Vor 34 Jahren: Tod von Jo Gartner in Le Mans

Von Mathias Brunner
​Der Österreicher Jo Gartner wäre heute 66 Jahre alt. Vermutlich würde der Wiener ein Leben im Unruhestand führen. Doch das Schicksal wollte es anders: Er kam am 1. Juni 1986 in Le Mans ums Leben.

Ab und an frage ich mich, was aus Rennfahrern geworden wäre, die wir viel zu früh verloren haben. Ob Ayrton Senna vielleicht heute die Geschicke der brasilianischen Regierung leiten würde? Gewiss wäre er der Gefahr Corona entschlossener entgegengetreten als Jair Bolsonaro. Wäre Gilles Villeneuve heute Markenbotschafter von Ferrari? Würden wir von François Cevert als erstem französischen Formel-1-Champion sprechen, nicht von Alain Prost? Wir werden es nie erfahren, das Schicksal wollte es anders.

An diesem 1. Juni haben wir Jo Gartner verloren, der Wiener wäre heute mit 66 Jahren pensioniert, allerdings kann ich mir ihn als Rentner nicht so richtig vorstellen, für Müssiggang war sein Geist des Ingenieurs und des Racers viel zu hellwach. Gartner blieb die grosse Formel-1-Karriere versagt. Er hatte sich im Rennstall von Enzo Osella die Seele aus dem Leib gefahren, aber es nützte nichts – für 1986 erhielt er keinen Stammplatz mehr in der Königsklasse.

Gartner wollte den Frust in der Langstrecken-WM abstreifen, im Porsche 962C aus dem Rennstall der Kremer-Brüder. Um halb drei Uhr früh dieses unglückseligen 1. Juni 1986 kam sein Rennwagen auf der Mulsanne-Geraden von Le Mans bei Höchstgeschwindigkeit von der Bahn ab. Die Unfallursache wurde nie mit Gewissheit bestimmt.

Mein langjähriger Kollege Helmut Zwickl erinnerte sich: «Im Morgengrauen des Sonntags läutete bei mir das Telefon. Die Stimme von Dieter Quester war kaum zu erkennen. Er schluchzte. „Ein Wahnsinn“, stammelte er. „Ich frag’ mich: Hab’ ich das geträumt?“»

«Die Mulsanne-Gerade war damals ein langer, schwarzer Asphaltstrich durch die Föhrenwälder, es gab noch keine Schikane, um die Autos zu bremsen. Quester erzählte: „Das Auto erreichte dort 349 km/h Spitze. Du denkst ständig – was, wenn ein Reifen platzt? Oder ein Radl bricht oder die Lenkung?“ Gartner hatte im Porsche öfters ein Rad verloren. Wie beim 12-Stunden-Rennen von Sebring 1986, das er zusammen mit Hans-Joachim Stuck gewann, in einem 962er von Bob Akin. Gartner fuhr auf drei Rädern über die Ziellinie. Die Amis feierten ihn wie einen Helden.»

«Zwei Stunden vor dem Todessturz brach Jo Gartner die Hinterradaufhängung seines brandneuen Kremer-Porsche 962C. Augenzeuge Michael Glöckner, Jo Gartners Freund und Leibfotograf: „Ich stand in der Mulsanne und habe gesehen, wie der Jo gezaubert hat, als die Aufhängung brach. Er ist dabei am Ende der Geraden von der Strecke geflogen.“»

Gartner schlich mit dem Porsche ganz langsam an die Box, es wurde dreissig Minuten lang repariert. Dann stieg der Südafrikaner Sarel van der Merwe ins Auto, um zwei Nachtschichten zu fahren. Der Dritte im Bunde, der Japaner Kunimitsu Takahashi, war in der Nacht nicht schnell genug.

Helmut Zwickl: «Glöckner meinte: „Jo hatte mit dem neuen Auto viel Ärger. Im Training verbrauchte man drei Motoren. Er betonte immer wieder, dass er im Jahr zuvor sein Auto auf der Mulsanne mit nur einer Hand habe steuern können, jetzt reichten beinahe beide Hände nicht aus, um den Wagen zu kontrollieren.»

Jo Gartner ist auf dem Döblinger Friedhof von Wien zur letzten Ruhe gebettet. Er wurde nur 32 Jahre alt.

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