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Nico Rosberg: Kopf hoch und Vollgas in Saison 2015!

Kolumne von Mathias Brunner
Nico Rosberg: Tschüss, wir sehen uns 2015

Nico Rosberg: Tschüss, wir sehen uns 2015

Natürlich ist Nico Rosberg in dieser Nacht von Abu Dhabi tieftraurig, dass es nichts geworden ist mit dem WM-Titel. Aber er hat allen Grund, sich auf 2015 zu freuen. Hut ab vor seiner Leistung.

Als dritter Deutscher nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel wollte Nico Rosberg Formel-1-Champion werden. Und als zweiter Sohn eines anderen Weltmeisters nach Damon Hill. Lewis Hamilton hat das zu verhindern gewusst, und wir würdigen den Engländer im Editorial auf der ersten Seite von SPEEDWEEK.com.

Noch vor dem WM-Finale von Abu Dhabi ging die Diskussion los, mit Epizentrum England – wäre Nico Rosberg denn überhaupt ein verdienter Weltmeister? Ich für meinen Teil sage: Wir haben ein bestimmtes Punktesystem in der Formel 1, ob man das gut oder schlecht findet, spielt überhaupt keine Rolle, und die Vorgabe lautet – der Fahrer mit den meisten Punkten wird Weltmeister, samt doppelter WM-Zähler in Abu Dhabi. Wer zuvor wieviele Rennen gewonnen hat, spielt keine Rolle.

Rosberg mag den Titel nicht gewonnen haben, dafür aber den Respekt vieler im Fahrerlager, die ihn immer für ein wenig zu nett und letztlich zu wenig schnell hielten. Seine Kritiker müssen umdenken.

Jetzt mal Hand aufs Herz: Hätten Sie vor der Saison darauf gewettet, dass Nico Rosberg am Ende der Formel-1-Saison 2014 mehr Pole-Positions vorweisen kann als Lewis Hamilton (11:7) und ihn im Quali-Duell locker mit 12:7 schlägt? Wo doch der Brite als einer der schnellsten Fahrer im Feld gilt?

Der Grund für den Qualifying-Triumph von Nico ist nicht etwa, dass sich Rosberg auf wundersame Art und Weise als der schnellere Fahrer entpuppt hat. Ich bin davon überzeugt, dass Lewis mehr Talent in die Wiege gelegt wurde als Rosberg. Gleichzeitig halte ich Nico jedoch für den intelligenteren Fahrer, und genau das hat den Ausschlag gegeben.

Grundlage der vielen Traininingsbestzeiten, die zum Sprungbrett von 15 Podestplatzierungen wurden, ist die Fähigkeit von Nico Rosberg, im Training mehr aus seinem Rennwagen herauszuholen. Was Hamilton mit Instinkt macht, erledigt Rosberg mit Methodik und Cleverness. Auch wenn es Nico nicht gerne hört, wenn man Lewis als den Instinktfahrer und ihn selber als den Denker etikettiert.
Nicos Cleverness zahlte sich auch in den Rennen aus. Das beste Beispiel war der Kanada-GP, als den Silberpfeilen die Schärfe verlorenging, weil der Generator der kinetischen Energierückgewinnung den Dienst quittierte. Das führte zu überlasteten Hinterradbremsen. Rosberg konnte sich den neuen Gegebenheiten anpassen, Hamilton nicht. Nico kam auf diese Weise als Zweiter ins Ziel, Lewis schied aus.

Abgesehen von der Arbeitsweise hat mich die mentale Stärke von Nico Rosberg in diesem Jahr tief beeindruckt. Den heissen Atem von Hamilton im Nacken zu spüren und dennoch den Sieg nach Hause zu fahren, wie etwa in Brasilien, das muss Rosberg erst mal einer nachmachen.

Gut, kein Argument ohne Gegenargument: Natürlich hat Rosberg auch Fehler gemacht. Er hat sich in Italien als Leader verbremst, und das gleich zwei Mal, das hat ihn den Sieg in Monza gekostet. Er hat in Russland in der ersten Runde ein aberwitziges Manöver versucht und dabei seine Reifen eckig gefahren. Nach dem unvermeidlichen Stopp ist er allerdings mit einem Satz Pirelli 52 Runden lang und auf Rang 2 hoch gefahren – auch ein weltmeisterliches Kunststück.

Das Bremsen war ein Leitthema der Mercedes-Fahrer oder besser: es war ein Leidthema. Beide haderten mit Problemen im Umgang mit der Bremse, und jene Kombination, welche Rosberg vom Fahrgefühl am besten schmeckte, flog ihm bei Testfahrten in Stücken um die Ohren, so dass der Rennstall anschliessend auf einen weiteren Einsatz verzichtete. Nico in Abu Dhabi: «Wir haben bis zum Finale keine Lösung zustande gebracht, mit welcher ich mich hundertprozentig wohlgefühlt habe.»

Der Streifschuss von Belgien hat Nico Rosberg im August viel Prügel eingebracht. Er wurde vom Arbeitgeber in aller Öffentlichkeit gerügt, vom Gegner angeprangert und nicht nur von britischen Blättern zerzaust. Natürlich war das Manöver im Rad-an-Rad-Kampf mit Hamilton plump, natürlich war die pampige Erklärung später in der Teamsitzung wenig vorausschauend, aber eines war ganz wichtig – Rosberg hatte (sich und allen anderen) bewiesen, dass er sich nicht herumschubsen lässt. Mann wird nicht Formel-1-Champion mit bravem Zurseitefahren oder höflichem Vorbeiwinken. Hin und wieder muss ein Rennfahrer nicht nur Schwein haben, sondern auch ein wenig Schwein sein.

Natürlich wollte Rosberg damals in den Ardennen nicht – wie ihm einige bis heute unterstellen – den Gegner aus dem Rennen werfen. Das millimetergenaue Ansetzen des eigenen Frontflügels als Skalpell gegen den Hinterreifen seines Gegners ist ein Formel-1-Märchen, das durch ein schlichtes Argument sofort entzaubert wird: die Fahrer sehen ihren Frontflügel überhaupt nicht.

Vielmehr hatte Rosberg die Nase voll, immer als der Liebe und der Nette hingestellt zu werden, während Lewis Hamilton als der Rebellentyp mit Rapper-Image dasteht, der intern bei jeder Gelegenheit gelobt wird.

Das Image vom adretten Jungen von nebenan ging für viele schon im Mai baden – im Hafenbecken von Monaco gewissermassen. Bis heute sind viele davon überzeugt, dass Rosberg seinen Gegner im Abschlusstraining in eine Falle tappen liess. Die FIA konnte Nico kein Fehlverhalten nachweisen, Lewis Hamilton ist bis heute nicht davon überzeugt, dass da alles mit rechten Dingen zuging.

Der siegreichste Mann ist Weltmeister geworden, und im Fahrerlager herrscht in der Nacht von Abu Dhabi die Meinung vor – das geht in Ordnung so. Lewis Hamilton kommt auf elf Siege, Rosberg auf fünf.
Aber Nico hat eine Saison gezeigt, auf die er wirklich stolz sein darf. Und er denkt längst darüber nach, wo er überall zulegen kann.

Ein gemütliches Jahr wird 2015 für Lewis Hamilton nicht.

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