phil Marron (li.) mit Toprak Razgatlioglu

Seit sechs Jahren arbeitet Phil Marron als Cheftechniker von BMW-Star Toprak Razgatlioglu. Der Nordire gibt einen interessanten Einblick in die Arbeit mit dem wahrscheinlich bald zweifachen Superbike-Weltmeister.

Die Top-Piloten der Superbike-WM haben enge und langjährige Beziehungen zu ihren Cheftechnikern. Bei Álvaro Bautista (Ducati) ist das Giulio Nava, an der Seite von Jonathan Rea war das bis zu seinem Wechsel zu Yamaha der ehemalige Rennfahrer Pere Riba. Und bei Toprak Razgatlioglu sorgt Phil Marron für den nötigen Rückhalt und die richtigen Entscheidungen. Der Ire war bereits bei Puccetti Kawasaki für Toprak verantwortlich, folgte ihm dann zu Yamaha und für 2024 und 2025 zu BMW.

Angefangen hat Marron, der eigentlich eine Karriere als Profi-Fußballer anstrebte, als Handlanger bei den Laverty-Brüdern, denn Marron ist mit deren Schwester verheiratet. «Sie hatten Heizdecken um die Reifen gelegt und eines Tages sagte Michael zu mir: ‚Nimm das ab und leg sie zusammen’ – dabei war ich nur zum Zuschauen da», erinnerte sich Marron an die Anfänge.

Mit der Zeit arbeitete sich der gelernte Elektroniker vom Handlanger zum Mechaniker bis zum Cheftechniker von Michael und Eugene Laverty und in die Superbike-WM nach oben. Nach der Saison 2018 nahm seine Karriere eine Wendung, als er von Kenan Sofuoglu überredet wurde, an die Seite von Toprak Razgatlioglu bei Puccetti Kawasaki zu wechseln.

«Wir kamen mit gebrochenem Englisch zurecht, aber davor hat er nur mit Italienern gearbeitet, das vergrößerte die Sprachbarriere zusätzlich. Also haben Toprak und ich in den ersten Wochen viel Zeit miteinander verbracht und ich habe versucht, ihn aufzubauen», erzählte Marron. «Er ist sehr intelligent und begreift die Dinge rasch, aber beim Sprechen fehlte ihm das Selbstvertrauen, besonders wenn er etwas wiederholen muss. Aufgrund seines Akzents forderten ihn die Leute in neun von zehn Fällen auf, etwas zu wiederholen. Aber er ist ein schüchterner Kerl, also hat er am Ende immer weniger gesprochen.»

«Toprak ist ein liebenswerter Junge, in ihm steckt etwas wirklich Nettes und Freundliches. Allerdings war er 2019 nicht fit. Wir hatten ein Rennen in Buriram in Thailand – bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit. Alle schwitzten, wenn sie nur herumstanden. Er kam nach einem Run in die Garage und war so rot wie dieser kleine Clio», zeigte Marron auf ein geparktes Fahrzeug. «Ich erinnere mich, dass ich gefragt habe, ob er jemals ins Fitnessstudio gegangen sei. Er antwortete ‚ich gehe, wenn es regnet – aber es gefällt mir nicht.’ Wie oft regnet es in deiner Heimat? ‚Zweimal im Jahr.’ Er weiß, dass er lustig ist. Zuerst zeigt er dir ein ausdrucksloses Gesicht und dann ein kleines Grinsen.»

Marron folgte dem Türken 2020 zu Yamaha, gemeinsam gewannen sie im zweiten Jahr die Superbike-Weltmeisterschaft. Die menschliche Komponente spielte dabei eine wichtige Rolle. «Ich versuche, meine Crew so ruhig wie möglich zu halten. Toprak beobachtet die Jungs, die am Motorrad arbeiten. Wenn er sieht, dass sie hektisch sind, wird er es auch und er kann einen Fehler machen», erklärte Marron. «Ich habe das schon vor einigen Jahren gehört und es ist mir im Gedächtnis geblieben: Wer es eilig hat, hat entweder einen Fehler gemacht oder wird einen machen. Also sollen alle cool bleiben, wenn Toprak in der Garage ist.»

Als sich Toprak im Mai 2023 dazu entschloss zu BMW zu gehen, nahm er Marron sowie Russell Joyner und Ondrej Kocourek von Yamaha mit. «Ich habe meine Zeit mit diesen Jungs immer genossen», streute der WM-Führende Rosen. «Phil war immer an meiner Seite, es war nicht einfach, zwei meiner Mechaniker zu einem anderen Team mitzunehmen. Ich habe BMW gefragt, ob das möglich ist, und bin sehr glücklich, dass das funktioniert hat. Ich bin auch mit meinen Jungs von BMW sehr zufrieden, sie sind alle sehr warmherzig. Ich kann mich auch glücklich schätzen, dass ich mit Michael van der Mark arbeiten darf, er ist der beste Teamkollege, den ich mir vorstellen kann. Wir arbeiten sehr gut zusammen, das ist wichtig.»

Mit Toprak im Sattel wurde die M1000RR innerhalb kürzester Zeit zu einem siegfähigen Paket – BMW respektierte die Wünsche der Nummer 54 und setzte sie technisch um.

Beim ersten Event in Australien brauste der 28-Jährige einmal als Dritter aufs Podium. Beim Europa-Auftakt in Barcelona gewann er zwei Rennen. Und ab dem zweiten Hauptrennen in Assen Ende April fuhr er 13 Siege in Folge ein, was keinem Superbike-Piloten zuvor gelang.

Dann kam der schwarze Freitag Anfang September in Magny-Cours, als sich Toprak bei einem schlimmen Sturz eine Lungenverletzung zuzog und anschließend sechs Rennen verpasste.

Vor dem WM-Finale in Jerez an diesem Wochenende liegt er dennoch 46 Punkte gegenüber Nicolo Bulega (Aruba.it Ducati) voraus – und es gibt nur noch 62 zu holen. Verliert der Gigant aus der Türkei am Samstag im ersten Rennen neun Punkte oder weniger auf Bulega, dann ist er vorzeitig Weltmeister. Kommt er vor dem Rookie ins Ziel, dann sowieso.


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