Oschersleben: Damoklesschwert über Weltmeisterteam
Am Sonntag wurden nach dem abschließenden Rennen der Seitenwagen-Weltmeisterschaft in der Motorsport Arena Oschersleben nicht nur die Pokale für den Laufsieg an Harry Payne und Kevin Rousseau (Steinhausen Racing) überreicht. Gleich im Anschluss wurden der britisch-französischen Paarung auch ihre Goldmedaillen für die erfolgreiche Titelverteidigung vom FIM-Jurypräsidenten Reszö Bulcsu um den Hals gehängt.
Wie nicht unüblich wurden die Mannschaften, die die Weltmeisterschaft auf den ersten drei Plätzen abgeschlossen hatten, von den FIM-Technikern unter der Leitung von Bernd Schenkhut zur technischen Nachkontrolle gebeten, wobei das Hauptaugenmerk auf die Motore gelegt wurde, die zu diesem Zweck am Donnerstag mit einer Plombe versehen wurden.
Während es bei Schlosser und Christie keine Beanstandungen gab, wurde beim Aggregat von Payne eine mögliche Unregelmäßigkeit festgestellt. «Laut Reglement ist jegliche Bearbeitung der Nockenwelle verboten und es war mit freiem Auge zu erkennen, dass dieses Bauteil bei Steinhausen poliert wurde, worauf ich die sofortige Disqualifikation gefordert habe. Aber das hat man sich nicht getraut», ärgerte sich Schlosser.
«Aus meiner Sicht ist Bernd Schenkhut als oberster Regelhüter des Motorrad-Weltverbandes nicht mehr tragbar, er macht seinen Job nicht richtig! Er hätte sofort reagieren müssen und Payne aus der Wertung nehmen. Alle, die bei der technischen Kontrolle dabei waren, haben es gesehen, dass das Teil nicht original war. Jetzt schickt er die Nockenwelle an ein Institut und versteckt sich hinter deren Entscheidung.»
«Keine Ahnung, warum er das Team Steinhausen schützt. Ich hege schon lange den Verdacht, dass die Motore von ihnen nicht dem Reglement entsprechen. Das habe ich bereits letztes Jahr mehrmals offen ausgesprochen. Für mich ist der Beweis jetzt auf alle Fälle erbracht, dass ich immer schon recht hatte», unterstreicht der Seitenwagen-Weltmeister 2021 unmissverständlich seinen Standpunkt.
«Die Vermessung der Nockenwelle hat keine Abweichungen vom Original ergeben, aber auch mir ist aufgefallen, dass die nitrierten Stellen optisch heller als sonst waren», bestätigte Maik Steinhausen in einem Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Es betrifft allerdings nicht die Stellen, wo sie gelagert sind, oder die Nocken selbst. Es wurde kein Superfinishing, das eine feine und glatte Oberfläche erzeugt, durchgeführt, die einen Vorteil ergeben würde.»
«Mir wurde vom zuständigen Techniker in Frankreich, der den Motor aufgebaut hat, versichert, dass er nichts Unerlaubtes gemacht hat. In Le Mans hatten wir einen Motorschaden und er hat dieses Aggregat neu aufgebaut. Ich habe den Motor bekommen und eingebaut. Ich muss mich als Kunde darauf verlassen, dass die Arbeit ordentlich und nach dem Reglement ausgeführt wurde. Ich kann zuhause ja nicht alles wieder zerlegen und kontrollieren.»
«Die Situation ist für das gesamte Team unangenehm. Wir können jetzt nur abwarten, was diese Überprüfung ergibt. Die Jury wird dann die Entscheidung fällen, ob wir in der Wertung blieben oder nicht. Sollte es zur Disqualifikation kommen, was ich natürlich nicht hoffe, trage ich selbstverständlich die Verantwortung und werde mir Konsequenzen überlegen.»
