Toprak: MotoGP-Sitzprobe auf Yamaha

Lennard Göttlich: «Falten Zitronenfalter Zitronen?»

Von Rudi Hagen
Lennard Göttlich und Lucas Krieg auf der ARS Yamaha

Lennard Göttlich und Lucas Krieg auf der ARS Yamaha

Das Team Lennard Göttlich/Lucas Krieg ist Geschichte. Göttlich beendet seine Karriere, Krieg wechselt zu einem anderen Piloten. Die jungen Deutschen waren ein hoffnungsvolles Team in der Sidecarszene.

Lennard Göttlich gab heute am 1. Oktober 2025 über die sozialen Medien Folgendes bekannt: «Am heutigen Tag möchten wir als Team unseren endgültigen Rückzug aus der Weltmeisterschaft mitteilen. Zudem habe ich in Absprache mit meinem Team sowie meiner Familie die Entscheidung getroffen, hiermit meinen Rücktritt aus dem Sidecar-Sport bekannt zu geben. Wir danken allen Sponsoren, Fans und Unterstützern für den Support in den letzten vier Jahren.»

SPEEDWEEK.com sprach jetzt mit Lennard Göttlich aus Eibau in Sachsen. Der 20-Jährige und sein Beifahrer Lucas Krieg belegten in der IDM Sidecar 2024 Platz 3, in der Weltmeisterschaft wurden sie Elfte.

Hallo Lennard, du hast jetzt auf Facebook deinen Rücktritt aus dem Sidecar-Sport bekanntgegeben. Kannst du uns nähere Gründe dafür nennen?

Erstmal ist es so, dass es finanziell nicht mehr so einfach zu bewältigen ist. Großartig rumjammern, so wie der ein oder andere in den letzten Tagen, möchte ich aber auch nicht. Weil, warum sollten mir andere meinen Spaß bezahlen? Wir waren dankbar für jeden Sponsor, haben aber trotzdem rund 75 Prozent selbst finanziert. Wenn es dann irgendwann nicht mehr geht, so wie jetzt, bleibe ich eben zuhause. Das ist okay so.

War das alles?

Nein, mir ging, wie auch meinen Eltern, die den Spaß bezahlt haben, grundsätzlich eben dieser Spaß verloren. Es wird im Gespannsport schon immer viel gebastelt und experimentiert, gern auch am Rande der Legalität und darüber hinaus. Ich habe mitbekommen, wie doof wir eigentlich tatsächlich waren, da einfach einen Motor aus der Kiste reinzubauen, die Elektronik auf dem Prüfstand einzustellen und dann zu glauben, wir wären jetzt technisch gut dabei. Aber wie gesagt, ich will nicht über Jahre hinweg immer wieder groß jammern, deshalb ziehe ich jetzt den Stecker und gut ist.

War das jetzt eine kurzfristige Entscheidung?

Nein, die Entscheidung habe ich nicht von heute auf morgen getroffen. Es war ja viel Zeit seit dem WM-Lauf in Most.

Gilt der Rücktritt auch für Lucas Krieg, deinen Beifahrer?

Nein, Lucas wird weitermachen. Das war auch etwas, was ich mit vorausgesetzt habe. Erst nachdem wir sichergestellt haben, dass es für ihn in einem guten Team auf WM-Niveau weitergeht, habe ich das mit meinem Rücktritt kommuniziert.

Wie beurteilst du den momentanen Zustand in der Sidecar-Szene?

Eigentlich ganz in Ordnung. Klar wird immer über mangelnden Nachwuchs gejammert, aber hey, wir waren ja da. Gejammert und gemeckert wird, wie überall, immer viel, aber am Ende siehst du trotzdem die gleichen Teams bei den gleichen Veranstaltungen immer und immer wieder. Das spricht für den Sport, die Leidenschaft der einzelnen und das Engagement. Dass mal jemand komplett den Stecker zieht und wirklich nicht mehr wiederkommt, so wie ich, ist eher selten der Fall. Eine richtige Krise in dem Sinne gibt es meiner Meinung nach nicht. Und wenn, wäre das dann eben der Normalzustand. Auch in Ordnung, es funktioniert ja so seit vielen Jahren.

