Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

Bahrain: Ricciardo 1., Vettel und Schumacher hinten

Von Mathias Brunner
​Die Rennställe stehen mit den Programmen unter Druck, Weltmeister Mercedes ist im Rückstand, Sebastian Vettel und Mick Schumacher haben Sorgen, Daniel Ricciardo (McLaren) ist Schnellster.

Der Niederländer Max Verstappen brachte es vor Beginn der Formel-1-Wintertests auf den Punkt: «Wir brauchen reibungslose drei Tag, um uns ideal auf die Saison vorzubereiten.» Bei nur drei Tagen zu je acht Stunden Testarbeit (vier am Morgen, vier am Nachmittag) müssen die zehn Grand-Prix-Rennställe ein gewaltiges Programm durchpauken.

Die Teams haben am 12. März ein zusätzliches Problem erhalten: Der Wind hat aufgefrischt, für einen Teil der Insel Bahrain gab es Sandsturmwarnung. Bereits jetzt beeinträchtigt der starke Wind aus Südosten die Testarbeit, wie die zahlreichen Verbremser in der ersten Kurve zeigen, wenn Rückenwind den Wagen an der Hinterachse leicht macht, mit Böen bis zu 60 km/h Stärke.

Wie steht es ums Reifenkontingent? Antwort: Jedes Team hat zehn Reifensätze pro Tag zur Verfügung, die Mischungen (hart C1 bis extraweich C5) könnten individuell ausgesucht werden. Aufmerksame Leser haben unmarkierte Pirelli entdeckt – hier handelt es sich um Prototypen der mittelharten C3, um Produkte aus den Reifenwerken von Rumänien und der Türkei zu vergleichen.

Nicht nur die Autos sind langsamer geworden, durch verschiedene Änderungen am Wagen, auch die Reifen – Pirelli liefert 2021 eine neue Reifenkonstruktion, die je nach Rennstrecke 0,5 bis 1 Sekunde pro Runde kosten. Zeitverlust durch mehr als zehn Prozent Abtriebsverlust aufgrund des neuen Reglements: knapp 1,5 Sekunden.

Mit dem Rücken zur Wand: Weltmeister Mercedes-Benz. Valtteri Bottas beklagte sich während seiner Installationsrunde über Probleme beim Schalten, worauf sich die flinken Mercedes-Mechaniker an die Arbeit machten, um das Getriebe zu wechseln. Pech für den Finnen, denn Mercedes bleibt beim Plan, am Nachmittag Lewis Hamilton ins Auto zu setzen. 40 Minuten vor Ende des ersten Testsegments wurde in der Mercedes-Box wieder der Motor angelassen. Bottas holte nach, was Mercedes von Anfang an machen wollte – aerodynamische Daten sammeln, mit grossen Messgittern am Wagen.

Probleme ebenfalls für Mick Schumacher: Hydraulikproblem, auch die Haas-Mechaniker bauten ein neues Getriebe ein. Wie Teamchef Günther Steiner angekündigt hatte, sind die jüngsten Teile noch nicht am Wagen, wie etwa der neue Frontflügel und die optimierte Motorverkleidung. Mick ging 20 Minuten vor Testschluss am Morgen wieder auf die Bahn.

Ferrari arbeitete länger an den Aufhängungen – nicht aufgrund eines Problems, sondern wegen Abstimmungswünschen von Charles Leclerc. Teamchef Mattia Binotto hatte angekündigt, dass der 2021er Wagen windschlüpfiger sein würde als das 2020er Modell und der Motor kraftvoller. Erste Topspeed-Messungen deuten darauf hin, dass Ferrari bei der Musik ist: Daniel Ricciardo im McLaren-Mercedes mit 329 km/h vor Sebastian Vettel (Aston Martin-Mercedes) und Kimi Räikkönen im Alfa Romeo-Ferrari (je 328), Pierre Gasly (AlphaTauri-Honda) mit 327, Charles Leclerc im Ferrari steht bei 325 km/h.