«Als Techniker kann ich keine Disqualifikation aussprechen», stellt Bernd Schenkhut klar. «Ich habe die Jury davon in Kenntnis gesetzt, dass bei der technischen Nachkontrolle die Möglichkeit eines Regelverstoßes festgellt wurde. Die Nockenwellen wurden von mir einbehalten, verplombt und vom Team Steinhausen bestätigt, dass es sich um ihre Teile handelt. Weil vor Ort keine zweifelsfreie Klärung möglich war, wird von einem unabhängigen Institut eine Expertise eingeholt. Das Ganze kann einige Zeit in Anspruch nehmen.»
Sollte es zur Disqualifikation von Harry Payne und Kevin Rousseau kommen, würden sie ihren WM-Titel an Sam und Tom Christie verlieren und Markus Schlosser/Luca Schmidt an die zweite Stelle nach vorne rücken. Die provisorischen Titelträger müssten sich dann mit dem dritten Endrang abfinden.
Provisorisches Ergebnis, Oschersleben, Hauptrennen, 5. Oktober
1. Harry Payne/Kevin Rousseau (GB/F), ARS Yamaha, 21 Runden in 33:01,591 min 2. Markus Schlosser/Lucas Krieg (CH/D), LCR Yamaha, 8,435 sec zur. 3. Sam Christie/Tom Christie (GB), LCR Yamaha, +16,706 sec. 4. Pekka Päivärinta/Adam Christie (FIN/GB), ARS Yamaha. 4. 5. Patrick Werkstetter/Valentin Pirat (D/F), ARS Yamaha. 6. Rupert Archer/Ondrej Sedlacek (GB/CZ), ARS Yamaha. 7. Kevin Cable/Charlie Richardson (GB), LCR Yamaha. 8. Markus Venus/Thomas Hofer (D/CH). 9. Raymond Leijdekkers/Calvin Leijdekkers (NL), LCR Yamaha. Schnellste Runde: Payne/Rousseau in 1:32,735 min.
WM-Endstand (nach 14 Rennen) unter Vorbehalt:
1. Payne, 278 Punkte. 2. Christie, 243. 3. Schlosser/Luca Schmidt, 239. 4. Päivärinta, 180. 5. Archer, 90. 6. Cable, 84. 7. Todd Ellis/Emmanuelle Clément (GB/F), LCR Yamaha, 83. 8. Werkstetter, 83. 9. Venus, 73. 10. Paul Leglise/Marjorie Cescutti (F), LCR Yamaha, 71. 11. Tim Reeves/Ferry Segers (GB/NL), ARS Yamaha, 67. 12. Joni Manninen/Tero Manninen (FIN), LCR Yamaha, 61. 13. Sam Laidlow/Jack Laidlow (GB), LCR Yamaha, 48. 14. Lewis Blackstock/Oscar Lawrence (GB), LCR Yamaha. 15. Lennard Göttlich/Lucas Krieg (D), ARS Yamaha, 23. 16. Ted Peugeot/Vincent Peugeot (F), LCR Yamaha, und Bennie Streuer/Manon Vissenberg (NL), beide 19. 18. Leijdekkers, 19. 19. Paul Kirby/Ema Salmon (GB/F), LCR Yamaha, 17. 20. Wiggert Kranenburg/Lucas Krieg (NL/D), LCR Yamaha, 16. 21. Robb Biggs/Ferry Segers (GB/NL), LCR Yamaha und Lewis Nicol/Clement Conil (GB/F), LCR Yamaha, beide 7. 23. Rob Atkinson/Mark Middleton (GB), ARS Yamaha, 7. 24. Cyril Vinet/Gerald Vinet (F), ARS Yamaha, 4. 25. Ezra Brouwer/Palmira ter Steeg (NL), R&R Yamaha, 3. 26. Rogier Weekers/Remco Moes (NL), R&R Yamaha, 2. 27. Claude Vinet/Leane Marsal (F), LCR Yamaha, 2.