In der Internationalen Sidecar Trophy sind viele Gespanne am Start, die IDM kam mangels Bewerber nicht zustande. Warum?

Ich denke das liegt daran, dass der Schritt von der Sidecar-Trophy in den, ich nenne es mal ‚professionellen’ Bereich, doch extrem groß ist. Gern wird das auch unterschätzt. Also brauchst du Technik auf dem neuesten Stand, musst jedes Wochenende das maximale Reifenkontingent ausschöpfen, hast nur die besten der Welt um dich und am Ende gewinnst du die Sidecar-Trophy, so wie ich 2021, und bekommst dann aber trotzdem bei den ‚großen Jungs’ ordentlich eine mit. Irgendwo ist es aber auch gut so, dass die Top-Liga einem alles abverlangt. Es würde auch keiner mehr gern ins Fußballstadion gehen, wenn die 1. Bundesliga 34 Vereine hätte, davon zehn aber jedes Wochenende zweistellig verlieren.

Die WM ist letztlich wohl zu teuer um vorne mitzufahren, oder?

Zu teuer ist natürlich in diesem Kontext eine rein subjektive Betrachtung. Für die einen sind schon 500 Euro teuer, für die anderen 5000 Euro. Aber klar, vor allem der technische Anspruch treibt die Kosten enorm in die Höhe. Es wird beispielsweise ständig suggeriert, dass es keine Motorschäden mehr gibt und wir ein Reglement haben, wo alle mit den Motoren auf dem gleichen Stand sind, sodass alle die gleiche Leistung haben.

Und das ist falsch?

Wer das dann glaubt, ist wahrscheinlich auch davon überzeugt, dass der Zitronenfalter Zitronen faltet. Motorschäden gibt es, wie zuletzt in Assen bei einem Team sogar zwei an einem Wochenende, zu genüge. Uns ist das auch schon so ergangen. Es braucht viel Geld, Zeit und Nerven, um da ein System zu finden, das einwandfrei funktioniert. Und zum Thema gleiches Material: Lucas ist als Ersatz bei einem anderen WM-Team mitgefahren, ohne hier jetzt konkret Namen zu nennen. Danach sagte er zu mir, dass es sich bei unserem Gespann im Vergleich zu dem anderen Team anfühlt, als würden wir auf einer 300er sitzen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – fahren wir doch alle alte, ausgelutschte Standard-Motoren, nicht wahr?

Hast du Verbesserungsvorschläge für den Sidecar-Sport oder anders gesagt, wie würdest du ihn dir wünschen?

Klingt böse, ist aber nicht so gemeint: Ich bin froh, dass ich mich damit nicht mehr beschäftigen muss.

Bleibst du im Motorsport und wenn ja, in welchem Bereich?

Um ganz ehrlich zu sein, habe ich mir darüber kaum Gedanken gemacht. Durch Smilla [Lennards Schwester] werde ich mit Sicherheit ein paar Mal an der ein oder anderen Rennstrecke sein, da aber nur in unterstützender Funktion. Auf gut deutsch, zum Felgen putzen. Denn Smilla kann ich eh nichts mehr großartig beibringen.

Welche Höhen und welche Tiefen gab es für dich in den letzten Jahren im Sidecar-Sport?

Das Beste kam bei uns nicht zum Schluss, sondern gleich zu Beginn. Wir haben in unserem ersten Jahr die Sidecar-Trophy gewonnen. Ich habe auch letztens auf Wikipedia gelesen, dass ich mit 16 Jahren und 200-irgendwas Tagen der jüngste Fahrer bin, der jemals eine Sidecar-Meisterschaft gewonnen hat. Tiefs hatten wir leider zum Schluss das größte. Ich wollte eigentlich meine Karriere nicht mit einem Motorschaden im FP1 von Most beenden, aber manchmal soll es halt nicht sein.

Ich nehme an, du setzt Prioritäten in dein Studium. Wie weit bist du da und welche beruflichen Ziele hast du?

Mittlerweile bin ich im 3. Semester im Bachelor of Arts Public Management, also im Prinzip Verwaltung, BWL und VWL, sowie öffentliches und privates Recht. Was ich nach dem Studium mache, kann ich dir im Moment nicht wirklich beantworten.

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