FIM-Reglement für E-Bikes wirft Fragen auf
Bei der am 18. Oktober beginnenden Supercross-WM wird es eine Neuheit geben: Erstmals werden im Supercross-Wettbewerb Elektro-Motorräder gegen die üblichen Verbrenner antreten. In weniger als 10 Jahren (2035) soll es in der EU ein Verbrennerverbot für Neuzulassungen geben, wovon allerdings das Militär und Motorräder nicht betroffen sind.
Das Reglement bei Verbrennungsmotoren ist abgesehen von Details wie Zweitakt- und Viertakttechnik eindeutig durch den Hubraum definiert. Ein Antrieb mit Elektromotoren verfügt jedoch über andere Parameter und Kennzahlen. Wegen des breiten verfügbaren Drehzahlbereichs benötigt ein E-Bike kein Schaltgetriebe, sondern nur ein Übersetzungsgetriebe. Die Leistungsparameter sind von der Bordspannung, den Motoren und dem Leistungsvermögen der Batterie abhängig.
Dass nun also Motorräder mit Verbrennungsmotoren gegen E-Bikes antreten, ist aus technischer Sicht ein Anachronismus. Doch die FIM will bei der Supercross-WM E-Bikes im Feld sehen und hat nun das Reglement vorgelegt (Link zum Original am Ende des Artikels). Darin geht es überwiegend um elementare Sicherheitsstandards. Hauptproblem ist der Einsatz hoher Spannungen von mehreren hundert Volt.
Aus sportlicher Sicht brisant ist folgender Abschnitt (04 Technical Verifications, Seite 13): «Der Technische Direktor der FIM kann nach den technischen Parametern wie Batteriespannung, Strom usw. fragen.» Das ist zunächst nichts Besonderes und wäre vergleichbar mit einer Hubraumüberprüfung bei Verbrennungsmotoren. Interessant ist der folgende Satz: «Sofern erforderlich, kann das Motorrad in Abstimmung mit den anderen Beteiligten in seinen Leistungswerten begrenzt werden.»
Mit dieser Klausel will die FIM vermutlich dem eher unwahrscheinlichen Fall vorbeugen, dass die E-Bikes den anderen Motorrädern um die Ohren fahren, weil sie z.B. bedingt durch ihre Antriebstechnik am Start die Leistung effizienter auf den Boden bringen. Wird das E-Bike zu schnell, so kann der technische Direktor eine Leistungsbegrenzung anordnen. Ob es zu dieser Maßnahme kommt, werden wir erst in den Wettkämpfen sehen, aber der Passus zeigt, dass es eben nicht so einfach ist, Technologien ohne Weiteres in einem sportlich fair ausgetragenen Wettkampf gegeneinander antreten zu lassen.
Nachfolgend eine Zusammenfassung:
Spezifikationen:
- Energie-Rückgewinnungssysteme sind ausdrücklich erlaubt. Jegliche extern zugeführte Energie zur Leistungssteigerung ist verboten.
- Gefahren durch Stromschläge müssen ausgeschlossen sein, insbesondere auch unter Fehlfunktionen oder bei Nässe.
- Kein Zugang zu spannungsführenden Teilen, Abdeckungen dürfen nur mit Werkzeug entfernbar sein.
- Crash-Erkennungssysteme sind Pflicht.
- Sicherheitsunterbrecher (Emergency Stop) müssen vorhanden sein.
- Schutzart IP66D (staub- und spritzwasserdicht) für alle Komponenten. Kabel und Stecker müssen unfallfest gesichert werden.
- Sicherungen (Trennschalter, Überstromschutz) sind notwendig und dürfen nicht den Not-Aus ersetzen. Sie müssen innerhalb des Batteriepakets installiert werden.
- Warnsymbole für Hochspannung (gelbes Dreieck mit Blitz) sind Pflicht, ebenso orange Kennzeichnung von Hochspannungskabeln.
- Ein zweiter Stromkreis (z. B. für Systemkomponenten wie Licht) darf max. 60 V DC oder 30 V AC haben und darf nicht für Antriebszwecke genutzt werden.
- Alle elektrisch leitenden, spannungsfreien Teile sind mit Masse zu verbinden; Widerstand < 0,1 Ω.
- Batterien dürfen in einem Wettbewerb nicht ausgetauscht oder verändert werden.
- Elektrische Komponenten müssen während eines Events fest montiert bleiben.
Maximale Bordspannung (Power Bus):
- Klasse A (Trial): ≤ 60 V DC bzw. ≤ 30 V AC
- Klasse B: ≤ 420 V DC bzw. ≤ 300 V AC
- MotoE: ≤ 800 V DC bzw. ≤ 600 V AC
- Geschwindigkeitsrekorde: max. 1 500 V DC bzw. 1 000 V AC
Ausrüstung für Teammitglieder:
- Isolierende Handschuhe (Klasse 0/1, je nach Spannung), Schutzschuhe, Schutzbrillen oder Helmvisiere.
- Feuerlöscher: CO₂ für Hochvolt-Systeme, F500 für Lithium-Ionen-Batterien.
- Isoliermatten, Notfallhaken, Feuerlöschdecke (mind. 3×3 m).
- In der Box: Automatischer Defibrillator und Erste-Hilfe-Kit.
Technische Kontrollen:
- Der Technische Direktor überprüft Maschine und Fahrer, inklusive Isolation, Wettertauglichkeit, Sicherheit.
- Beschädigte Maschinen müssen nach dem Rennen erneut abgenommen werden.
- Der Renn-Direktor kann Daten abrufen (z. B. Spannung, Strom) und bei Bedarf die Leistung beschränken.
- Die Entscheidungshoheit bei Konflikten liegt beim FIM-Technischen Direktor.