Lukas Tulovic: Was ihm Reißmann in der WM zutraut
Dirk Reißmann, Lukas Tulovic und Patrick Mellauner
Als Deutscher Motorradmeister des Jahres 1999 in der 125-ccm-Klasse weiß der Sachse Dirk Reißmann im Rennsport, wovon er spricht. Aber auch diesseits der Boxenmauer weiß der 47-Jährige, wie der Hase läuft. 2018 stand er als sportlicher Leiter beim sächsischen Moto3-WM-Team PrüstelGP an der Seite des Italieners Marco Bezecchi und des Tschechen Jakub Kornfeil. Bezzecchi wurde damals WM-Dritter.
Auf Grund unterschiedlicher Auffassungen wechselte er 2019 zur Nachwuchsabteilung des IntactGP Teams und half als Teammanager die letzten beiden Jahre mit, Lukas Tulovic zum Moto2-Europameister 2022 zu machen und darüber schließlich in den Grand Prix zurück zu bringen. «Der Gewinn des Europameistertitels mit Lukas Tulovic war nach meinem Jahr bei PrüstelGP mit WM-Rang 3 von Marco Bezzecchi in meinem vierten Jahr als Teamchef des Junior Teams mein bisher größter Erfolg. Wir haben es immer wieder mit deutschen Fahrern versucht, aber nicht viele haben das notwendige Format», erkrte Dirk Reißmann gegenüber SPEEDWEEK.com.
Rückblickend auf Lukas Tulovics erstes volles Grand-Prix-Jahr 2019, in dem er im Team Kiefer Racing nur drei WM-Punkte und den 29. Schlussrang erreichte, meinte Dirk Reißmann: «Sein erstes WM-Jahr kam vielleicht noch ein bisschen zu früh für ihn. Auch die Umstände haben vielleicht nicht so richtig gepasst. Aber Lukas hat sich nicht aufgegeben, weiter gekämpft und hart gearbeitet. Das schätze ich sehr an ihm.»
Und weiter: «Grand Prix ist natürlich ein Haifischbecken. Wenn man diesen Schritt macht, muss man sportlich nicht unbedingt auf seiner absoluten Höhe sein, aber zumindest knapp davor. Ich denke, die Erfahrung, gegen diese harte Konkurrenz, vor allem aus Südeuropa, zu bestehen, hatte Lukas damals einfach noch nicht.»
Worauf stützt sich nun Dirk Reißmanns Annahme, dass es «Tulo» diesmal packt? Dazu führte er aus: «Ich denke, dass wir da die letzten zwei Jahre sehr gut zusammengearbeitet haben. Er hat sich gut entwickelt, sportlich wie auch menschlich bzw. insgesamt in vielen Bereichen hat er riesen Schritte nach vorn gemacht. Man muss aber dazu sagen, dass er bereit war, diese Schritte zu gehen. Ich habe ihm sicherlich vieles mit auf den Weg gegeben, was ihm geholfen hat. Ich stehe ja oft an der Strecke und beobachte ihn. Er hat sich auch fahrerisch weiter entwickelt.»
Große Veränderungen hat Lukas Tulovic auch in seinem unmittelbaren Umfeld vorgenommen, welche Dirk Reißmann folgendermaßen beurteilte: «Lukas hat in seinem Leben auch selbst vieles verändert. Er hat ein neues gutes Management und einen super Trainer gefunden, sodass er sich absolut auf den Sport konzentrieren konnte. Natürlich haben wir als Team ihm ebenfalls sehr geholfen. Das waren alles Bausteine, die dazu geführt haben, dass er letztendlich den EM-Titel einfahren konnte.»
Den Einwurf, ob er als Ex-Rennfahrer, dessen beste Tage schon etwas zurück liegen, heutzutage als Riding Coach noch «up to date» ist, wischte Dirk Reißmann schnell zur Seite: «Auch wenn die Zeit sehr schnelllebig ist, verändern sich gewisse Dinge nicht. Sicherlich haben sich der Fahrstil, den wir früher hatten, und Feinheiten verändert, aber Abläufe und Strategien bleiben gleich. Man beobachtet draußen an der Strecke ja auch die anderen Fahrer, natürlich vor allem die besten. Daraus ziehe ich dann meine Schlüsse. Man denkt, dass beim Grand Prix die absolut besten Fahrer antreten und doch sieht man von außen Dinge, die man auch bei ihnen noch verändern kann. Ein Riding Coach ist nur ein Baustein, aber eine extrem gute Hilfe. Man sieht auch technische Dinge, die man dann mit dem Team und den Crew-Chiefs bespricht.»
Und was traut Dirk Reißmann Lukas Tulovic 2023 nun konkret zu? Dazu sagte er: «Normalerweise und wenn alles glatt läuft, sehe ich Lukas in den Top-15, vielleicht auch mal mit einem Top-10-Resultat. Der Bube ist für Highlights gut, definitiv. Wichtig wird, zu lernen mit der Konkurrenz gut zu arbeiten. Er konnte ja in diesem Jahr nur selten die Konkurrenz für sich nutzen, weil er ja immer der Leader war, an dem sich die anderen orientiert haben. Deshalb muss er im nächsten Jahr versuchen, die Konkurrenz jetzt für sich zu nutzen.»