Belgien-GP ’87: Ohne Ticket angereist, aber Happy-End

Andrea de Cesaris in Belgien 1987
Als ich 1987 meinen Dienst als Motorsport-Pressesprecher bei BMW antrat, erwartete mich ein umfangreiches Renn-Programm: Die erste Tourenwagen-Weltmeisterschaft startete, die Läufe zum Europa-Championat standen an, sowie die so genannte neue DTM. Und, nicht zu vergessen (obwohl für BMW eine eher dröge Abschieds-Tournee) die Rennen der Formel-1-WM.
Der damalige Motorsport-Chef Wolfgang-Peter Flohr war der Ansicht, dass ich doch bitteschön nach Spa zum Formel-1-Rennen fahren sollte, um dort «bei Journalisten für gute Laune zu sorgen».
Denn BMW als Motorenlieferant bei Brabham war in jenen Tagen bei Medien mehr gelitten als geliebt. Kein Wunder, schließlich ging diese Liaison ihrem Ende entgegen.
Als Fahrer saßen im Brabham BT56 zwei Italiener: Riccardo Patrese, den ich von Einsätzen im Tourenwagen her kannte, und Andrea de Cesaris. Letzterer ist mir weniger als bedeutender Fahrer in Erinnerung als mit seiner unglaublichen Fähigkeit, seine Augen so zu rollen, dass die Augäpfel dabei komplett weiß erschienen – gruselig.
Etwas schaurig war auch meine Anreise mit Fotograf Robert Kröschel nach Belgien: Erst wurden wir im Hotel mit der Nachricht überrascht, dass wegen einer Hochzeit nur noch ein Doppelzimmer für uns beide möglich sei.
Damit konnten wir uns noch arrangieren, nicht aber mit jener Hiobs-Botschaft in der Pressestelle bei La Source.
Denn Tickets seien, ganz im Gegensatz zur Aussage meines Chefs, leider gar keine hinterlegt.
Nun war guter Rat wahrlich teuer. Lichtbildner Kröschel war total aus dem Häuschen, ging im Pressesaal auf und ab, gleichermaßen nervös wie sauer.
Telefonisch erreichen konnte ich in der damaligen Vor-Handy-Zeit weder Flohr in München noch Motorenpapst Paul Rosche, der bereits irgendwo im Fahrerlager weilte.
Die Hoffnung, zwei Pässe für Robert und mich eventuell über unser Team zu erhaschen, zerstreute zusätzlich ein Journalist, der meinen Kummer wohl bemerkt hatte: Er habe gehört, dass zwei BMW-Mechaniker bereits per Kofferraum-Transfer in den Paddock gebracht worden seien, das Brabham-Team unter Bernie Ecclestone sei in letzter Zeit wohl eher knausrig selbst in der Vergabe von Arbeitstickets.
Plötzlich fiel mir ein belgischer Journalist auf, den ich von meinem allerersten Arbeitseinsatz für BMW beim Rennen in Monza her kannte. Ich ging auf ihn zu und schilderte ihm unsere missliche Situation. Ungläubig schüttelte er den Kopf und bat mich, ein paar Minuten zu warten, er müsse etwas klären.
Tatsächlich kam er kurze Zeit später wieder, hatte zwei Super-Tickets in der Hand. «Sie haben mir damals in Italien geholfen, ein Hotel in Monza zu finden. Jetzt kann ich mich dafür revanchieren, genießen sie ihren Aufenthalt hier», und schon wieder war er weg.
Robert und ich freuten uns wie kleine Kinder über unser Glück, nun konnten wir endlich unserer Arbeit nachgehen, wenn auch mit mäßigem Erfolg.
Denn das Interesse der Medien hielt sich in Grenzen: Sie hatten längst festgestellt, dass der große Schwung im Team Brabham weg war, dort herrschte eher Dienst nach Vorschrift als Leidenschaft.
Das Qualifying-Ergebnis bestätigte das auch: Während Patrese sich Startplatz 8 sicherte, mit drei Sekunden Rückstand auf Pole-Mann Nigel Mansell, kam de Cesaris über Rang 13 nicht hinaus, schon fünf Sekunden zurück.
Dafür schaffte er es im Rennen, obwohl eine Runde zurück, noch als Dritter aufs Siegerpodest, während Patrese schon nach fünf Runden die konkurrenzlosen Waffen strecken musste. Die Kupplung hatte schlappgemacht.
Zurück in München wollte niemand glauben, was wir in Belgien erlebt hatten, Motorsportchef Flohr kommentierte seine Aussage zu angeblich hinterlegten Karten mit einem eher gelangweilten Schulterzucken.
Dass mir das exakt Gleiche zwei Monate später, beim Grand Prix von Frankreich in Le Castellet, noch einmal passieren würde, konnte ich damals noch nicht ahnen.