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Ken Tyrrell: Der Mann hinter der Sechsrad-Sensation

Von Mathias Brunner
​Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre war dieser Rennstall Formel-1-Massstab: Tyrrell. Die legendäre Marke von Firmengründer Ken Tyrrell erzeugte eine der grössten Sensationen in der Königsklasse.

Man würde meinen, in 44 Jahren als Formel-1-Berichterstatter hätte ich so gut wie alles erlebt, was die Königsklasse so zu bieten hat. Aber zwischendurch gibt es immer wieder Momente, in welchen ich ins Staunen gerate.

GP-Wochenende von Monaco 2025: Da kommt mir tatsächlich ein Formel-1-Besucher in einem T-Shirt mit der Aufschrift Tyrrell entgegen. Und nicht etwa, dass es sich um ein seit gut 50 Jahren ausgewaschenes Stück gehandelt hätte, nein, es war brandneu, blitzsauber bedruckt, mit dem unverwechselbaren Schriftzug in Blau.

Das zeigt mir: Legendäre Formel-1-Rennwagenhersteller wie Tyrrell, Brabham, Lotus oder Hesketh sind nicht vergessen, sondern werden von den GP-Kennern als Kult-Marken anhaltend verehrt.

Rückblende zum 20. September 1970: Jackie Stewart startete zum Grossen Preis von Kanada in Mont-Tremblant von der Pole-Position. Das war für den damaligen Weltmeister von 1969 nichts Ungewöhnliches, aber verblüffend dennoch – denn der Schotte sass in einem Tyrrell 001, dem ersten beim Holzhändler Ken Tyrrell gebauten Grand-Prix-Boliden.

Stewart übernahm die Führung, setzte sich leichtfüssig ab, die Gegner waren baff. In Runde 32 platzte der Traum vom Debütsieg – ein Achsschenkel ging kaputt.

Das konnte den gewaltigen Erfolg des Gespanns Stewart/Tyrrell Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre kaum schmälern. Die königsblauen Autos von Tyrrell behalten bis heute in den Herzen vieler Formel-1-Fans einen besonderen Platz.

Und der legendäre Ken Tyrrell ist unvergessen. Heute 25. August 2025 vor 24 Jahren hat der knorrige Teamchef seine Augen für immer geschlossen.

Ken Tyrrell fuhr in den 50er Jahren selber Rennen, aber auf dem Niveau der Formel 2 angekommen merkte er: «Aus mir wird wohl nie ein Top-Rennfahrer.»

Gleichzeitig erwies er sich als hervorragender Leiter seines Rennstalls und konzentrierte sich fortan auf diese Aufgabe – mit enormem Erfolg.

Der Entdecker von Jackie Stewart wurde mit dem schottischen Piloten 1969 Weltmeister, Stewart sass dabei in einem französischen Matra-Chassis, im Heck arbeitete ein Cosworth-V8, den Ford finanziert hatte.

Ab Kanada 1970 kamen eigene Konstruktionen an den Start. 1971 und 1973 wurde Jackie Stewart für Tyrrell erneut Weltmeister.

Die Saison 1973 endete bitter, denn Stewarts Teamkollege François Cevert verunglückte im Abschlusstraining zum Grossen Preis der USA in Watkins Glen tödlich, Stewart trat zu seinem 100. Grand Prix nicht mehr an. Den WM-Titel hatte er schon in Monza sichergestellt.

Einige Jahre hatte Ken Tyrrell eine der grössten Sensationen in der Formel-1-Historie auf Lager – den Sechsrad-Tyrrell P34 (Project 34).

Mitte der 70er Jahre war es noch möglich, eine so revolutionäre Entwicklung komplett geheim zu halten, als der Wagen präsentiert wurde, fielen den eingeladenen Gästen bei der Tyrrell-Präsentation fast die Augen aus dem Kopf.

Konzipiert wurde der Wagen, um dem Wind weniger Widerstand entgegen zu stellen, dazu wurden der Vorderachse vier kleine Räder verpasst. Der Renner war recht erfolgreich (Sieg von Jody Scheckter 1976 in Schweden), aber schon 1977 war das modifizierte Auto nicht mehr konkurrenzfähig – es mangelte an Weiterentwicklung der kleinen Vorderräder.

