FIA gegen Ferrari: War das nötig?
massa und alonso
Das war absehbar. Befriedigend ist es nicht.
Denn wer hätte schon damit gerechnet, dass der Weltrat des Automobilverbands FIA in der Nachverhandlung die Strafe von Hockenheim wegen Anwendung verbotener Stallregie (100000 Dollar) gegen Ferrari noch verschärfen würde – vier Tage vor dem Grossen Preis von Italien in Monza?
Ferrari hatte [*Person Bernie Ecclestone*] um Hilfe gebeten, damit das Team zumindest die Punkte vom künstlich erzeugten Alonso-Sieg behalten kann. Das war vermutlich unnötig. [*Person Fernando Alonso*] und sein Team kamen in dieser Hinsicht ungeschoren davon, obwohl jeder weiss, dass sie gegen Paragraf 39.1 der Sportgesetzes verstossen haben.
Und das ist das Problem: Denn auch diese an Sicherheit grenzende Gewissheit stellt keinen Beweis dar. Es liess sich für den Weltrat nicht schlüssig auseinander dividieren, ob Massa auf einen verschlüsselten Funkbefehl («Fernando ist schneller als du, hast du das verstanden?») hin oder (höchst unwahrscheinlich) ob er ihn aus eigenem Antrieb und Wettbewerbsgründen oder situativ relevanten Motiven oder einem plötzlichen mentalen Schwächeanfall heraus vorbeifahren liess. Oder weil er gerade an seine kranke Mutter denken musste.
Das ist die Krux an diesem Gesetz: Rein theoretisch könnte der Teamchef brüllend und keulenschwingend an der Boxenmauer die Order erteilt haben, den Verfolger passieren zu lassen. Ob dies aber letztlich im Hirn des Vordermann den Ausschlag gab, tatsächlich gegen den schnelleren Teamkollegen zurückzustecken – oder ob dieser Impuls einem plötzlichen Anfall von Vernunft oder Einsicht entspringt ist, so absurd es auch erscheint, bei aller Anwendung mathematischer Wahrscheinlichkeiten nicht zu beweisen.
Und deshalb empfahl der Weltrat seinem Verband, das Gesetz, das seit 2002 in dieser Form existiert und mehrfach neu interpretiert und noch öfter gebrochen wurde, doch gleich ganz zu kippen.
Man muss kein Freund von Stallregie sein. Im Gegenteil. Ich vertrete entschieden die Ansicht: Wer schneller ist, soll aus eigener Kraft vorbei fahren, oder es eben lassen. Aber die neue Wendung, die sich anbahnt, hat ein Gutes: Wir werden jetzt nicht mehr so oft belogen und für dumm verkauft.
Trotzdem hat dieser Vorgang noch einen weiteren Fehler des Systems offenbart. Denn wozu in aller Welt haben die Kommissare von Hockenheim nach Verhängung von 100000 Dollar Strafe vor Ort den Vorfall auch noch an den Weltrat weitergeleitet? Warum war mit der Bestrafung am Rennplatz der Vorfall nicht erledigt? Warum mussten wir und die Fans und die Fahrer und die Teams, die im Titelkampf stecken, sechs Wochen Hängepartie mit vorläufigem WM-Stand hinnehmen, bis Klarheit herrschte.
Ich vermute mal: Weil die Kommissare sich nach hinten absichern wollten, ohne selbst den Kopf hinzuhalten.
Die Terminierung einer Veranstaltung bleibt ein Schwachpunkt der Formel 1: Wenn ein Fussballspiel abgepfiffen ist, dann steht das Ergebnis fest. Im GP-Sport schwebt erst mal stundenlang die technische Untersuchung über dem Resultat. Und wenn dieses Prozedere vorbei ist, können die Kommissare nach eigenem Gutdünken auch noch Schicksal spielen. Und das hat sich mit der Weltratssitzung vom 8. September natürlich nicht geändert.