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Formel-1-Show in London: Fluch oder Segen?
​Das war sie also, die Formel-1-Sause in der Londoner O2-Arena, vor 15.000 Fans im Rund und Millionen vor dem Fernseher und in den sozialen Netzwerken. Was hat die spektakuläre Präsentation gebracht?
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Seit Jahren hatten die hellen Köpfe von Liberty Media, dem US-amerikanischen Besitzer der Formel 1, davon geträumt, nun ist es wahr geworden: Bei einer gemeinsamen, vielfältigen Präsentation aller zehn GP-Rennställe sind die Fans auf die neue Saison eingestimmt worden.
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Zu sehen gab es, als Sinnbild der Oberflächlichkeit dieses Spektakels, lediglich die Farben der verschiedenen Grand-Prix-Teams, zumeist auf Vorjahresfahrzeugen. Was die Techniker für die 2025er Autos wirklich auf Lager haben, werden Teams und Fans erst bei den Wintertests in Bahrain erfahren. Vor 15.000, teils erstaunlich reagierenden Fans in der O2-Arena von London führte Schauspieler, Comedian und Moderator Jack Whitehall durchs Programm. Machine Gun Kelly schrammelte auf seiner Gitarre in Rasierklingenform herum, der Amerikaner Kane Brown zeigte, wieso er es auf Platz 1 der Country-Charts geschafft hat, wohl für die ältere Generation waren die Senioren von Take That auf der Bühne, und Brian Tyler (der die offizielle Formel-1-Hymne komponiert hat) fiel mit einer selbstverliebten DJ-Einlage auf, am Mischpult stand, was vielen Zuschauern spätestens zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf gegangen sein könnte – Are We Dreaming. (Träumen wir?) Wenn uns das ganze Londoner Brimborium ein wenig an die umstrittene Eröffnungszeremonie von Las Vegas 2023 erinnert hat, dann ist das kein Zufall: Hinter der Veranstaltung steht das gleiche Team wie damals in Nevada, BrianBurkeCreative. Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner (von zahlreichen Fans offenbar zum Feindbild erklärt und mit Buhrufen eingedeckt) brachte das vor der Show gut auf den Punkt: "Ich bin davon überzeugt, dass in der Wunschliste der Fahrer ungefähr an letzter Stelle kommt, in einem Stadion den Fans vorgeführt zu werden, aber die Formel 1 ist nun mal im Unterhaltungsgeschäft tätig." Die Begeisterung stand Weltmeister Max Verstappen ins Gesicht geschrieben, der wie sein Red Bull Racing-Stallgefährte Liam Lawson auf ein Bühnen-Interview verzichtete. Und die Ferrari-Fahrer Hamilton und Leclerc vertrieben sich die Zeit am Ferrari-Tisch zwischendurch mit einer Partie Schach, die sie gegeneinander mit ihren Handys spielten. Viel verpasst haben sie nicht, denn die Teams hatten so wenig Zeit bei ihrem jeweiligen Auftritt (pro Team nur sieben Minuten), dass die F1TV-Mannschaft aus Laura Winter, Ariana Bravo und Lawrence Barretto nicht über Nichtigkeiten hinaus kam. Was hingegen reizvoll war: Dass für die Rennställe Raum für Individualität blieb, mit einem sehr coolen, James Bond-inspirierten Auftritt von Fernando Alonso und Lance Stroll mit Aston Martin oder einem sehr gelungenen, geschichtsbetonten Intro für die unverwechselbare Scuderia Ferrari. Es waren denn auch Ferrari und Lewis Hamilton, die den grössten Applaus an diesem Abend erhielten; es ist offensichtlich, welche Begeisterung der erfolgreichste Formel-1-Rennfahrer für die bekannteste Rennmannschaft der Welt auslöst. Jack Whitehall führte mit der Schnoddrigkeit eines frechen Oscar-Präsentatoren durch den Abend, mit durchaus komischen Momenten – etwa seinem Flirt mit Charles Leclerc ("der bestaussehende Fahrer von allen") oder einem Interview mit Star-Koch Gordon Ramsey, der herzlich fluchte und dem sofort der Ton abgedreht wurde. Ramsey war zum Fluchverbot für die Fahrer befragt worden und sagte (für viele Zuschauer nachvollziehbar): "Mann, das sind Kerle, die bei 300 Sachen um die Rennstrecke zischen. Manchmal muss es halt aus den Piloten raus, aber lasst sie doch sich selber sein, lasst sie in Ruhe, wenn sie mal Dampf ablassen wollen." Dafür gab es von den Fans Szenenapplaus. Lustig, wie Whitehall zu Max Verstappen sagte: "Kopf hoch, Max, es hätte schlimmer kommen können, wir hätten dich neben George Russell setzen können." Dies natürlich in Anspielung an den Streit zwischen den beiden, der noch immer am Schwelen ist. Whitehall bat die Fans auch um etwas Mitleid für Toto Wolff: "Es ist nie schön zu sehen, wenn der Lebensgefährte mit einer Italienerin durchbrennt." Stark zudem der Mittelteil mit einem ausführlichen Appetithappen auf den kommenden Kino-Knaller "F1" mit Brad Pitt – die Fans dürfen sich auf atemberaubende Bilder freuen. Und es gab auch Momente, die überrascht haben: Etwa jene, als Laura Winter beiläufig den Autosport-Weltverband FIA erwähnte, worauf ausgiebig gebuht wurde. Vielleicht besser, dass FIA-Chef Mohammed Ben Sulayem nicht vor Ort war. Die Formel 1 und die Rennställe gaukeln sich vor, mit einer Präsentation wie in London weltweit Schlagzeilen zu machen. Sie prahlen mit 4,6 Millionen Zuschauern weltweit auf YouTube und betonen, wie eifrig die Fans Inhalte gepostet, geliked und weiterverbreitet haben. Doch für den wahren Formel-1-Fan war da zu wenig Substanz, zu wenig Tiefe. Was war das also in London – Fluch oder Segen? Unterm Strich war die Sause ein Leckerbissen für die Streaming-Generation, wie ein Zehnteiler von Netflix, den man sich reinzieht – und gleich wieder vergisst. Also nur "Schöne neue Welt"? Nur Schein statt Sein? Nur Glitter statt Gehalt? Es gilt zu bedenken: Unter Formel-1-Baumeister Bernie Ecclestone schlitterte der Sport in ein Nachwuchsproblem. Der harte Kern an Fans blieb der Königsklasse immer treu, aber es kamen zu wenig junge Menschen nach, denn Ecclestone hat nie begriffen, wie soziale Netzwerke funktionieren und wonach die nachrückende Generation giert. Die Formel 1 boomt und ist wieder sexy, nicht wegen ihrer langjährigen Fans, sondern weil Liberty Media es (auch dank der F1-Doku von Netflix) verstanden hat, die jungen Menschen für die Königsklasse zu begeistern. Und die wollen vor dem Vordergrund des gewaltigen Unterhaltungsangebots nun mal mehr als Technik. Viele der frisch dazugekommenen Fans werden sich von der Formel 1 wieder abwenden, wenn für sie der Reiz verflogen ist. Aber ein erheblicher Teil verfällt dem Sport mit Haut und Haar. Und nur so kann die Formel 1 überleben.
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