Nach rund zweieinhalb Stunden blieb der Aston Martin von Sebastian Vettel am Ausgang der Boxengasse stehen: Die Mechaniker stellten den Renner auf die Wagenheber und rollten ihn in die Box. Nachricht eines Teamsprechers: «Nichts Gravierendes.»

Zehn Minuten vor Schluss blieb der Ferrari von Leclerc in Kurve 4 stehen – rote Flagge.

Ex-GP-Pilot Martin Brundle: «Wir stehen noch ganz am Anfang. Ich sehe Fahrer, die alle Hände voll zu tun haben. Das liegt am Wind, der auch Sand auf die Bahn bläst, das liegt an einer Strecke, auf welcher noch zu wenig Gummi liegt, das liegt an Autos, deren Abstimmung noch weit davon entfernt sind, perfekt abgestimmt zu sein.»

Eine weitere Auswirkung des gedrängten Programms: Schneller als üblich verschwanden Messgitter wieder in der Box. Zur Erinnerung – mit diesen Gittern werden Luftdruck und -strömungen in kritischen Bereichen gemessen, wie Verwirbelungen um die Räder herum oder beim Einlass der Seitenkästen. Die Gitter sind dafür mit so genannten Pitot-Rohren ausgerüstet.

Das Rohr ist benannt nach dem Franzosen Henri de Pitot (1695–1771), einem gelernten Mathematiker. Er war von Strömungen in Flüssen und Kanälen fasziniert. De Pitot erfand ein Gerät, um diese Geschwindigkeit zu messen – ein gerades oder L-förmiges, einseitig offenes Rohr zur Messung des Gesamtdruckes von Flüssigkeiten oder Gasen, also Luft.

Ebenso in heftiger Verwendung: zähflüssiges FloViz. FloViz ist eine Abkürzung für «flow visualization» (Flussveranschaulichung). In der Formel 1 ist die Verwendung dieser Paste verhältnismässig jung: McLaren benutzte die Farbe 2010 erstmals auf dem Testplatz in aller Öffentlichkeit. In den Werken war schon länger damit gearbeitet geworden. Wieso das späte Debüt an der Teststrecke? Weil nicht nur die eigenen Techniker den Strömungsverlauf sehen, sondern auch die Argusaugen der Konkurrenz.

Die Paste muss dabei flüssig genug sein, um sich leicht auftragen zu lassen und wenig zu tropfen. Aber auch aushärtend genug, um nicht vom Luftstrom komplett weggewischt zu werden. Das Vorgehen ist immer gleich: Ein bestimmtes aerodynamisches Teil, sagen wir ein Frontflügel, wird mit der Paste eingeschmiert. Der Fahrer legt eine Runde zurück. Die Farbe verschmiert nach Strömungszwang und trocknet aus. An der Box können die Spezialisten dann überprüfen, ob der Verlauf so ist, wie das Flussdynamikberechung vorgegeben hatte.

Zwischenbilanz von Martin Brundle: «Die schwierigen Verhältnisse in Bahrain lassen noch keine Rückschlüsse zu. Aber ich bin sicher, dass bei Mercedes mit den Zähnen geknirscht wird wegen der verlorenen Testzeit.»

Bahrain-Test, Tag 1, Stand nach vier Stunden

1. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren MCL35M-Mercedes, 1:32,203 (45 Runden) Reifenmischung C2
2. Pierre Gasly (F), AlphaTauri AT02-Honda, 1:32,231 (74) C3
3. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB16B-Honda, 1:32,245 (60) C2
4. Esteban Ocon (F), Alpine A521-Renault, 1:32,959 (55) C3
5. Charles Leclerc (MC), Ferrari SF21, 1:33,242 (59) C3
6. Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo C41-Ferrari, 1:33,320 (63) C3
7. Sebastian Vettel (D), Aston Martin AMR21-Mercedes, 1:33,742 (51) Prototyp
8. Roy Nissany (IL), Williams FW43B-Mercedes, 1:34,789 (39) C3
9. Mick Schumacher (D), Haas VF-21-Ferrari, 1:36,127 (15) C2
10. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W12, 1:36,850 (6) C2

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