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Vor 45 Jahren: Niki Lauda und der Staubsauger-Skandal

Von Mathias Brunner
​Am 17. Juni 1978 trat Weltmeister Niki Lauda in Schweden mit dem Staubsauger-Brabham an, einem Trick von Gordon Murray und David Cox. Der Wagen erzeugte im wahrsten Sinne des Wortes Riesenwirbel.

Die 1970er Jahre waren eine herrliche Spielwiese für Formel-1-Designer. Gemessen am stark einschränkenden modernen Reglement waren die Vorschriften damals löchrig wie Emmentalerkäse. Und die hellsten Köpfe der Branche nutzten jede Gelegenheit zum Tricksen.

Der Brabham BT46-Alfa Romeo (B stand für Firmengründer Jack Brabham, das T für seinen langjährigen Designer Ron Tauranac) sollte die Antwort auf den Flügelwagen Lotus 78 werden, der wegweisend war.

Brabham-Chefdesigner Gordon Murray und sein Berater David Cox standen vor mehreren Problemen: Aufgrund des sehr breiten Zwölfzylinder-Motors von Alfa Romeo liessen sich nicht nach Herzenslust umgekehrte Flügelprofile in den Seitenkästen unterbringen, wie es Colin Chapman am Lotus vorgemacht hatte.

Zudem verbrauchte der Alfa-Motor üppig Sprit, womit Murray gezwungen war, einen grösseren Benzintank einzubauen als die Konkurrenz. Murray konterte mit zwei ungewöhnlichen Einfällen: Der eine war genial und wurde sogleich verboten, der vorhergehende war ein Fehlschlag und musste nicht verboten werden – die Oberflächenkühlung.

Bei der Präsentation des Brabham BT46 verblüffte der Wagen ohne konventionelle Wasserkühler. Sie wissen schon: Fahrtwind streicht durch stehend oder liegend angeordnete Elemente, das Wasser darin wird gekühlt und zum Motor oder Getriebe zurückgeleitet. Ganz einfach.

Nein, stattdessen wies der Brabham Wärmetausch-Platten auf – ein Konzept aus der Aviatik. Die Oberflächenkühlung erlaubte es, einen aerodynamisch überaus effizienten Wagen auf die Räder zu stellen. Leider zeigten erste Testfahrten im winterlichen England: Das Auto überhitzte masslos. Was zur Frage führte: Wenn dem Fahrzeug schon im bitterkalten Grossbritannien zu warm wird, was passiert dann erst in der Hitze von Argentinien und Brasilien?

In aller Eile musste ein herkömmlicher Kühler gebaut werden, der nicht nur Gewicht auf die Vorderachse packte, sondern auch die aerodynamische Effizienz beeinträchtigte.

Blöd für die Gegner auch, dass Lotus-Chef Colin Chapman und seine Mitarbeiter inzwischen das Flügelautoprinzip perfektioniert hatten. Gegen die Lotus 79 von Mario Andretti und Ronnie Peterson war kaum etwas auszurichten.

Also was tun?

Murray und Cox griffen ganz tief in die Trickkiste: Auf der Suche nach Abtrieb, aber konzeptionell eingeschränkt (wir erinnern uns: breiter Alfa-Motor) erinnerte sich Murray an den legendären 1970er Chaparral 2J von Jim Hall. Der clevere Texaner hatte damals ins Heck seines Renners einen Zweitakt-Motor eingebaut, welcher Luft aus dem mit Schürzen abgedichteten Heck absaugte – und schon lag der Wagen in den Kurven wie auf Schienen.

Murray verfeinerte das System für den Schweden-GP von Anderstorp: Je höher der Hauptmotor drehte, desto höher drehte der Ventilator am Heck. Weil man dies alles als (unerlaubtes) bewegliches Aerodynamik-Hilfsmittel deuten konnte, verband Murray den Ventilator mit einem Kühler über dem Motor und argumentierte bei den Regelhütern: Dieser Ventilator dient lediglich der Kühlung. Wo doch der Brabham BT46 so schwer zu kühlen sei, hüstel-hüstel.

Das System funktionierte wundervoll: Schon im Stillstand saugte sich der Renner an den Boden, sobald Niki Lauda und John Watson kurz Gas gaben. Hinter Pole-Mann Mario Andretti waren die Brabham-Fahrer Zweit- und Drittschnellste, aber voll ausgefahren haben die beiden den Wagen nie.

Watson schied am 17. Juni im Schweden-GP wegen eines Drehers aus, aber Lauda samt Fahrzeug waren von der je länger je ölverschmierteren Bahn gänzlich unbeeindruckt – der Österreicher ging an Leader Mario Andretti vorbei, als wäre das nichts, und gewann (Andretti fiel später wegen Motorschadens aus).

Eine Spazierfahrt war es für Niki dennoch nicht: Die hohen Fliehkräfte machten dem Champion von 1975 und 1977 zu schaffen, denn die Kurveneingangs-Tempi waren teilweise um rund 40 km/h höher als zuvor!

Gordon Murray: «Der Wagen baute so viel Abtrieb auf, dass er theoretisch an der Decke hätte fahren können.»

Nach dem Rennen machte der Automobilverband dem damaligen Brabham-Besitzer Bernie Ecclestone klar, dass sie diesen Wagen nie mehr wieder sehen wollen.

Zu jenem Zeitpunkt benötigte der spätere Formel-1-Promoter die Unterstützung der britischen Teamchefs, um die Kontrolle über die Teamvereinigung FOCA zu erlangen, die Formula One Constructors’ Association. Er zog den Wagen zurück, offiziell verboten wurde er Renner nie.

John Watson erinnert sich: «Wäre der Wagen nicht verschwunden, so hätten alle Rennställe nachrüsten müssen, das wäre völlig verrückt gewesen.»

Der eine Brabham BT46 «fan car» wanderte in die Privatsammlung von Gordon Murray. Das zweite Chassis befindet sich in Besitz von Bernie Ecclestone.


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