KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Schlosser/Fries Nachfolger von Biland/Waltisperg

Von Helmut Ohner
27 Jahre nach Biland/Waltisperg konnte wieder sich ein Schweizer Seitenwagen-Team die WM-Krone sichern. Obwohl sie acht von 15 Rennen für sich entscheiden konnten, mussten Schlosser/Fries am Ende nochmals zittern.

Mit Fritz Scheidegger (1965 und 1966), Bruno Holzer und Karl Meierhans (1979) und Rolf Biland (1978, 1979, 1981, 1983, 1992, 1993 und 1994), Kurt Waltisperg (1979, 1981, 1983, 1992, 1993 und 1994) und Adolf Hänni (2010, 2011, 2013) als Weltmeister kann die kleine Schweiz in der Seitenwagen-WM auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken und das, obwohl seit dem Unglück beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans 1955, das über 80 Leben forderte, Rundstreckenrennen verboten sind. Dieses Jahr schafften es Markus Schlosser und Marcel Fries diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.

Mit 18 Jahren saß Markus Schlosser 1990 bei einem Bewerbrennen erstmals in einem Seitenwagen, aber nicht als Fahrer, sondern an der Seite seines Vaters Franz als «Plampi», wie der Beifahrer in der Schweiz genannt wird. Im Jahr darauf übernahm er das Steuer und wieder ein Jahr später hatte er mit Adolf Hänni bereits die Meisterschaft in seinem Heimatland gewonnen. 1994 folgte nicht nur der zweite Schweizer Meistertitel, sondern mit Rang 13 gab es beim GP der Niederlande in Assen auch die ersten WM-Punkte.

Waren in den Jahren 1995 und 1996 Top-10-Plätze in der Weltmeisterschaft noch an zwei Fingern abzuzählen, schaffte der Berner 1997 den Durchbruch. Beim GP von Spanien kratzte er als Vierter erstmals am Podium. Die erste Top-3-Platzierung fuhr er mit Daniel Hauser 1998 beim Großen Preis von Österreich. Wie später in Tschechien beendete er das Rennen an der zweiten Stelle. Am Ende des Jahres hatten nur Steve Webster und Klaus Klaffenböck mehr auf ihrem Konto als Schlosser.

Bis zum ersten Sieg musste Schlosser, der sich zwischenzeitlich aus dem Sport zurückgezogen hatte, geduldig sein. 2007 war es dann für den Schönbühler (Kanton Bern) endlich soweit. Nach dem zweiten Rennen in Schleiz durfte er endlich auf die oberste Stufe des Siegertreppchens steigen. Noch Jahre später bezeichnete sein damaliger Beifahrer Adolf Hänni die Siegerehrung als die emotionalste in seiner Karriere. Die Weltmeisterschaft wurde wie 1998 an der dritten Position abgeschlossen.

Nachdem er 2016 nach drei weiteren WM-Laufsiegen in Rijeka und Oschersleben – Thomas Hofer «turnte» damals im Seitenwagen – wieder einmal den Helm an den Nagel gehängt und bei seinem jungen Landsmann Lukas Wyssen die Vorbereitung seines Gespannes übernommen hatte, fing der Champion der IDM Seitenwagen der Jahre 2006, 2007, 2009, 2010, 2017 wieder Feuer und das nächste Comeback war fällig.

Bei den acht WM-Läufen des Jahres 2019 kam Schlosser mit seinem neuen «Plampi» Marcel Fries nie schlechter als Vierter ins Ziel, zweimal davon sogar als Zweiter und einmal an dritter Stelle. Hinter Tim Reeves, der sich seinen bereits sechsten WM-Titel geschnappt hatte, dem fünffachen Champion Pekka Päivärinta und den zweifachen Weltmeister Ben Birchall beendete er sein Comeback-Jahr an der vierten Stelle.

So richtig durchstarten konnte der Gustoil-Sidecar-Racing-Team-Pilot mit seiner LCR Yamaha in dieser Saison. Ab dem zweiten Rennen in Le Mans führte er nicht nur die WM-Tabelle an, er vergrößerte den Vorsprung kontinuierlich auf seine Verfolger sogar. Bei acht von den ersten zwölf Läufen hießen die Sieger Markus Schlosser/Marcel Fries, drei Mal wurden sie Zweite. Zum finalen Wochenende reisten die beiden mit 55 Zählern Vorsprung auf Todd Ellis/Emmanuelle Clement an.

Ausgerechnet beim wichtigsten Wochenende lief es in Estoril nicht nach Plan. Bei schwierigen äußeren Bedingungen qualifizierten sich Schlosser/Fries lediglich für die neunte Startposition und im ersten Rennen trafen sie noch dazu die falsche Reifenwahl. Während ihre Gegner im Kampf um die WM-Krone als Dritte kräftig punkten konnten, mussten sie sich mit dem enttäuschenden zwölften Rang abfinden.

Weil die britisch-französische Paarung Ellis/Clement im zweiten Rennen allerdings dem Druck nicht gewachsen war und zwei Dreher zu verzeichnen hatte, hatten Schlosser/Fries ihre Nerven im Griff. Als Dritte holen sich so viele Punkte, dass sie bereits vor dem letzten Rennen als neue Weltmeister feststanden. 27 Jahre nach Biland/Waltisperg und acht Jahre nach Adolf Hänni geht der WM-Titel damit wieder in die Schweiz.

Erfolgsbilanz Markus Schlosser
1992 Schweizer Seitenwagen-Meister mit Adolf Hänni
1994 Schweizer Seitenwagen-Meister mit Giancarlo Cavadini
2006 Deutscher Seitenwagen-Meister mit Bernhard Wagner (A)
2007 Deutscher Seitenwagen-Meister mit Adolf Hänni
2009 Deutscher Seitenwagen-Meister mit Adolf Hänni
2010 Deutscher Seitenwagen-Meister mit Thomas Hofer
2017 Deutscher Seitenwagen-Meister mit Thomas Hofer
2020 Deutscher Seitenwagen-Meister mit Marcel Fries
2021 Seitenwagen-Weltmeister mit Marcel Fries

Schweizer Weltmeister in der Seitenwagen-WM
1965 Fritz Scheidegger mit John Robinson (GB)
1966 Fritz Scheidegger mit John Robinson (GB)
1978 Rolf Biland mit Ken Williams (GB)
1979 Bruno Holzer mit Karl Meierhans
1979 Rolf Biland mit Kurt Waltisperg
1981 Rolf Biland mit Kurt Waltisperg
1983 Rolf Biland mit Kurt Waltisperg
1992 Rolf Biland mit Kurt Waltisperg
1993 Rolf Biland mit Kurt Waltisperg
1994 Rolf Biland mit Kurt Waltisperg
2010 Pekka Päivärinta (FIN) mit Adolf Hänni
2011 Pekka Päivärinta (FIN) mit Adolf Hänni
2013 Pekka Päivärinta (FIN) mit Adolf Hänni
2021 Markus Schlosser mit Marcel Fries

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