Im MotoGP-Sprint in Jerez krachte es ständig

Zwei Geschwindigkeiten

Von Werner Jessner
Was war das für eine verrückte letzte Woche? Versuch einer Einordnung jener zwei Ereignisse, die die Formel 1 in den kommenden Jahren prägen werden.

Der Speed, mit der aus Sir Lewis Hamilton «Luigi Amiltone» wurde, war selbst für Formel-1-Verhältnisse atemberaubend. Und dann ausgerechnet Ferrari, wo sich in den letzten Jahren doch Aston Martin als erste Adresse für den Abschieds-Gig von Weltmeistern etabliert hat! Aston: Jeder freut sich über Achtungs-Erfolge, der Teamkollege sollte keine unlösbaren Aufgaben stellen, außerdem gibt es nette Dienstwagen. Ferrari ist das genaue Gegenteil (bis auf die Sache mit den netten Dienstwagen natürlich).

Sich mit 40 Jahren einen Charles Leclerc anzutun, von dem die ganze Welt weiß, wie schnell er ist, und der selbst den Druck verspürt, das endlich auch in Resultaten zu beweisen, gehört zu den härtesten Aufgaben, die man sich als Rennfahrer stellen kann. Wie es dem Monegassen damit geht, einen siebenfachen Weltmeister zur Seite gestellt zu bekommen, wo doch eigentlich er jener Mann sein sollte, der die Roten wieder an die Sonne führt? Die Kombi Leclerc/Hamilton wäre in jedem Team der Welt Dynamit. Weil es sich aber um Ferrari handelt, kann man umso sicherer sein, dass jedes Detail zu unverhältnismäßiger Größe aufgeblasen werden wird. High Noon in Maranello: Ist Lewis Hamilton zu alt, oder war Charles Leclerc eh nie so gut wie wir alle geglaubt haben? There will be blood, und die Arbeit der Ferrari-Pressestelle ist gerade noch ein wenig schwieriger geworden.

Was konkret den Ausschlag für den Wechsel gab, werden wir wohl erst in den kommenden Jahren erfahren. Doch man kann davon ausgehen, dass auch die Egos der Teamchefs eine Rolle dabei gespielt haben. Toto Wolff und Fred Vasseur kennen (und bei aller Konkurrenz: schätzen) einander bisher, wobei Toto als Weltmeister-Teamchef lange Jahre die Rolle des großen Bruders hatte und Fred, zuvor Boss bei kleinen Teams wie Renault oder Sauber, die des kleinen. Spätestens jetzt ist Fred aus Totos Schatten getreten.

Seit Bernie Ecclestones Zeiten hat sich Kitzbühel als Hotspot für Treffen in der Off-Season etabliert. Auch Toto hat ein Haus dort in der Nachbarschaft. Rund um das Abfahrtsrennen Ende Januar gibt es immer genügend Gelegenheiten, sich im abgeschiedenen Rahmen zu treffen und Business zu machen. Auch rund um den 20. Januar 2024 befand sich die Motorsport-Elite in den Tiroler Bergen. Am 1. Februar wurde der Hamilton-Deal bestätigt.

Den siebenfachen Weltmeister geholt zu haben ist jener Move, an dem Vasseurs Karriere in Maranello gemessen werden wird. Hamilton verbindet im Übrigen nicht nur eine gemeinsame Geschichte mit Toto Wolff, sondern auch mit dessen Gegenspieler: 2005 gewann Lewis für Vasseurs ART-Team die F3, 2006 holte man gemeinsam den GP2-Titel.

Für die Formel 1 war Ferraris Schachzug jedenfalls pures Gold, denn noch vor der Saison so viel Aufmerksamkeit, dazu einen medialen Dauerbrenner für die kommenden Jahre – Liberty-Media-Herz, was willst du mehr?

Die langsame Seite

So schnell die Causa Hamilton passierte, so sehr zieht es sich mit Andretti-Cadillac. Und das wiederum ist ein Etappensieg für Toto Wolff, der als einer der prononciertesten Gegner eines Einstiegs des neuen Teams aus Amerika gilt. Die Argumentationslinien sind altbekannt: Die einen wollen ein zusätzliches Team, die anderen ihre Exklusivität nicht verwässert sehen. Argumente gibt’s für beide Seiten. Die FIA, zu Jahreswechsel mit einer Kampagne gegen Toto und seine Frau Susie spektakulär gescheitert, spricht sich bekanntlich für Andretti aus. F1/Liberty ist dagegen und argumentiert mit fehlendem Mehrwert, weil Andretti den Namen Cadillac auf Renault-Antriebe draufschreiben wollte, anstatt selbst zu entwickeln. Das sei kein echter Werks-Einsatz hieß es, woraufhin Andretti-Cadillac versprach, dann halt auch die Motoren selbst zu bauen – was bekanntlich so einfach nicht ist.

Jetzt spielt die F1 auf Zeit und hat dafür ein gutes Argument gefunden: Würde Andretti bereits 2025 einsteigen, müssten sie für das neue Reglement 2026 abermals ein komplett neues Auto entwickeln – und das sei einem Newcomer leider nicht zuzutrauen. Man fürchtet sich offenbar davor, einen hoffnungslosen Nachzügler mit großem Namen heranzuzüchten, dessen Performance einen Schatten auf den makellosen F1-Auftritt wirft.

Im Hintergrund geht es natürlich ums Geld. Je länger man Andretti davon abhalten kann, als elftes Team aufgenommen zu werden, umso besser die Chancen, dass eines der bestehenden Teams doch zum Verkauf steht und Michael Andretti gezwungen wird, dieses zu übernehmen, anstatt mit dem Modell dilution fee relativ günstig davonzukommen. Der springende Punkt: die Einnahmen würden bei einer Übernahme weiterhin durch 10 statt durch 11 geteilt werden.

Wenn dieser Tage ein Mail der F1 bei Andretti im Spam-Ordner landet und ein gemeinsames Treffen daher leider, leider platzt, fällt das in die Kategorie «Hamster hat Schularbeit gefressen.»  Preisfrage: Werden wir Hamilton im Ferrari jemals zugleich mit einem Andretti-Cadillac auf einer F1-Startaufstellung sehen?

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