Der Doppelsieg in Anderstorp (Schweden) mit Scheckter vor Patrick Depailler war der Höhepunkt eines Autos, dessen Konzept zum eigenen Niedergang werden sollte – Goodyear war in ein Reifenduell mit Michelin verwickelt, es standen zu wenig Kapazitäten zur Verfügung, die kleinen Vorderreifen für Tyrrell auf dem Stand der mächtigen Hinterreifen zu halten. Die zu harten Mischungen vorne führten zu chronischem Untersteuern, das zusätzliche Gewicht an der Vorderachse (vier Aufhängungen, vier Bremsanlagen) half dabei wenig.

Die damaligen Piloten Scheckter und Depailler standen dem Sechsrad-Fahrzeug völlig unterschiedlich gegenüber. Der Südafrikaner fand ihn ein wenig lächerlich, der Franzose liebte ihn.

Doch dann begann für das Team eine stetige, langsame Talfahrt, unterbrochen von wenigen Highlights.

Die Wagen waren in der Regel nicht schlecht, im Gegenteil, schnörkellos und eine fast sichere Bank in der damaligen Zeit zum Ankommen. Aber das letzte Etwas fehlte. Zumal die Zeiten vorbei waren, als Tyrrell echte Stars verpflichten konnte.

Die Mitgift bestimmte, wer Tyrrell fuhr. Bestenfalls ging es umsonst oder nur mit wenig Geld, dann, wenn «Uncle Ken» vom Talent überzeugt war wie in den Fällen Michele Alboreto, Stefan Bellof, Martin Brundle oder später Jean Alesi.

Alboreto eroberte 1982 in Las Vegas sowie 1983 in Detroit die letzten Grand-Prix-Siege für den traditionsreichen Rennstall.

Ken Tyrrell brachte viele Talent in die Formel 1, die jungen Piloten gingen durch eine harte, aber erstklassige Schule. Halten konnte Tyrrell die kommenden Stars selten.

Tyrrell war für viele Fahrer eine Vaterfigur. Ich habe Abendessen erlebt, an welchen alle in gut gelaunter Runde sassen, samt Piloten und Chef, auf einmal meinte Ken: «So, Jungs, ich glaube, es ist langsam Zeit für euch.» Die damaligen Fahrer Philippe Streiff und Jonathan Palmer verabschiedeten sich brav und trotteten zu Bett. Es war kurz vor zehn, Widerspruch zwecklos.

Tyrrell scheute nicht davor zurück, einen Piloten tüchtig zusammenzustauchen, wenn der Holzhändler das als angemessen betrachtete. Die Briten nannten das «froth job», weil Tyrrell dann jeweils nicht nur im übertragenen Sinne der Schaum vor dem Mund stand.

Ken führte sein Team mit eiserner Hand, mit einer Sturheit, die nicht immer zu seinem Vorteil war. Er wetterte gegen die Turbomotoren, vor allem aus Kostengründen, doch das liess ihn auch weiter den Anschluss an die Spitze verpassen. Als er Mitte der Saison 1985 als letztes der renommierten Teams mit Renault auf den Turbo-Zug aufsprang, neigte sich die erste Turbo-Ära der Formel 1 schon wieder dem Ende zu. So war er auch 1987 der erste, der wieder auf die Saugmotoren zurückrüstete, als diese eine eigene Wertung erhielten.

Den Anschluss an die Spitze hat Tyrrell nie wieder geschafft, die letzte Hoffnung gab es 1991, als er die Honda-V10-Motoren übernahm, die die McLaren von Prost und Senna in den beiden Jahren zuvor zum Titel geführt hatten, während McLaren selbst auf den neuen 12-Zylinder wechselte.

Ein zweiter Rang in Kanada durch Stefano Modena war das beste Ergebnis. In den kommenden Jahren war es im Winter oft ein Rätsel, ob Tyrrell in der kommenden Saison wieder an den Start gehen würde. Er schaffte es immer wieder, bis er sein Team 1998 verkaufte.

In Suzuka 1998 stand mit Toranosuke Takagi letztmalig ein Tyrrell am Start zu einem Grand Prix, sein Teamkollege Ricardo Rosset vermochte sich nicht zu qualifizieren.

Mercedes 2025: Die Wurzeln bei Tyrrell

Tyrrell hielt sich bis 1998 in der Formel 1, dann übernahm Craig Pollock – jahrelang Manager von Jacques Villeneuve – das Team. Finanziert vom Tabakhersteller British American Tobacco (BAT) gründete er «British American Racing», BAR. Im ersten Jahr steckten Supertec-Motoren im Heck (was nichts anderes war als Renault-Triebwerke), ab 2000 begann eine Kooperation mit Honda.

BAR siedelte sich im heutigen Mercedes-Standort Brackley an. Vollmundig sprach Adrian Reynard von einem Erfolg gleich beim ersten Rennen, schliesslich war das dem britischen Rennwagenbauer in allen anderen Monoposto-Serien auch gelungen!

BAR legte sich gleich mal mit dem Autoverband FIA an – die Neulinge erhielten keine Erlaubnis, ihre beiden Wagen von Jacques Villeneuve und Ricardo Zonta in unterschiedlichen Lackierungen fahren zu lassen (der beiden Zigarettenmarken Lucky Strike und 555). So entstand das berühmte Reissverschluss-Design, die eine Marke auf der einen, die andere auf der anderen Fahrzeugseite.

Von Erfolg konnte dann keine Rede sein: nicht nur, dass aus dem anvisierten Sieg nichts wurde, British American Racing eroberte im ersten Jahr keinen einzigen WM-Zähler!

Natürlich wurde es Pollock von den Gegner genüsslich unter die Nase gerieben, dass er den Firmen-Wahlspruch «Tradition voller Exzellenz» gewählt hatte. Denn an Tradition hatte BAR so wenig vorzuweisen wie an Exzellenz.

Genau genommen, wurde BAR zu einer Geldvernichtungsmaschine, typisch für die Formel 1. Von Australien 1999 bis China 2005 gab es zwar zwei Pole-Positions und einige Podestränge, aber aus dem erhofften Sieg wurde nie etwas.

Aus der Partnerschaft mit Honda hingegen wurde mehr: Ende 2005 übernahm der japanische Autohersteller BAR ganz, damit hatte Honda wieder einen reinen Werksrennstall.

Der Schritt schien nachvollziehbar: 2004 hatte das Team ein höchst erfolgreiches Jahr – zweiter WM-Schlussrang hinter dem übermächtigen Ferrari, elf Podestränge dank der starken Jenson Button und Takuma Sato. Der Brite stand allein zehn Mal auf dem Podest. Im Laufe der Saison 2004 hatte Honda schon 45% von BAR übernommen.

Aber auch Honda Racing scheiterte.

Das Team befand sich im Rückwärtsgang: WM-Rang 4 2006, aber nur noch WM-Achter 2007 und gar WM-Neunter 2008. Die Motoren waren zu schwer, zu durstig, die Chassis aerodynamische Fehlschläge. Honda geriet nicht nur der schlechten Rennergebnisse wegen unter Druck, sondern auch aufgrund der Absatzprobleme mit den Serienfahrzeugen. Die Weltwirtschaftskrise brach dem Team den Hals: am 5. Dezember 2008 wurde bekanntgegeben, dass sich Honda aus der Formel 1 zurückzieht.

Noch während der Saison 2008, als klar war, dass der Honda RA108 nichts taugt, war die Entwicklung ganz auf 2009 gerichtet worden. Honda ging in Ehre: Das Team wurde für ein symbolisches Pfund Teamchef Ross Brawn überlassen, die Saison 2009 wurde von Honda finanziert.

Es schmerzt die Honda-Manager bis heute, was dann passierte: Aufgrund der langen Entwicklungszeit und mit dem tollen Kniff des Doppeldiffusors eilten Jenson Button und Rubens Barrichello von Sieg zu Sieg. Von den ersten sieben WM-Läufen gewann der Engländer deren sechs, Barrichello doppelte in Valencia und Monza nach. Ein Formel-1-Märchen wurde wahr: Was als Rennstall Ende 2008 in Scherben lag, erhielt 2009 bei der FIA-Gala die WM-Titel für Marken und Fahrer überreicht. Obschon Red Bull Racing im Verlaufe der Saison immer stärker wurde, rettete Button seinen Vorsprung und liess sich in Brasilien als neuen Champion feiern.

Nach Saisonende wurde verkündet, dass Brawn GP 75,1 Prozent seiner Anteile an Mercedes-Benz verkauft. Ab 2010 nahm Mercedes unter eigenem Namen an der Formel-1-Weltmeisterschaft teil. BrawnGP hatte nur einen Sommer lang getanzt.

Ab 2014 setzte Mercedes in der neuen Turbohybrid-Ära der Formel 1 zu einem unfassbaren Höhenflug an: Sieben Fahrer-WM-Titel (sechs Mal Lewis Hamilton, ein Mal Nico Rosberg), acht Siege im Kontrukteurs-Pokal in Folge.
Ken Tyrrell erlebte von all dem nichts mehr mit: Der Holzhändler erlag am 25. August 2001 im Alter von 77 Jahren dem Krebs.

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